Fomo hat mir das meiste Mo beschert

Ich muss aber mich aufraffen, weil diese Band ist nur fünf mal jedes Jahr in der Gegend. Was sollen die anderen denken, wenn ich bei Tante Hildegards Geburtstag nicht auftauche und die immer gleichen Fragen beantworte. Es ist Pfingstopenair, Bochum total, Juicy Beats, Rü-Fest, da geht man halt hin. Wenn ich diesmal die Anfrage nicht annehme, dann fragen die mich bestimmt nie wieder. Das ist eine einmalige Gelegenheit, auch wenn sie vielen anderen sehr sehr ähnlich sieht. Ich bin krank, aber es ist auch Vereinssitzung und auch wenn aus meinem Bereich alle da sind und ich kein Thema habe, ich muss ja schon auch, weil die nächste ist erst in sechs Monaten. 

Fomo, Fear of missing out, das ist die Angst etwas zu verpassen. Ausschluss oder Nachteile zu erfahren, weil mensch etwas nicht erlebt hat, nicht dabei war, nicht mitreden kann, sich nicht auskennt. Erwachsene die versuchen Jugendsprache zu sprechen haben vielleicht Fomo, Menschen die auf jedes Stadtteil fest gehen vielleicht auch. Was kann auch andere Beweggründe geben. Wir Künstler*innen haben Fomo, wenn wir bei bestimmten Events nicht dabei sind, wenn wir Trends nicht mitmachen, wenn wir uns mit etwas nicht auskennen, wenn wir auf einer neuen Plattform nicht mitmachen, wenn wir im Backstage nicht die ganze Zeit mit allen reden. 

Ich glaube ich habe mehr in meinem Leben durch Fomo verpasst, als ich erlebt habe dadurch das ich zu Dingen gerannt bin. So manche Zeit mit Freund*innen habe ich für Auftritte fallengelassen, oder für Projekte. Ich bin Leuten hinterher gerannt zu Sachen die mich mehr Energie kosten als mir zu geben, nur um präsent zu sein und meine Kunst zu vertreten, während ich hätte zuhause sitzen sollen und meine Kunst überhaupt erstmal hätte machen sollen. 

Ich habe mich verpasst, denn Fomo ist gut darin einen aus sich selbst und Wahrnehmung raus zu ziehen. Da werden dann eigene Bedürfnisse ignoriert, Grenzen aufgeweicht und Domänen verschoben. Plötzlich ist man an diesem Ort an dem mensch nicht sein will, mit Leuten mit denen mensch nicht sicher ist und hat nicht die Sicherheit um neugierig und wundernd zu sein, sondern ist ängstlich und versucht deshalb zu kontrollieren. Wäre ich jetzt sicher, könnte ich das hier auch wirklich voll erleben, weil ich es aber nicht bin, bleibt nachher nicht viel davon übrig. Im schlimmsten Fall muss ich mich ablenken und betäuben, damit meine echten Bedürfnisse nicht zu laut werden. 

Der Gedanke ob Gelegenheiten selten sind hilft mir nicht, um das aufzulösen. So wie unser Zeitstrahl funktioniert, sind ja alle Gelegenheiten und Ereignisse einmalig. Manche sehen sich zwar ähnlicher als andere, aber am Ende können sie nie identisch werden. 

Was mir hilft ist aber darauf zu schauen, dass ich nicht die Gelegenheit verpasse selbst eine Entscheidung zu treffen. Wenn ich darauf schaue, dass ich für mich auch ein Bedürfnis bearbeite wenn ich an "diesem einen Ereignis" teilnehme. Aber mir auch zugestehe mich neu zu entscheiden, wenn sich die Bedürfnisse ändern. Die Gelegenheit eine Entscheidung zu treffen bestimmt meine Offenheit für die Sache, aber bestärkt auch meine Selbstwirksamkeit. Mal zu einem "einmaligen" Event nein sagen, nur weil es geht, dass kann richtig befreiend sein, weil es daran erinnert, dass mensch selbst das Lenkrad hält. 


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