Zutaten

Handwerk und Kunst sind so eng miteinander verwoben, dass sie teilweise synonym zu einander sind. Mit Holz arbeiten, etwas bemalen, einen Text schreiben, ein Messer schmieden, fast alle Sachen können als einfache Arbeit, aber eben auch als Kunstform gemacht werden.
Wer von der Kunstseite kommt, denkt oft über die Innovation nach. Wie kann ich für ein bekanntes Problem eine neue Lösung finden? Welche Lösung entspricht meinem aktuellen Gefühl oder meiner Identität am meisten?
Wer von der handwerklichen Seite kommt, denkt oft über Materialien nach und Ressourcen. Wie kann ich mit dem was ich da habe das Problem lösen? Was brauche ich um es lösen zu können? Welche Werkzeuge sind dafür gut?

Beim Kochen habe ich es selbst am besten gelernt, aber auch wenn ich meine Möbel (um-)baue merke ich es: Es ist wichtig sich mit den Zutaten und Materialien auseinander zu setzen. Denn sie alle haben verschiedene Eigenschaften, müssen verschieden bearbeitet werden, damit sie funktionieren. Sie haben verschiedene Garzeiten, reagieren unterschiedlich auf Braten, Backen, Kochen, Dünsten und so weiter.

Als ich noch gar nicht gut kochen konnte, habe ich einfach alles so zusammen geschmissen, was mir anderswo oder grundsätzlich gut geschmeckt hat. Meist mit gar nicht mal so tollen Ergebnissen. Oft habe ich davon gegessen und dann die Reste "für ein anderes Mal" eingefroren, weil ich nicht gut zugeben konnte, dass es eine Katastrophe war und ich nicht weiter davon essen wollte.

Die offensichtliche Sache die schief gegangen war, dass ich oft Garzeiten nicht richtig beachtet habe. So habe ich Sachen die lange in der Pfanne gebraucht hätten zu letzt geschnitten und anderes wiederum komplett verkocht, weil es direkt am Anfang und dann viel zu lange bearbeitet wurde. Wechselwirkungen zwischen Zutaten, was beim Erhitzen Poren öffnet, was sie schließt, das was für mich verborgene Technologie und unvorstellbar. Ich dachte wenn ich alles heiß mache, dann wird es schon lecker. Ich lache heute darüber, wie groß damals die Distanz dazwischen war, dass ich gutes Essen so gerne mag und dann so wenig vom Zubereiten verstanden habe.

Ein weiteres, weniger offensichtliches Problem war aber ein anderes. Wenn dann nämlich die zig Zutaten zusammen gekommen sind, war es später schwer zu sagen, was eigentlich alles in diesem Essen war. Es war viel, es war reichlich und weil so viel gleichzeit los war, wurde es unmöglich irgendeinen Geschmack noch sicher zu erkennen. Oder zu genießen. Da war nur viel von allem, weil ich dachte, dass das etwas gutes wäre. Als ich gelernt habe zu reduzieren, was ich auch jetzt manchmal in Erinnerung rufen muss, was das ein ganz großer Wechsel in meinem Kochen.

Für jede andere Kunst stimmt das auch. Da sind Videospiele zur Zeit erfolgreich, die entweder nicht zu viel gleichzeitig wollen, oder wenn sie sehr reichhaltig sind, ihre Zutaten auf verschiedene Gänge verteilen. Da hängen sehr ähnliche Bilder im Museum nebeneinander, weil die erschaffende Person ein Weilchen mit verschiedenen Farben, aber der selben Technik gearbeitet hat. Meine Zutaten hatten überhaupt erst den Raum zu wirken, weil sie nicht miteinander in Konkurrenz stehen mussten, weil sie sich nicht die Fläche genommen haben, weil sie nicht gegeneinander angetreten sind.

Wenn wir schreiben, malen, tanzen, singen, musizieren, dann kann es gut sein, erstmal zu reduzieren, allem etwas Zeit und Platz zu geben. Die Elemente lernen sich erstmal kennen und verstehen ihre Verbindungen zueinander. Kommt eine neue Person in eine große Gruppe und alle stellen sich vor, dann geht es schneller, wenn die die da sind sich schon kennen. Wenn alle Elemente sich schon kennenlernen durften, ist es leichter etwas neues hinzuzufügen oder zu verstehen, wenn es nichts neues mehr braucht.

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