Der Boden und die Decke

Im Longpath-Mindset ist eine grundlegende Übung fürs Denken an unsere eigene Zukunft,  dass mensch drei Bereiche untereinander aufmalt. In den einen schreibt mensch die nicht akzeptable Zukunft. Welche Ausgänge für unsere Situation finden wir nicht okay? In den nächsten Bereich schreiben wir die akzeptable Version unserer Zukunft. Womit kämen wir klar wenn es so läuft, auch wenn wir es gerne anders hätten? Und in den letzten Bereich schreiben wir unsere gewünschte Version. Vielleicht unterstützt durch das so genannte "magische Denken", wo auch das jetzt unmögliche möglich ist. Die Frage ist dann auch: Wenn alles ginge, wie würde ich mir die Zukunft wünschen? 

Diese Frage ist gut, weil sie unsere eigentlichen Ziele offenbaren kann. Wenn meine Wunschzukunft zum Beispiel wäre, dass ich unbegrenzt viel Geld habe, nicht arbeiten muss und meinen Tag mit schreiben, lesen, lernen, kochen, essen und Familie verbringen kann, dann sind darin schon wichtige Selbstauskünfte. Eine akzeptable Version wäre zum Beispiel, dass ich das alles bekomme, aber leider arbeiten muss. 

Diese Überlegungen und dieses Tool sind für die Zukunft, aber es gibt auch eine Version, wie wir es für die Gegenwart nutzen können. Inspiriert ist die Idee von Sportler*innen, denen ich in sozialen Medien folge. 

Im Sport läuft nicht immer alles wie gewünscht. Wir Menschen haben nicht immer die gleiche Zeit, Energie, Optionen und Ressourcen. Aber wenn wir Sport machen wollen, müssen wir dafür Räume gestalten. Genauso wenn wir Kunst machen wollen. Oder eine andere Leidenschaft. Wir müssen es aber balancieren mit dem restlichen Leben. Also können wir uns eine Decke und einen Boden schaffen. 

Der Boden, der ist die Linie zwischen akzeptable und nicht akzeptable. Ich habe heute wenig Zeit, aber ich möchte schreiben. Was ist das absolute Minimum das ich schaffen muss, damit ich mich nicht hasse und unglücklich werde? Was muss ich tun, damit ich sagen kann, dass ich die Aktivität gemacht habe und sie nicht ausgefallen ist? Wieviele Minuten joggen, wieviele Liegestütze sind mein Minimum, damit es Sport war, ich aber trotzdem meinen andren Plänen für den Tag folgen kann? 

Die Decke ist ein Schutz in eine andere Richtung. Die Linie zwischen dem Wunsch und dem Unakzeptablen. Denn trainiere ich oder arbeite ich zu viel, gefährde ich andere Bereiche, oder meine Zeit, meinen nächsten Tag. Wenn ich heute zuviel schreibe in die Nacht hinein, bin ich morgen nicht aufschlafen und unfit, wenn ich eigentlich weiter arbeiten wollen würde. Wann ist es gerade noch genug, um nicht zu viel zu sein? Wo ziehen wir diese Grenze? 

Solche Tools müssen natürlich ständig neu betrachten und reflektiert werden, sonst verlieren sie an Wirkung. Aber sie können eine gute Selbstwahrnehmung und Selbstverpflichtung schaffen. Aber auch Kontrolle über die eigene Zeit. Denn wenn ich zum Beispiele erkenne, dass ich mindestens jeden Tag an Gedicht schreiben möchte, kann ich schnell identifizieren, ob das gerade klappt. Ich kann aber auch vorproduzieren und dadurch zwar nicht den Wunsch erfüllen, aber eben zwischen Decke und Boden bleiben. 

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