Ein Impuls über Geschenktes
Aktuell lese ich von Betty Martin "The Art of receiving and giving" um mein Wissen zu Awareness zu vertiefen, da diese Buch auch ein geprüftest Tool zum Thema "Konsenz" vorstellt und es eben anwendbar auf ganz viele Kontexte macht. Ich bin noch nicht so weit, dass ich sicher sagen könnte, dass ich schon etwas verwert- und anwendbar gelernt habe, aber Betty Martin macht ein paar spannende Unterscheidungen auf, die ich auch relevant dafür finde, wie wir Kunst machen. Denn genau wie das Konsenz nur mit Kommunikation existieren kann, ist Kunst immer eine Art von Kommunikation.
Betty Martin trennt sauber auf, dass in einem Aufeinander treffen von Menschen nicht immer die Person die etwas macht auch die Person ist, die dadurch etwas gibt. Sie unterscheidet dazwischen wer etwas in Empfang nimmt, wer etwas abgibt, wer aber auch dabei aktiv handelt und wer Ziel einer Handlung ist. So gibt es zum Beispiel Szenarien, wo ich die Handlung mache, aber dabei etwas bekomme und nicht gebe. Wenn ich meine Mitbewohnerin zum Beispiel frage, ob ich mir einen ihrer Joghurts aus dem Kühlschrank für mich nehmen darf, dann mache ich die Handlung, aber ich bekomme einen Joghurt und ihre Erlaubnis. Es könnte aber auch so sein, dass sie für alle Joghurt mitgebracht und es ihr Bedürfnis ist sie uns zu schenken. Dann nehme ich immer noch einen Joghurt, aber die Intention ist eine andere.
Wenn ich auf Menschen im Spoken Word und Poetry Slam, aber auch in anderen Kunstbereichen sehe, merke ich das dieses Verhältnis nicht immer für alle Performer*innen klar ist. Dabei spielt es zum Beispiel bei der Frage ob und wie ich für meine Kunst bezahlt werde eine relevante Rolle. Ich schreibe wenn es geht jeden Tag. Damit gebe ich mir selbst etwas, oft ist es mir ein Anliegen die Sachen auch zu veröffentlichen und damit mein "Geschenk" der Welt zur Verfügung zu stellen. Da es mein Bedürfnis ist, muss ich dafür zum Beispiel nicht bezahlt werden. Der Lohn ist, dass ich es Abgeben und Veröffentlichen durfte. Wenn aber sich jemand von mir einen Text zu einem Thema wünscht, dann ist das die Frage danach, ob ich etwas von mir geben kann, weil jemand anderes ein Geschenk haben möchte. Und das verändert die Fließrichtung der Intention. Und dann kann ich schon argumentieren, weil es gegen meine eigentliche Bedürfnisse gerade geht, dass ich einen Ausgleich dafür haben möchte. Dieser Ausgleich kann dann wiederum ein Geschenk für mich sein, den verdiene ich genug, dann habe ich mehr Zeit um für mich selbst zu schreiben.
Das Verhältnis und die Frage ob ich gerade ein Geschenk gebe oder bekomme, die sind für performende auftretende Künstler*innen aber auch sehr wichtig, wenn es um das Verhältnis zum Publikum geht. Denn oft mischen sich die Intentionen der beiden Parteien, weil die einen etwas hören/sehen/erleben wollen und die anderen etwas abgeben wollen, wenn dann aber der Inhalt dazu kommt, kann das schnell zum Gegenstand der Diskussion werden. Wenn jemand etwas sehr privates echtes persönliches teilt, aber die anderen es gar nicht bekommen wollen, weil das Vertrauen gerade zwischen Auftretenden und Publikum nicht so ist, das sich alle beteiligten sicher fühlen können, dann kann das ein Problem sein und auch einem akzeptieren der Kunst die gezeigt wird im Weg stehen. Wer bekommt etwas wenn ich diesen Text auf der Bühne mache? An wen geht das Geschenk, wenn ich mein Bild aufhänge? Wessen Bedürfnisse erfüllt das Singen dieses Liedes?
Fragen, die ich während es Weiterlesens mitnehmen werde.
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