Geisterjäger

Es ist geht damit los, dass ich eine Absage auf einen Job bekommen habe, wo ich wirklich den Wunsch gehabt hätte, die Chance zu bekommen. Ich habe es nicht erwartet, aber es sah aus meiner Perspektive wie ein Traumjob aus. Ich bin traurig, möchte das fertig fühlen, werde aber von Arbeit unterbrochen und merke, dass ich mich dann viel zu übertrieben reinhänge, weil ich jetzt einen Erfolg brauche, weil ich darauf reinfalle zu glauben, dass das die Traurigkeit weg macht. Es wäre nur Betäubung. Das Telefonat geht zu lang und das fühlt sich an als wäre es schief gegangen. Also noch etwas was nicht geklappt hat. Es klingt in dem Gespräch sehr gut was wir besprochen haben und es gibt Dankbarkeit. Später am Tag habe ich noch einen Termin für Projekte, werde da aber angerufen, weil leider das Kind kotzt. Ich muss schnell zurück und unterstützen, aber auch noch in einer mir fremden Stadt einbauen, zu Notfallapotheke zu gehen. Also noch etwas, was jetzt anders läuft als geplant. Auf dem Rückweg im Zug lese ich ein neues spannendes Buch, kurz vor Ankunft beschließen aber ein paar Betrunkene mir auf die Nerven zu gehen, mich anzupöbeln, was darin endet, dass ich beim Verlassen des Zuges dann gegen eine Metalsäule gestoßen werde und mir den Hinterkopf stoße. So ein Tag ist es also.


Ich glaube, solche Gedanken hatten viele Menschen schon mal. "Heute ist nicht mein Tag", habe ich schon so viele sagen hören und dann die Reihe der Unglücke und Missgeschicke und dessen was schief geht. Und weil unser Kopf zum einen sehr gut darin ist Muster zu erkennen, aber nicht immer gut darin zu entscheiden ob sie Sinn machen, denken wir eines in dem Tag zu sehen. Unser Kopf ist auch überraschend gut darin zu glauben. Also eine Überzeugung zu haben, die auf diffusen und abstrakten Eindrücken besteht und nicht zwingend Beweise hat. Eine Form die aber in einer unrealen Welt ist, das lässt sich irgendwie auch ganz gut als Gespenst oder Geist bezeichnen. Geister sind Wesen die auf die reale Welt wirken, ohne selbst real zu sein. Und das ist aber eben das Problem, es gibt sie gar nicht.

Dass ich den Job nicht bekommen habe, hat nichts mit dem Kind zu tun, dass zu schnell gegessen und sich deshalb übergeben hat. Es lag auch nicht an meinem zu langen Telefonat. Und nichts davon hat gemacht, dass Betrunkene krawallig geworden sind. Ja, es ist mir alles an einem Tag passiert, aber nichts davon gehört zusammen. Die Ereignisse haben alle bei mir schlechte Gefühle ausgelöst, von denen einige noch nicht vorbei waren, als die nächsten aufgetaucht sind, aber das bedeutet nicht, dass sie zusammen gehören. Sie haben keine Kausalität zu einander. Vermutlich hätte mein Kind auch gekotzt, wenn ich den Job bekommen hätte. Vielleicht auch nicht. Die Frage danach ist nicht so hilfreich. Was aber hilfreich ist, darauf zu achten, die Geister zu verjagen. Im ersten Absatz sind das alle fett und kursiv gesetzten Textstücke. Würde ich diese Bewertungen weglassen, hätte ich schon eine neutralere Erzählung. Und einen Rahmen, der mir eben erlaubt zu erkennen, dass da noch ein paar Gefühle übrig sind. Aber eben auch zu sehen, dass ich trotzdem gute Arbeit gemacht habe, meine Termine gehalten und Teil von Problemlösungen war.

Während ich darüber nachdenke, suche ich in meiner Musik-App nach dem Titelsong der Ghostbusters. Das sind auch Jäger, die Wesen einfangen, die unsere Welt stören, aber nicht hier her gehören. Was es braucht, sind eigene Geisterjäger. In meinem Fall frage ich mich, auf welches der Ereignisse ich Einfluss hatte und wieviel. An manchen Stellen hätte ich mich anders entscheiden können. Das nehme ich mir mit für die Zukunft. An einigen Stellen muss ich noch nachbereiten. Muss noch verarbeiten und dafür Zeit finden. Auch das kann ich aktiv tun. Ich kann aktiv mich darum kümmern den Kram zu fühlen, der da in mir vorgeht. Aber auch mich zu fragen, warum ich das fühle: Warum bin ich so traurig, dass ich den Job nicht bekommen habe? Weil ich schon Visionen entwickelt hatte, wie es dort mal werden könnte. Warum belastet mich, dass das Kind krank ist. Klar, aus familiärer Fürsorge und Lieben, aber eben auch weil ich in einer anderen Stadt war und mich machtlos gefühlt habe. So forsche ich danach, was die echten Dinge sind, die mich stören. Ohnmacht, nicht erfüllte Wünsche, das sind die Ursachen für meine Geister. Und damit kann ich etwas machen.

Es geht also vielleicht darum, die Geister zu entlassen. Denn in vielen Erzählungen haben sie die Welt noch nicht verlassen, weil sie noch keinen Abschluss und Frieden finden konnten. Das ist also etwas, was ich suchen, finden und ihnen anbieten kann. Denn auch wenn die Geister nicht echt sind, so kann es doch unser Glaube an sie und der wechselseitige Einfluss sein.

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