Nicht die Zielgruppe
Über meine Karriere als Person hinweg haben sich so ein paar Sprüche herausgebildet, die ich immer wieder verwende um Menschen Erfahrungen aus meinem Leben zu schildern. Manchmal nenne ich sie Glückkekssprüche, weil ich das Gefühl habe, dass sie erstmal gar nicht so spektakulär und schlau klingen. Außerdem sind manche auch einfach nur weird*. Allerdings sind eben auch einige dabei, die sich immer wieder bewahrheiten und mehr Sinn ergeben, je länger mensch sie liegen lässt. Während "Angst ist portionierbar", "Angst ist ein Mangel an Informationen" oder auch "Jede Verbindung ist Verhandlungssache" eher grundsätzlich aufs Leben beziehen, wurde ich auf einen Spruch aus dem Bereich Kunst wieder erinnert.
"Ich bin nicht meine eigene Zielgruppe"
Das habe nicht so deutlich in dem ursprünglichen Gespräch gesagt in dem es entstanden ist, aber es ist ein Gedanke mit großer Tragweite. Als Künstler*innen machen wir Kunst. Und einige von uns wollen Kunst machen, die auch Menschen erreicht. Da könnten wir dann von einer Zielgruppe sprechen. Es sind, je nach unserer Mission, die Menschen, die wir bewegen wollen, berühren oder zum Nachdenken bringen wollen. Das sind nicht immer alle Menschen. Den einiges was wir ausdrücken wollen, kennen andere auch schon. Es ist vielleicht für sie eine Bestätigung, aber keine Überraschung und kein Aufbruch mehr.
Das gilt auch, wenn wir selbst unsere Kunst anschauen. Wir haben es schon gedacht, gefühlt, gewollt, bevor wir das Werk erschaffen haben. Wenn wir jetzt mit Abstand draufschauen, dann erleben wir das nicht, wie jemand der beim Prozess des Erschaffens nicht dabei war. Wir sehen immer die baulichen Mängel, erkennen in den Handgriffen die Prozesse, vielleicht auch die Gefühle die wir hatten und sind immer der Blick hinter die Kulissen, ob wir wollen oder nicht. Nur mit ganz großem Abstand und Lücken im Gedächtnis lässt es sich schaffen, ein eigenes altes Werk neu zu sehen. Oder, wenn wir uns in der Zeit in unserem Leben deutlich weiterbewegt haben. So haben im Laufe meiner Therapie manche alte Texte eine neue Bedeutungsebene angeboten, die Hinweise auf meiner Geschichte gegeben haben. Alles in allem sehen wir unsere Kunst aber eben anders als andere es tun. Und das kann etwas sehr wichtiges bedeuten:
Dass wir sie vielleicht nicht mögen. Weil wir sie nicht brauchen. Weil sie hinter uns liegt. Weil sie zu konsumieren uns nichts mehr gibt. Weil es sich komisch anfühlt, den eigenen Film öfters im Kino anzuschauen, das eigene Album in der Freizeit zu hören, weil es arrogant wirken kann. Je nach Kunstform können wir uns sogar niemals selbst performen sehen. Aber das ist eben auch nicht schlimm, weil wir sind ja auch gar nicht die Zielgruppe. Wir müssen das gar nicht mögen und feiern. Denn während das Machen der Kunst für uns selbst ist, ist da Anschauen der Kunst eben für ein Publikum.
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*Beim Sport habe ich mal behauptet: Der Mund ist die Hand des Gesichts. Es ist wahr in meiner Welt, aber vorallem ist aber trotzdem Quatsch.
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