Eddie "The Mad King" Kingston

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 oder: "Asymetrische Vorbilder"

In meinem Umfeld ist es absolut kein Geheimnis, dass ich Wrestling-Fan bin. Es eine wundervolle und wundersame Kunstform? Unterhaltungsform? Brot und Spiele? Theater mit schwitzigen Muskelmenschen? Niemand weiß es sicher. (Das stimmt nicht, aber ein Teil des Zaubers der Wrestlings ist tatsächlich, dass es sich in keine Form richtig einsortieren lässt).

Wrestling produziert haufenweise Charaktere. Viele davon sind Figuren die in einem Ring und einer Geschichte gespielt werden. Überspitzte Versionen von - vielleicht - dem echten Leben dieser Menschen. Wie wohl Promoter und Wrestlingcharakter Jim Cornette mal gesagt haben soll: "Be yourself, with the Volume turned up" Und so lebt Wrestling von diesen überlauten Figuren die im Ring stehen. Und weil wir im "Internet-Zeitalter" leben, ist es aber eben nicht mehr möglich, das Geheimnis vollständig zu verschleiern, ob Wrestling "echt ist". Denn inzwischen wissen alle, dass Dinge abgesprochen, Geschichten vorgeschrieben sind und auch sonst vieles eben produziert wird.
Für Eddie Kingston ist Wrestling vielleicht aber noch echt. Eddie Kingston ist ein Profi-Wrestler der aktuell in verschiedenen Promotionen überall auf der Welt antreten darf. Er ist bekannt für brutale Matches und unfassbar beliebt bei den Fans. Manche denken das, weil er gar nicht so krass sportlich aussieht und damit aber eben auch "einer von uns" sein kann. Andere denken das, weil er sehr authentisch wirkt und vermutlich seine gespielte Wut im Ring und seine echte Wut im Leben sehr nah bei einander wohnen könnten. Darauf gibt es in Interviews und Berichten über ihn Hinweise. Viele Fans lieben ihn aber auch, weil er Wrestling liebt. Uneingeschränkt.

Eddie Kingston hat als Kind VHS-Tapes getauscht und gesammelt. Er redet voller Feuer von den besten Matches, den unterschätzen Held*innen, sein Instagram sieht aus wie ein chaotischer Fan-Account, nicht wie die glatte Präsenz eines hauptberuflichen Entertainers. Eddie Kingston hat Hype und Liebe für das, was er tut. Und das spricht mich vollkommen an. Spätestens seit seinem selbstgeschriebenen Artikel "Eddie Kingston got no Business fucking being here"  ist Eddie Kingston zu einem Vorbild geworden. Zu einem asymetrischen.

Denn ich habe nicht vor eine Karriere im Wrestling noch anzustreben. Auch wenn ich da öfter drüber nachdenke, als sinnvoll ist. Aber ich habe Interesse daran, mit Feuer und Liebe und Euphorie für Spoken Word, Poetry Slam und Bühnenliteratur zu stehen. Und das verkörpert Eddie Kingston in seinem Bereich. Ein asymetrisches Vorbild, also eine Person in einem anderen Bereich als dem eigenen zum Vorbild zu haben, kann sich seltsam und falsch anfühlen. Denn einige von uns wurden dazu erzogen, dass wenn wir selbst etwas machen wollen, das zu einer Monokultur werden muss. Das ist aber zum einen nicht realistisch, zum anderen nicht gesund. Speziell in den Künsten nicht. Denn wir müssen nach Inspiration im Außen suchen und gleichzeitig erfinden wir häufig Dinge. Die Chance, dass es für das was wir erfunden haben noch gar keine Vorbilder geben kann, ist also gar nicht mal so gering. Und ein Vorbild zu haben muss ja nicht bedeuten, dass wir eine Kopie dieser Person werden wollen. Aber wir sehen Eigenschaften, die wir auch erlernen oder entwickeln wollen. Eine Art und Weise, die wir erstrebenswert finden. Ein Skillset, welches wir auf unsere Arbeit oder unser Leben übertragen können. Asymetrische Vorbilder zu haben, erlaubt uns sogar fiktionale Charaktere zum Vorbild zu nehmen. Eine Sache, in der Kinder häufig besser sind als wir selbst, weil sie sich trauen Held*innen zu haben.

Eddie Kingston ist nur einer von vielen in meinem Leben, die ich als beobachtenswert und vorbildhaft sehe. Eine erschütterte Biographie, ein Aufwachsen in prekären Verhältnissen, aber doch durch Verbissenheit zu einem selbstgewählten Erfolg finden. Dabei das Feuer und die Liebe fürs eigene Format immer auf 110% gestellt. Damit kann ich was anfangen. Darin kann ich mich sehen. Gleichzeitig schütze ich mich davor, mich zu sehr zu einem Fan seiner Person zu machen, eben um nicht blind zu werden. Zum Beispiel für die Unterschiede. Das Ziel ist es ein Bewusstsein zu haben. Und vielleicht nur Aspekte erstrebenswert zu finden. So müssen wir auch gar nicht unbedingt eine einzelne Person als Vorbild haben, sondern können auch Gruppen zum Vorbild und als unsere Inspiration nehmen.

Eddie Kingston wird es egal sein, dass ich über ihn schreibe. Mir nicht. Ich möchte, dass Leute hinsehen. Ihn sehen. Seine Geschichte sehen. Ich möchte teilen, was mich inspiriert hat. Weil ich Feuer dafür habe, wenn Menschen Feuer für etwas haben. Ich liebe Hype. Ich liebe wenn Menschen lieben. Das sehe ich ihn mir und ich fülle den Treibstoff dafür an Vorbildern auf, die eben das auch tun.

Der Blick zur Seite lohnt sich. Wen finde ich beeindruckend? Weshalb? Was von dem, was mich an diesem Menschen begeistert, kann ich für mich und auf mein Leben anwenden? Und wenn ich darauf antworten finde, dann macht es diese Leute ungefragt zu meinen Mentor*innen. Und ich nehme sie überall mit hin. Wenn ich am Sonntag dann auf die Bühne gehe, dann wir auch Eddie Kingston mitkommen. Und Alexi Pappas. Und Rich Roll. Und Sarah Kaye. Und Keith Lee. Und Cody Traverse. Und Austin Kleon. Und und und und und und und wer sind deine asymetrischen Vorbilder?

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