Tool: Neutrales beobachten

Dieses Tool kommt aus der Pädagogik. Mir ist es in der Erzieher*innen-Ausbildung begegnet. Vorweg sei gesagt, dass vollständige Neutralität beim Beobachten nie gegeben sein kann. Unsere Fertigkeiten Reize aufzunehmen und unsere Lebenserfahrungen schaffen Filter, kombiniert mit typischen Wahrnehmungsfehlern (z.b. Gruppierungsfehler) kommt es immer wieder zu kleineren Täuschungen. 

Neutrales Beobachten kann aber eine sehr gute Übung sein für viele kreative Momente und Aufgaben, gleichzeitig kann die Übung darin uns helfen unsere Sprache dahin zu verändern, neutraler über unsere eigene Arbeit zu reden. Was mehr Präzision und weniger Emotionalität bewirken kann.

Verwendet wird neutrales Beobachten eigentlich um ein Gespür dafür zu bekommen welche Fertigkeiten Kinder und Jugendliche schon haben, um das damit abgleichen zu können, was sie entwicklungspsychologisch können sollten. Die Folge auf neutrales Beobachten sind dann so genannte Impulse oder Bildungsangebote. In denen werden dann Methoden verwendet um zur Entwicklung neuer Fertigkeiten zu reizen. Das lässt sich aber auch für uns und eigene Lernimpulse auch nutzen. 

Die Basis des neutralen Beobachten ist einfach. Wir nehmen uns Zeit, Stift und Papier und suchen uns eine Situation oder Person die wir beobachten wollen. Wichtig ist, dass wir das nicht offensiv machen. Wir wollen nicht erkannt werden und nicht Teil der Situation werden. Zum üben würde ich auch eher empfehlen eine Situation mit mehreren Menschen zu wählen, z.B. im Stadtpark oder einem Cafe. 

Wir nehmen uns Zeit zu beobachten und schreiben eine Art Protokoll der Situation. Jetzt kommt der herausfordernde Moment: Wir schreiben nur Beobachtungen ohne Bewertungen. Das bedeutet, dass wir nicht "schön" sondern sehr steril schreiben müssen. Wir fokussieren uns auf Handlungen, nicht ihre Qualität. Aus 
"Peter hat sein tolles blaues Lieblings-T-Shirt an und singt ein schönes Lied" 
wird
"Peter trägt ein blaues T-Shirt. Er sitzt am Tisch. Seine Hände liegen auf der Tischfläche. Er singt 'Ladadi ladada'."
Ja, es sind Aussagen dazu gekommen im zweiten Teil. Den eine Übung des neutralen beobachten ist auch Dinge ganzheitlich zu erfassen, wo wir sonst im Alltag aus vermuteter Effektivität Handlung nach Priorität sortieren. Peter kann aber zum Beispiel singen, auf dem Tisch trommeln und mit dem Füßen wippen und eine Biene anfangen l anschauen gleichzeitig. Und das alles zusammen kann eine Rolle spielen. 

Warum hilft uns neutrales Beobachten? Es erlaubt uns wieder mehr Klarheit für Handlungen zu bekommen statt für Wertungen. Wenn wir andere beobachten können wir sehen was alles passiert und nachher verstehen, welche Wirkung das erzeugt hat. Arbeiten wir kooperativ mit anderen, können wir ihnen so besser feedbacken, was sie tun, um ihnen selbst die Chance zu geben zu entscheiden was sie ändern wollen. Zu mal Beobachtungen, wenn wir sie gut machen, viele Fakten in sich tragen, während Bewertungen auch auf unsere Gefühle zurück gehen. Denn ob Peters singen schön ist, hängt von meiner Laune ab. Ob er "Ladadi" gesungen hat nicht. 

Für uns selbst erlaubt es aber auch die Frage "Was tue ich?" weiter nach vorne im Kopf zu holen, statt der Frage "Wie glaube ich das die Qualität ist?" Und besonders bei kreativen oder seelischen Themen kann das sehr nützlich sein, weil eben Qualität dort sehr von Laune abhängt. 

Zu üben zu beobachten schärft die Sinne und die Wahrnehmung. Das führt zu mehr Awareness und besserem Bewusstsein. Und das wollen wir gerne haben. Denn so nehmen wir mehr auf, was uns mehr Chancen zum Handeln gibt und mehr Impulse für unsere Kunst. 

Mich hat neutrales Beobachten in der Arbeit mit Künstler*innen sehr befreit. Denn ich muss nicht mehr sagen was mir gefällt um Feedback zu geben. Was ich selten möchte, weil mein Ziel ist, dass Leute die ich betreue ihren eigenen Weg finden, nicht eine Kopie von mir oder meinem Geschmack werden. Neutral benennen zu können, was sie tun, ist da die perfekte Basis. Denn Verhaltensweisen von uns können wir leichter verändern, als den Geschmack anderer. 

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