sich überleben - Richter*innen brauchen Ausbildung

 Die letzten Tage geht es mir nicht so toll. An den Dingen die ich mir für mich vorgenommen habe möchte ich aber festhalten. Denn Rituale sind gut für mich, Selbstwirksamkeit ist gut für mich und die Arbeit/die Texte/die Kunst machen zu können, das ist der Lohn. Also sollte ich auch bei schlechter Lage die Sachen machen, die mir gut tun.

Weil aber Leben sich ganz schön steinig anfühlen kann und mir Leute manchmal bescheinigen, dass meine Hoffnung und mein Durchhaltevermögen ganz schön stark wären, was ich in Teilen anders fühle, aber verstehe wie sie zu dem Ergebnis kommen, habe ich beschlossen, in Sätzen die deutlich kürzer sind als dieser hier, zu erzählen welche Denkweisen mir helfen (können) meinen Scheiß, meine schwierigen Gedanken oder wenn das Leben schwer ist, durchzustehen.

Der wichtige Disclaimer wie immer: Wenn ihr großen Leidensdruck empfindet, werden meine kleinen Gedanken hier das nicht beheben können. Je nachdem was da in euch vorgeht, könntet ihr eher Unterstützung von Therapeut*innen brauchen. Scheut euch nicht, Therapie kann ein guter wichtiger Ort sein. 

"Richter*innen werden lange ausgebildet vor ihrem ersten Urteil"
Wir werden ständig und überall und absolut störend Ziel von Bewertung und Urteilen. Das verunsichert uns, kann uns verletzen, verändern und auch unfrei machen. Weil der Mensch ein Gemeinschaftstier ist, brauchen wir Anerkennung und Akzeptanz. Ein hartes Urteil kann uns diese vorenthalten, entziehen oder beschädigen. 

Weil wir selbst so oft verurteilt werden, beurteilen und verurteilen wir selbst sehr häufig. Die Programmierung unseres Gehirns begünstigt leider auch die Bildung von Vorurteilen. Und leider sind diese Prozesse auch teilweise sinnvoll. Denn Urteilen helfen uns zu entscheiden, was für uns unterschiedlich stark über "Leben und Tod" entscheiden kann. Ein Andenken aus unserer Vorzeit als Menschen. 

Das Bild das mir bei Thema geholfen hat ist eines aus der echten Welt. Urteile werden von Richter*innen getroffen. Je nach schwere, Wichtigkeit und Komplexität der zu richtenden Themen, werden Richter*innen dementsprechend lange ausgebildet. Ohne die Ausbildung können sie die Lage, die Probleme und die "Beweise" gar nicht bewerten. Ein Urteil von jemandem ohne Ahnung kann zwar auch zufällig zu treffen oder gerecht sein, aber ich möchte lieber es von informierten Personen bekommen und auch geben. 

Wer mich also in meinem Leben bei etwas beurteilen will, muss dafür auch ausgebildet sein. Wessen Urteil ich zu meiner Kunst annehme von Menschen, hängt für mich von deren Kompetenz ab. Beobachtungen (Zeugenaussagen) kann ich von jedem annehmen, aber sobald ein "Laie" verursacht auf einer einzelnen Aussage ein Urteil zu fällen, mache ich mir bewusst das ich Einspruch erheben könnte. Oder mehr Beweise und Beobachtungen brauche. 

Um Umkehrschluss gilt das aber natürlich auch für mich. Um Dinge zu beurteilen, sollte ich mich gut informieren. Viele Seiten hören und Quellen anschauen. Bei Freund*innen bedeutet dass, gut zu zuhören und viele Fragen zu stellen. Bei Themen der Gesellschaft und der Welt bedeutet dass, sich auch mal längere Zeit zu trauen zu sagen "Dazu kann ich mir noch kein Urteil bilden", "Damit kenne ich mich nicht aus", "Ich versuche noch mehr zu verstehen, bevor ich das bewerte". Es ist ein Learning im Learning: Es ist keine Schande zu etwas keine Meinung zu haben oder sich nicht auskennen. Aber wenn ich etwas beurteilen können muss, dann sollte ich da meine Hausaufgaben auch machen. 

Bei einigen Verletzungen meines Egos hilft es mir mich daran zu erinnern um sie abzumildern oder zu verstehen, welche Fragen stellen muss. Und ansonsten: Computer, spiel "You don't know me" von Armand van Helden. 

Kommentare

  1. Anonym15.7.23

    Okay. Das ist richtig gut zu lesen. Ich arbeite seit ner Weile daran, meine eigenen Bewertungen zu überprüfen, Prozesse dahinter im Blick zu behalten und langsamer zu werden. Das gelingt mal besser und mal (noch) nicht so gut, je nach Kapazität in dem jeweiligen Moment. Allerdings ist die Perspektive, dieses Hinterfragen auch in die andere Richtung zu etablieren, richtig gut. Ich bin mit mir selbst und meinen eigenen Urteilen meist sehr hart, hinterfrage aber Urteile anderer, die mich betreffen, kaum bis gar nicht. Davon mag ich mir gern eine Scheibe abschneiden, zukünftig. :)

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    1. Und das ist so wichtig. Die Darstellung von Justitia mit verbundenen Augen bedeutet, dass sie keine Seiten wählt. Das sollten wir also auch nicht tun.

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  2. Genau mit demselben Problem struggle ich momentan auch. Das Bild mit den RichterInnen find ich echt stark, das werd ich mir zukünftig versuchen mehr zu Herzen zu nehmen. Was mir persönlich auch enorm hilft, gerade mit ungefragtem Feedback von Außen, ist der Satz "Nimm keine Kritik von jemandem an, den du nicht um Rat fragen würdest.". Das bedeutet natürlich nicht, keinerlei Kritik anzunehmen, aber es hilft enorm dabei konstruktives von destruktivem Feedback zu trennen.

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    1. Ja! Dieses Zitat sehr gut. Da finde ich halt wieder wichtig dann sich die Mühe zu machen die andere Person so kennenzulernen, dass ich bewerten kann, ob ich Rat von ihr möchte. Als merksatz ist es top.

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