Tools zur Selbsterforschung

Selfcare, Awareness, Selbstliebe und ein unbestimmt großer Haufen an anderen Begriffen werden aktuell gerne verwendet und angegriffen, wenn Mensch zum Beispiel in die sozialen Medien schaut. Hier werde ich keine Diskussion dazu aufmachen, ob dieser Begriffe gut oder schlecht, unterrepräsentiert oder überbewertet sind, fachlich zu wenig untermauert oder falsch verstanden sind. Ich glaube auch, dass das keine zielführenden Diskussionen sind, denn für manche Menschen sind die Ideen und vorallem Tools hinter diesen Begriffen sinnvoll und gute neue Impulse. Nichts davon kann alleine das Leben verändern oder verbessern, aber wie bei gesunder Ernährung, kann es eben eine eigene angepasste Zusammenstellung geben, die gesund ist oder auch gesünder macht.

Was all diese Begriffe und ihre Tools aber anbieten, sind Gelegenheiten sich selbst zu erforschen. Und das kann ich auch persönlicher Erfahrung und Beobachtungen in meinem Umfeld sehr sicher sagen, dass das wertvoll und gesund ist. Wer forscht findet antworten und lernt etwas kennen und immer auch etwas dazu. Und da sich selbst zu kennen gar nicht so selbstverständlich ist, besonders in einer Welt die immer wieder sich darum bemüht Einfluss auf uns auszuüben und uns auch teilweise manipulieren möchte, lohnt sich die Suche nach stabilen Antworten auf die Fragen zu unserem Selbst schon sehr. Denn stabile Antworten auf die Fragen zu unserem Selbst bedeuten, dass wir Klarheit, Stabilität und Handlungsfähigkeit gewinnen. Vorallem die Fähigkeit nicht nur auf unsere Umwelt zu reagieren, sondern bewusst(er) zu handeln.

Ich mag gerne ein paar Tools und Übungen vorstellen, die ihr als regelmäßige Routinen machen könnt und die ich selbst auch ausprobiert oder in meinen Alltag eingebaut habe. Aber nicht nur in meinen Alltag, sondern auch in meine Haltung - Wobei regelmäßige Wiederholung der Übungen sehr hilft.

Ganz wichtig vorne weg: Wenn der psychische oder mentale Leidensdruck da, hoch oder schwer auszuhalten ist, helfen auch keine kleinen Tools und Methoden. Wenn ihr den Eindruck habt, der Energien in euch, die euer Selbst beschäftigen nicht gerecht werden zu können, kann es sinnvoll sein, sich professionelle Hilfe in Form von Beratung und/oder Therapie zu suchen. Da werden dann mit euch passende Wege gefunden. Kleine Methoden können trotzdem etwas Linderung bieten, aber nie eine tiefergehende Belastung, Störung oder Verletzung beheben.

#washeutegutwar
Ein Hashtag und damit eine Sache, die im öffentlichen Raum gemacht werden kann, aber nicht muss. Ich kenne es aus dem Content der befreundeten Jule Weber, ich weiß aber auch dass sie selbst diesen Hashtag auch von anderswo übernommen hat. Es gibt allerdings so viele Praktiken um zum Abschluss des Tages ein wenig zu reflektieren und seinen Fokus aufs Gute zu legen, dass das hier eher ein Beispiel aus vielen ist anstatt ein Hinweis auf besondere Schöpfungshöhe.

Wie läuft es ab? Jeden Abend bzw. zum Abschluss des Tages macht mensch sich bewusst, was einem selbst gut gefallen hat. Auch wenn wir es in den sozialen Medien teilen, geht es nicht darum ein besonders tolles #washeutegutwar zu haben, was anderen gefällt. Es muss nur für einen selbst Sinn ergeben und das vielleicht auch nur für eben genau den Moment in dem Mensch es formuliert. In einem Gespräch hat Jule mir signalisiert, dass sie von Listen unter diesem Hashtag lieber Abstand nimmt, weil es auch eine gute Reflexion des Tages ist, sich für einen Aspekt zu entscheiden. Oder eben einen Formulierung zu finden, welche mehrere Aspekte gut zusammenfasst.

Die Methode kann mensch natürlich auch in einem Notizbuch und für sich selbst machen. Oder anders anpassen. Ganz wichtig: Es geht nicht darum, etwas was nicht gut war, schön zu reden. Einige Tage sind scheiße. Und manchmal ist das Einzige schöne, dass der Tag vorbei ist. Aber in dem Versuch die Hoffnung und Zuversicht in sich selbst zu kultivieren und zur gepflegten Praxis zu machen, kann eben auch auf diese kleine Erleichterungen zu schauen gut sein.

#heutegelernt
Meine einfache Variation von der vorherigen Idee. Mit dem selben Potential, dass es nicht nur gut für einen Selbst sein kann, sondern wenn es nicht bewusst gemacht wird auch schädlich sein kann. Der Name des Hashtags sagt es selbst: Es geht darum zu markieren, was mensch an dem Tag gelernt hat. Dabei ist aber im Blick zu halten, dass einfach auch nicht jeden Tag die Erkenntnis groß sein kann und muss. Lernen braucht Zeit, Dinge müssen einsinken können, Wissen verändert sich in der Auseinandersetzung damit und unserer Welt. Aber wer gerne ein Lernbegeisterter Mensch ist, kann darin eine gute Reflexion finden, was gedanklich so den Kopf umgetrieben hat oder welches Zitat vielleicht eine Wirkung auf einen hatte. Auch hier: Für den Moment und das Bewusstsein toll. Aber das Gedächtnis wird nicht jedes #heutegelernt immer auf dem Schirm haben und behalten.

Tagebuch / Journaling
Ihr schnappt euch Stift und Papier oder irgendein anderes Medium, bei dem ihr spürt, dass ihr schreibt und dann schreibt ihr alles auf, was euch wichtig ist oder ihr erlebt habt von einem Zeitabschnitt. Oft nehmen Menschen ihren Tag. Das ist nicht nur für die Reflexion nützlich, sondern auch für das Gedächtnis. Nicht unbedingt um es zu trainieren, aber um es zu entlasten. Denn das Gedächtnis ist schlechter als wir glauben, Papier aber geduldig. Und wenn auch Schreiben als Aktivität das Merkvermögen wirklich positiv beeinflussen kann, schreiben wir aber auch vorallem Tagebuch um Sachen aus dem Kopf zu bekommen.

Planen wir dafür eine feste Zeit ein, dann fängt sich unsere Seele zunehmend an darauf zu verlassen. So kann daraus ein Zeitpunkt am Tag werden, wo wir ablassen können. Und je größer die Garantie dafür ist, desto leichter wird es manche Gefühle auszuhalten. Klar, wenn ich nicht sicher weiß, wann und wo ich etwas zu essen bekomme, werde ich nervös und schlecht gelaunt. Wenn ich aber weiß, dass ich mir für jeden Tag zur ähnlichen Zeit etwas vorbereitet habe, kann ich entspannt bleiben. Routinen schaffen (Selbst-)Sicherheit.

Morning Pages
Hier schon mehrfach im Blog erwähnt, kommt diese Methode von Julia Cameron. Sie hat damit einen Grundfeiler der "spirituellen Heilung verletzter Künstler*innen" geschaffen. Was für uns wissenschaftsverliebten Mitteleuropäer*innen ganz schrecklich nach Hippie-Tum und fragwürdiger Methodik klingt, ist meiner Erfahrung nach ein guter Zugang zu Spiritualität, Meditation und Selbsterkenntnis, der nicht fragwürdige Techniken und kulturelle Aneignung beinhaltet.

Im ersten Moment könnte mensch die Morning Pages mit dem Tagebuch verwechseln. Denn auch hier setzen wir uns hin und schreiben drei Seiten auf. Jeden Tag. Allerdings tun wir das am Morgen als allererstes. Noch bevor wir an dem Tag etwas erlebt haben. Und darum geht es auch. Denn unsere Aufgabe ist es nicht unsere Erlebnisse auszuschreiben und zu beschreiben, sondern an viele rohe Gedanken bekommen, noch bevor wir etwas erlebt habe. Ja, bevor wir zum ersten Mal nach dem Handy greifen, vor dem Frühstück, vor (fast) allem. Ich mache nur meine Morgentoilette und setze mich dann direkt an mein Notizbuch.

Die Morning Pages haben sich für mich von einer wirklich manchmal störenden Pflicht zu einer der größten Sicherheiten in meinem Tag entwickelt. Wenn mich etwas vor dem Einschlafen am Abend belastet, kann ich es wegschieben, weil ich weiß, dass ich am Morgen Zeit haben werde um mit mir zu sprechen. Und so setze ich mich dann am Morgen hin und komme "mit mir ins Gespräch". Ich arbeite mit meinem inneren Kritiker, meinen Ängsten und finde aber auch immer wieder neue Gedanken, ganz ohne weitere Impulse von Außen, nur weil ich aktiv mit mir selbst auf dem Papier denken.

Wichtiger Hinweis: Im Gegensatz zu einem Tagebuch, sind die Mourning Pages für gewöhlich nicht dafür gedacht, später nochmal gelesen zu werden. Schon gar nicht von jemandem anderen. Das Selbstgespräch und die Meditation sind nur für uns selbst und vor Einflüssen von Außen zu schützen. Und als jemand der das jetzt seit Monaten anwendet und Teile der Veränderung in meinem Leben auch durch die Erkenntnisse dieser Übung zurück führen kann, kann ich euch sagen dass dieser Schutz vor dem Außen auch sinnvoll ist.

Ein Problem an den Pages kann aber sein, dass mensch dafür zwischen 10 - 20 Minuten brauchen kann und könnte. Oder ich schreibe sehr langsam. Will ich nicht ausschließen. Aber es gibt auch noch weitere schnelle Methoden.

Two Minute Practice
Speaker, Autor und Podcaster Neil Pasricha ist ein großer Freund von Effizienz. Aber eben auch davon glücklich zu sein. Das findet sich in allen seinen Erzählungen und Inhalten wieder. Weil er sich am Morgen nicht die Zeit nehmen möchte sehr lang über sich und alles nachzudenken, hat er in einem Interview seine "Zwei-Minuten-Übung" vorgestellt. Er nimmt sich auch Stift und Papier und schreibt sich zu folgenden Fragen eine Aussage auf:
Wofür bin ich heute dankbar?
Wovon möchte ich micht heute trennen?
Worauf möchte ich mich heute fokussieren?

In jeder Kategorie schreibt er nur eine Sache auf, weil es sonst das Ziel verfehlt, einen Fokus zu finden. Ich glaube das kann mensch auch selbst anpassen, wenn auch ich schon das Argument sehe, dass zu viele Einzelheiten alles ein bisschen verschwimmen lassen können. Diese drei Fragen, wenn sie schnell und ehrlich beantwortet werden, sind aber wirklich und einfach in zwei Minuten zu klären. Vielleicht ein guter Anfang für eine neue Routine?


Kennt ihr auch Methoden zur Selbsterforschung? Wie macht ihr es? Ich bin neugierig und mag lernen. Schreibt gerne einen Kommentar hier drunter oder wenn ihr euch damit wohler fühlt, eine Email.

Kommentare

Vielleicht auch spannend: