Verletzt

Kurz bevor ich einen neuen Artikel schreiben will, fühle ich mich verletzt. Ich habe gelernt. Früher hätte ich gesagt, ich wurde verletzt. Jetzt sage ich, ich fühle mich so, als wäre ich verletzt worden. Wenn ich der Genauigkeit meines zu pingeligen Anteils im Inneren nachgeben würde, würde ich sogar sagen, dass das gar kein Gefühl ist, sondern ein Gedanke. Aber da ich mit meiner Sprache und meiner Bewertung von ihr sanfter werden mag, lasse ich für den Moment zu, dass ich sage "ich fühle mich verletzt". Irgendwann in einem Gespräch mit meiner Mitbewohnerin, kommen wir auf diesen Gedanken, auf dieses Bild: Es ist ein Unterschied ob ich verletzt werde, oder mich verletzt fühle. Denn es ist ein Unterschied, ob mir jemand eine reinhaut und mir deshalb alles weh tut oder ob ich volle Kanne vor eine Wand renne. Die Wand ist immer da, sie hat sich nicht verändert und auch wenn ich danach Schmerz habe, ist es schwer der Wand die Verantwortung zu geben.

Also frage ich mich, ob ich verletzt wurde, oder ob ich mich an etwas verletzt habe. Denn das tun wir Menschen manchmal. Nicht, weil wir das gerne wollen. Teilweise können wir gar nicht anders. Wir sind spontan in jemanden verschossen, fühlen intensiv, aber die andere Seite empfindet anders für uns. Tut weh, ist aber erstmal niemandes schuld, wenn alle fair und transparent waren. Und ja: Wenn ich mich verliebe, das nie mitteile und den Schmerz für mich behalte, dann ist das auch sehr fair. Weil ich belaste nicht jemanden mit Gefühlen, die diese Person nicht ausgelöst hat. Aber ich muss mich manchmal eben fragen, und digitale Kommunikation macht das teilweise kniffliger, weil Frequenzen wie zum Beispiel die Stimmlage, der Ton, die Emotion fehlen, was es denn jetzt ist.

Was verletzt ist, muss heilen. Das braucht immer einen Einsatz von mir selbst. Die Wunde reinigen. Die Wunde versorgen. Die Wunde schonen. Aber wenn es von Außen kam, dann mag ich auch wissen, dass die Verletzung nicht wiederholt wird. Oder in Kauf genommen.

Gerade fühle ich mich verletzt. Und ich falle auf Denkmuster rein, eine Art Schonhaltung der Seele, um uns eigentlich zu schützen. "Du musst jetzt misstrauen", sagt das Sicherheitssystem. Ich entscheide mich dagegen, schreibe es in einen Artikel in einem Blog, wo es eigentlich um Kunst gehen soll. Geht es auch in diesem Beitrag. Denn wenn ihr mal einen Kunstpreis nicht gewinnt, einen Auftritt nicht bekommt oder euch übersehen fühlt, dann fragt euch gerne mal ganz genau, ob ihr gerade aktiv verletzt wurdet, oder ob eure Erwartungen oder Wünsche sich nicht erfüllt haben und ihr euch an etwas verletzt habt. Bei der Kunst ist es unmöglich die Seele und das Kreative zu trennen. Unsere Verletzungen fahren immer mit, wenn wir schöpfen und schaffen. Es ist wichtig, sie gut zu erkennen und kennen zu lernen.

Irgendwie so.

Kommentare

  1. Mella4.11.23

    Uff... Wild. Ich hatte gestern Abend noch ein Telefonat, in dem es genau darum ging. "verletzt werden" oder "verletzt sein"... Und darum, dass es eben häufig nicht die Kommunikation des Gegenübers ist (weil diese sich gar nicht verändert hat), sondern mein Art, sie zu lesen/verstehen in dem Moment... Und das hier eine alte Verletzung schmerzt, die ich bis vor ein paar Monaten nicht verstanden habe. Es hat sich mittlerweile bei mir sehr eingebrannt, dass ich mich frage, ob mich wirklich aktiv jemand verletzt hat oder ob es auf meiner Seite zB durch Erwartungen oder Interpretationen passiert ist. Und das ist extrem hilfreich, um fsir zu sein und Menschen keine Verantwortung für etwas zuzuschreiben, die nicht ihre ist. Ich hoffe, dein Beitrag bleibt auch in anderen Köpfen hängen wie in meinem. Das war ein sehr wichtiger Lernpunkt für mich, dieses Jahr. Danke dir dafür.

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    1. Ich glaube dafür lesen nicht genug Leute diesen Blog. Aber vielleicht finden ihn Leute über die Zeit, die das brauchen können.

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