Breite und Tiefe
Wenn wir etwas tun wollen, dann sind Daten nicht unwichtig. Wir brauchen Informationen, wir reagieren auf Informationen, wir haben Informationen. Wir haben eine Wolke aus ganz unterschiedlich starken und sicheren Fakten. Manches, was wir glauben beobachtet zu haben, anderes haben wir gelesen und sogar markiert, gespeichert, noch anderes haben wir gehört, finden es aber glaubwürdig. All das verwenden wir, um Entscheidungen zu treffen, um Risiken und Nutzen gegeneinander abzuwägen, teilweise verwenden wir es auch, um zu prüfen, ob wir eine Situation überleben. Das ist so tief in uns angelegt, dass wir es nicht austricksen können. So tief, dass es manchmal zu Fehleinschätzungen führt, weil wir zum Beispiel eben nicht alles wissen können und das wissen, oder wir in unserem Wissen Verletzungen haben, die unsere Bewertungen verschieben oder verdrehen.
Adam Grant hat in seinem Buch "Originals" und seiner Arbeit darüber hinaus sich damit beschäftigt, was für Menschen eine "originelle", also eine schöpfende Denkweise haben. Eine Denkweise und Arbeitsweise, die Innovationen schafft und dabei aber auch noch Erfolg hat. Und während es sehr leicht ist sich da den Blick wieder auf den wirtschaftlichen Erfolg verwaschen zu lassen, ist es aber trotzdem auch in anderen Kategorien hilfreich sich damit zu beschäftigen, wie Innovation gehen kann und wie wir es schaffen können uns etwas zu trauen.
Wir als Künstler*innen, wollen nämlich auch Erfolge haben. Japps, manche davon sind von mir aus auch wirtschaftlich, aber in einer gut geeichten Seele, wollen wir hoffentlich auch mehr, als nur die Euros. Vielleicht haben wir etwas zu sagen, oder aber eben, so wie es in einer der Definitionen von "Kreativität" formuliert wird: Eine neue Lösung für ein bereits bestehendes Problem finden. Und die Lösung dann teilen wollen. Und ob teilen ein Erfolg ist, hat zum Beispiel mit Sichtbarkeit und Wirkung zu tun. Vielleicht haben wir auch nicht zwingen eine Lösung für ein Problem, aber eine eigene Perspektive der Beobachtung, die zum Gespräch über das Problem beitragen kann. Auch das müssen wir uns aber auch trauen und verstehen, wie wir es voran bringen können.
Adam Grant beschreibt in seinem Buch, dass es deutliche Tendenzen dazu gibt, dass zwei Merkmale von unserem Wissen dabei eine Rolle spielen, wie gut wir unseren Erfolg vorher sehen können. Die Tiefe unseres Wissens und die Breite. Was bedeuten diese Begriffe für unser Wissen?
Basierend auf seinen Ausführungen und eigenen Gedanken, komme ich zu folgenden Vorschlägen:
Die Tiefe des Wissens bezieht sich auf einen Fachbereich. Wenn wir tiefes Wissen haben, dann kennen wir uns gut aus in der Materie. Wir kennen die Geschichte, wir kennen die Akteur*innen, wir sind unter die Oberfläche gegangen. Wir können den Ist-Zustand gut beschreiben. Die Tiefe können wir anfüttern, in dem wir uns mit der Geschichte unserer Technik beschäftigen und dort recherchieren. Bücher, Podcasts, Internetartikel, wo kommt meine Kunstform eigentlich her? Was sind die Ideen und Haltungen gewesen? Wer sind vielleicht wichtige Namen in diesem Bereich? Tiefe des Wissens macht uns zu Expert*innen und erleichtert uns oft auch den Austausch mit unseren Kolleg*innen, denn wenn wir die selben Fachbergriffe oder auch Slangwörter unserer Szene verwenden, können wir schneller über das sprechen, was uns beschäftigt.
Die Breite unseres Wissens würde ich auch mit den Erfahrungen zusammen legen. Die Breite beschreibt nicht nur, wie wir eine Kunstform kennen, sondern wieviele unterschiedliche Erfahrungen, Beobachtungen und auch Wissensaspekte wir haben. Die Unterschiedlichkeit spielt dabei eine große Rolle, weshalb die Breite unseres Wissens auch daraus entstehen kann, dass wir in den Austausch mit Menschen gehen, die Situationen anders erleben und verstehen. Gerade als Kreativschaffende gibt es vergleichbare, aber eben nicht gleiche Probleme auch in anderen Bereichen. Wenn auch die "Schreibblockade" das berühmtere Wort ist, wissen auch Menschen die malen, die singen, die tanzen, dass es mal zu einer Blockade kommen kann. Um meine Wissen zu verbreitern kann ich mir also anschauen, wie dort mit Blockade umgegangen wird. Eine weitere Quelle um da Wissen zu verbreitern, kann auch ein Publikum sein oder Freund*innen, die vielleicht am anderen Ende meiner Kunst stehen. Natürlich fehlt denen die Tiefe des Wissens, aber das erlaubt ihnen auch Probleme zu sehen, für die Expert*innen möglicherweise schon blind sind. Vorallem, wenn großer Enthusiasmus mit ins Spiel kommt.
Enthusiasmus, also die große Begeisterung für unsere Sache ist nämlich schon wichtig, aber kann dafür sorgen, dass wir so schnell vorwärts wollen, dass wir nicht mehr sehen woran wir vorbei ziehen oder worein wir vielleicht auch kollidieren könnten. Ein hohes Tempo ist auch immer schwer zu kontrollieren. Allerdings ist es für den Anfang gut und wichtig. Denn zu wenig Tempo kann machen, dass wir den zu bewegenden Inhalt gar nicht in Bewegung bekommen. Und da kann eben Feedback von Außen auch helfen. Denn es kann uns helfen das Tempo konstant zu bekommen oder uns so einzubremsen, dass es realistisch bleibt unser Projekt zu lenken.
Wissen selbst wird immer abstrakt bleiben. Auch wenn mich die Idee begeistert, irgendwann mal alles aus dem Kopf aufzuschreiben, was ich weiß, habe ich komplett sicher, dass da Sachen dabei sind die nicht stimmen oder schon nicht mehr stimmen, die ich falsch verstanden oder falsch gemerkt habe. Egal wieviel ich lerne, lese, erlebe, dass wird immer so sein. Niemand ist frei von den kleineren verwirrenden Stolperfallen in unserem Gehirn. Was aber möglich ist, ist eine Kultur des Wissens bei uns selbst zu schaffen und zu schauen, in welchem Bereich uns eben vielleicht Wissen fehlt. Wissen können wir nämlich schaffen, wie eine sehr wichtige Fachrichtung der Bildung schon sagt. Und dafür dürfen wir forschen. Und das muss nicht akademisch sein, darf es aber, muss nicht sauber sein, darf es aber, muss nicht im Feld und an der Front sein, darf es aber und es muss nicht klug sein, darf es aber. Und noch so vieles mehr. Was es aber sein darf, ist ein Weg uns weiter anzufüttern. Damit wir dann immer bessere Entscheidungen treffen können und dadurch auch bei hohem Tempo Dinge gut im Blick behalten.
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