Warum ich es nicht mehr Poetry Slam Workshop nenne

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So einige Begrifflichkeiten rund um Poetry Slam sind eigentlich ganz schön unklar, dafür, dass wir innerhalb unserer Szene bevorzugt mit Worten spielen und arbeiten. So müssen wir seit Jahren immer wieder Menschen erklären, dass du keinen "Slam schreiben" kannst, weil ein Slam ja die Veranstaltung und das Format ist, und nicht das Werk das vorgetragen wird. Da fallen wir dann immer wieder auf das Wort Text zurück, aber damit habe ich dann wieder meine Probleme, weil was auf der Bühne passiert ist eben nicht der Text, sondern die Performance eines Stückes. Denn ein Theaterstück ist solange es nicht gespielt wird auch erstmal nur ein Text. Ein Song ist auch erstmal nur ein Text, bis er gesungen wird. Dann ändert sich die Kategorie. Wobei, auf "Stück" können wir uns bei allen einigen.

Über die Jahre und das Wachstum der Poetry Slam Szene, haben wir eben auch anfangen können Workshops anzubieten. Leider sind wir da (noch) nicht an einem Punkt, dass es eine standartisierte Basis gibt, was Inhalt dieses Workshops ist. So sparen einige Menschen zum Beispiel immer noch aus, dass Poetry Slam vielleicht von einem Weißen, aber Spoken Word eben aus den Black Communities gekommen ist. Diese Unterschlagung ist irgendwie knifflig, hat sich aber vielleicht noch nicht ausreichend herum gesprochen. Das hat nichts mit dem Widerwillen der Szene zu tun, sondern eher mit dem überraschenden Fakt wie wenig wir uns selbst dokumentieren.

Durch diese fortlaufenden Angebote, hat sich "Poetry Slam Workshop" als eigenes Produkt etabliert. Und wenn auch wir unseren Platz im Mainstream und in der Wahrnehmung der Leute nicht auf dem Nivaeu des "Julia Engelmann Effekts" halten konnten, ist der Begriff des Poetry Slams eben doch immer noch bekannter, als der irgendwie doch frischere Begriff des Spoken Words. Seit neuestem ist mir auch der Begriff der Beatpoetry im Blickfeld, da es dort eine weitere Szene gibt, die eben Bühnenliteratur, aber auch ohne Wettbewerb angeboten hat. Eine Sehnsucht die viele Menschen in der Slamszene auch immer wieder beschreiben. Auftreten ohne den messbaren Vergleich und den realen Wettbewerb.

Denn das verpassen wir leider und in meinem Empfinden hat es eben auch etwas mit dem Begriff des Poetry Slam Workshops zu tun. Poetry Slam ist ein Format in dem Bühnenliteratur von einer Jury bewertet wird. Spoken Word ist eine Art literatische Kunst zu performen. Beatpoetry ist eine Art literatische Kunst zu performen. Mache ich einen Poetry Slam Workshop, beinhaltet dieser auch immer, dass der Wettbewerb miterklärt wird. Und auch wenn wir in Backstages und an anderen Orten immer wieder beschwören, dass "die Punkte nicht der Punkt" seien, bereiten wir eben die neusten der neuen schon darauf vor, dass sie vielleicht "verlieren" könnten, das aber nichts bedeuten sollte, während wir das aber irgendwie nicht so ganz auf die Bühne übertragen bekommen. Denn spätestens wenn es dann mal um Meisterschaften geht oder Chancen häufiger gebucht zu werden, dann spielen die Siege doch irgendwie eine Rolle.

Will ich also ein Workshopformat anbieten, welches die Kunst und nicht den Wettbewerb in den Vordergrund stellt, sollte der Rahmen des Workshops und sein Thema auch korrekt gezogen sein. Denn auch in anderen Workshopformen wird nicht der Wettbewerb in den Vordergrund gestellt, wenn auch Wettbewerbe existieren. Denn für jede Kunstform gibt es Stipendien, Wettbewerbe, Ausschreibungen und sowas. Aber damit fange ich in einem Grundlagen-Workshop eben nicht an. Ich fange mit der Freude an der Kunstform an.

Die Freude an Poetry Slam kann das Umfeld vor Ort sein, das wilde unberechenbare Spiel eines Abends, die Dynamik mit dem Publikum, so manche Überraschung die passieren kann, wenn Texte aufeinander prallen, die es vorher nebeneinander nicht gab. Alles Dinge die ich in einem Workshop zwar erzählen kann, aber nur als Second-Hand-Erlebnis anbieten kann. Ein Workshop der beinhaltet, dass in ihm auch ein Poetry Slam stattfindet, der könnte sich wohl als solcher bezeichnen, aber wenn wir an unseren Stücken schreiben und üben diese zu performen, dann sind wir noch ein paar Armlängen entfernt von einem Poetry Slam.

Ich verstehe, dass aus Gründen des (Selbst-)Marketings, aus den vorhergenannten Gründen dass der Begriff bekannt ist, sich das bei vielen nicht ändern wird, aber genau wie ich für mich als Künstler von dem Begriff des "Poetry Slammers" abgerückt bin, und "Spoken Word Artist" und "Autor" daraus gemacht habe, werde ich bei meinen Workshops mindestens immer "Spoken Word" mit in den Titel nehmen wollen.

Kommentare

  1. Anonym15.11.23

    Danke für's Mitnehmen durch deine Gedanken dazu. Es ist interessant ein paar Infos und Entwicklungen der Szene nachzuvollziehen, die bisher an mir vorbeigegangen sind.

    Ich bin so neu im ganzen Thema, dass ich mit Slam viel weniger connecte als mit Spoken Word. Aber das liegt vielleicht auch mit daran, dass ich ganz zu Beginn schon gelernt habe, woher diese Kunstform kommt... Welche Verbindung zu Rap besteht, was mir auch ziemlich egal war. Und warum es so empowernd ist, eine Ausdrucksmöglichkeit zu haben, die keine langjährige Bildung oder Übung braucht, um eine Bühne für seine Gedanken zu bekommen...

    Für Perspektiven, die sonst ungehört bleiben. Das ist richtig stark und meine Liebe für das Format kommt vor allem Dingen durch seine Niedrigschwelligkeit.

    Der Wettbewerb ist das, was mich zu Beginn hat glauben lassen, dass ich im Slam nicht richtig bin. Ich hatte da große Widerstände in mir, aber gewöhne mich dran. Tatsächlich merke ich aber, dass mir die offenen Lesebühnen mehr Freude machen, weil es da wilder zugeht. Da kann alles passieren und es ist eine andere Stimmung im Raum.

    Daher ganz viel Liebe für Spoken Word in unterschiedlichen Spielarten und wenn du DAS in Workshops vermittelst statt vorrangig auf Slam als Format zu fokussieren, finde ich das fantastisch.

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    1. Ich glaube auch, dass wir im Poetry Slam etwas am Wettbewerb drehen müssen, damit er noch weniger eine Rolle spielt. Ich weiß nicht ob der Blickwinkel auf Meisterschaften oder so sich verändern muss, ganz sicher bin ich mir aber bei der Kultur neben der Bühne. Da muss Kooperation angefüttert werden und da müssen neue Wege für gegangen werden um es "bei zu bringen".

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  2. Ich finde das absolut Klasse, da ich mich genau mit diesen Begrifflichkeiten selbst schon länger rumschlage. Spoken Word ist eben dass was wir tun. Poetry Slam ist nur einer, von sehr vielen, Rahmen die wir setzen können. Aber das Gemälde darin ist nunmal das performte gesprochene Wort. Ich liebs und find's toll, dass du da in dem Blog drauf eingehst. Mich würde, weil mir das gerade durch den Kopf geht, interessieren, ob folgendes iwie bekannter ist: Ich habe mal von den 4 Säulen des Spoken Word gelesen: Text, Performance, Stimme, Stern. Denke da nicht sehr oft dran, aber wenn dann wird das wahrscheinlich hier jemand beantworten können, davon ebenfalls schon gehört zu haben. Würd mich Ma interessieren.

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    1. Hallo Leon.
      Also das mit den vier Säulen habe ich so noch nie gehört und würde ich bei diesen Kategorien auch nicht unterschreiben. Es erinnert mich aber ironischerweise an ein Hilfsmittel, welches ich mir mal geschaffen hatte um Text-Feedback zu geben. Und zwar ging es da auch um vier Kategorien: Performance, Authentizität, Technik, Inhalt. Scherzhaft habe ich es den PATI Filter genannt. Nach diesen vier Kategorien habe ich mir Bauteile von Stücken angeschaut, Notizen gemacht und mit Menschen besprochen.

      Das mit den Vier Säulen ist mir wie gesagt nicht bekannt, wäre aber auch neugierig wo das herkommt.

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    2. Hallöchen, so lange recherchiert, und über Umwege dann herausgefunden: Auf der Instagram Seite der Spoken Word Akademie von Jessy James LaFleur habe ich das Gelesen. Habe mich mit dem Titel geirrt: Es sind die "4 Säulen für deinen Bühnentext" und, wenn ich das richtig verstanden habe, geht es dabei vor allem um Ben Workshopkontext. Dieses "Modell" soll helfen Workshops zu Spoken Word zu organisieren und zielführend zu gestalten. Verrückt, ich hätte das nie wieder nachgeschaut. Und es passt sogar noch besser zum Thema. Verrückt.

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