Publikum

Wenn wir Kunst machen, gibt es immer in irgendeiner Form ein Publikum. Entweder auf Stühlen wärend einer Show, einer Aufführung, eines Events. Oder in einer Ausstellung, in eigenem Tempo. Oder die LKW-fahrenden auf der Schnellstraße, die Fahrgäste am Bahnhof, die wartende Person an der Ampel. Die Menschen zuhause in ihrem Lesesessel. Die Menschen zuhause auf ihrem Fernsehsofa.

Publikum gibt es an so vielen Orten, wie es wohl Arten Kunst gibt. Wenn wir Kunst machen sollten wir allerdings auch Bedenken, warum unser Publikum dort ist, wo es ist. Denn wer sich zu vor gefragt hat, warum LKW-Fahrer*innen Publikum von Kunst sind, hat bisher noch nicht diskutiert, ob die Menschen die sich an Straßen festkleben damit einen künstlerischen Akt der politischen Kunst machen. Und natürlich ist dann nicht nur der Mensch im LKW das Publikum, sondern auch die Welt, die auf die Störung reagiert. Nur mit dem Unterschied, dass die Welt die den Bericht über den Protest anschaut zum einen nicht die Kunst direkt erlebt, zum anderen aber auch entscheiden kann, wielange wir der Geschichte folgen.

Publikum kann also freiwillig und unfreiwillig sein. Den Unterschied in der Freiwilligkeit können wir gut beobachten, wenn wir unsere Arbeit und unsere Freizeit mit Blick auf unsere Motivation vergleichen. Selbst Menschen, die selbst gerne Kunst machen und sehen, sind von so einiger Protestkunst gestört, wenn sie eben dort auftritt, wo sie gerade ihren Alltag begehen wollen. Aber vielleicht ist es für unsere Kunst genau richtig und wichtig an einem Ort zu passieren, an dem sie stört. Weil wir etwas sagen wollen.

Graffitti, welches den öffentlichen Raum übernimmt und aber auch beschädigt lebt zum Beispiel von unfreiwilligem Publikum, ist aber wichtig um Wahrnehmungen aufzubrechen. So haben die Muralistas in Mexiko zum Beispiel ihre Wandbilder gemacht um auf historische Erzählungen hinzuweisen, die politisch versucht wurden in Vergessenheit zu verdrängen. Und auch an anderen Orten wurden Graffitis genutzt, um Hinweise auf Missstände zu geben und daran zu erinnern, wem der Raum gehört.

Wenn wir unsere Kunst machen, sollten wir uns bewusst machen auf was für ein Publikum wir treffen. Denn es wird die Offenheit für unsere Kunst bestimmen. Es wird aber auch bestimmen, welchen Ton unsere Kunst treffen muss, damit wir unsere Intentionen umsetzen können. So wird es für unsere persönliche Geschichte auf der Bühne wohl eher ein freiwilliges Publikum brauchen, die bereit sind sich Geschichten anzuhören. Aber wenn es um bedrohliche Themen und politisches geht, dann braucht es vielleicht Kunst, die verhindert, dass wir ihr entgehen. Und was im ersten Moment vielleicht sehr radikal klingt, ist in Wirklichkeit zum Beispiel das, was Werbung immer mit uns versucht: Uns mit spannenden Eindrücken von etwas zu überzeugen, was uns vorher egal oder unbekannt war. So radikal ist es also nicht.

Welches Publikum soll meine Kunst erleben? Wo finde ich dieses Publikum? Wie findet dieses Publikum mich? Und was bedeutet es für meine Kunst, wenn sie in einem anderen Kontext auftaucht und passiert?
Wie möchte ich das meine Kunst und das Publikum zu einander wirken? Möchte ich Interaktion? Gehört das dazu? Sind die Zuschauenden auch Co-Kreator*innen?

Es gibt viele Wege an Publikum heran zu gehen und die eigene Kunst neu zu denken. Wobei ich ein Zitat hier mit geben darf, welches Rick Rubin in seinem Buch "The creative Act" anführt: Audience comes last. Denn wenn wir unsere Kunst nach den Wünschen des Publikums ausrichten, dann waren wir nicht kreativ, sondern Marktforscher*innen. Und wenn wir ihnen das geben, was sie glauben zu wollen, bestellen sie vermutlich mehr oder verbessertes von dem, was es schon gibt. Weil es nicht deren Aufgabe ist kreativ zu sein, sondern unsere. Aber sicher ist es deren Wunsch, überrascht zu werden.

Kommentare

  1. Audience comes last war ein wirklich wichtiger Satz für mich, noch bevor ich zum ersten Mal auf die Bühne gegangen bin. Die Logik dahinter war super gut zu begreifen, um mir die Frage zu stellen, was ICH wirklich tun will. Und ich erneuerte diesen Punkt immer wieder und teile ihn mit befreundeten Künstler:innen, wenn eine:r von uns wieder in Überlegungen abgeleitet, was wohl 'gefällt" und was nicht.

    Dennoch ist dein Beitrag super gut, um das Publikum nicht komplett aus der Gleichung auszuklammern, sondern anders darüber nachzudenken. Das sollte ja nicht vollständig untergehen und deine Fragen hier sind da sehr hilfreich für einen guten Perspektivenwechsel.

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