Selbstwert

Aus Beschreibungen von anderen Künstler*innen, egal ob nah in meinem Umfeld oder weit weg und berühmt, sehe ich, dass das Zweifeln an sich selbst oft eine Rolle spielt bei Menschen die Kunst machen. Teilweise kann Kreativität ja auch mit Zweifeln zu tun haben, weil unsere Motivation etwas zu erfinden ja sein kann, dass wir für etwas was es schon gibt eine neue Lösung suchen. Was anderes als die Unsicherheit ob es nicht anders, besser, schöner möglich ist, soll das denn sein?

Sich seiner Selbst nicht sicher zu sein, dass kann natürlich auch alle und auch andere Menschen befallen, als Künstler*innen. Davon ist vermutlich niemand frei, vieles in unserer Psychologie weißt auch darauf hin, dass ein gewisses Zweifeln und immer wieder in Frage stellen auch gut und gesund für uns ist. Schon vom jüngsten Alter an müssen wir die Welt immer wieder neu bewerten, weil wir wachsen und immer wieder neues können, aber auch können wollen. Ein Teil vom Begreifen der Welt ist das Zweifeln. Es ist also nicht zwingend etwas schädliches.

Zweifeln und Unsicherheit sind ja in gewisserweise auch erstmal die Fertigkeiten, dass wir in einer Situation erkennen, dass es mehrere Möglichkeiten gibt und wir jetzt die Aufgabe haben abzuwägen, welche der Möglichkeiten für uns die angenehmste, erfolgsversprechenste, reizvollste ist. Das ist und braucht Übung. Zweifeln verursacht dabei auch die Zeit die wir brauchen um zu denken und Informationen zu sammeln. Denn im Zweifel sind wir oft zögerlich mit dem Handeln, im aller schlimmsten Fall sind wir komplett gelähmt.

Unsicherheiten und Zweifel werden unteranderem aber dann schlimm, wenn wir unseren Selbstwert in Frage stellen. Selbstwert ist ein Wort, dass ich gar nicht so gerne mag, wegen dem "Wert"-Anteil. Ein Wort, das für mich inzwischen hauptsächlich zu einer kapitalistischen Kategorie verkommen ist. Wenn etwas wertvoll ist, dann wird viel zu oft gemeint, dass es nur für viel Geld zu bekommen ist. Natürlich wissen wir, sobald wir darüber nachdenken, dass auch andere Sachen für uns Wert haben dürfen. Dass auch anderes wertvoll ist. Aber der Kapitalismus zwingt uns eben leider viel zu oft solche nicht materiellen Werte gegen materielle Werte aufzurechnen.

Trotzdem verwende ich das Wort des Selbstwertes, weil es trotzdem Aspekte betrifft, die für uns Menschen wichtig sind. Denn es gibt keinen Zweifel daran, dass wir Menschen danach streben Bedeutung zu haben, dass wir wertvoll für uns und andere sein wollen. Wir sind Gemeinschaftswesen, haben Bindungsbedürfnisse, niemand ist für sich alleine eine Insel und von allem los gelöst. Und selbst wenn doch, dann sind Handlungen die uns eine Bedeutung geben oder besser noch, Handlungen denen wir eine Bedeutung geben ein Beweis dafür, dass wir leben, weil wir Wirkung haben. Einen Haufen Erde von einer Stelle auf die andere um zu schütten können wir spüren, wahrnehmen und werden wissen, dass wir es getan haben. Wir erleben Selbstwirksamkeit. Und die kann es auch ohne das beisein von anderen geben. In Abhängigkeit davon, was wir erreichen wollen.

Aber was tun wenn der Selbstwert eben gerade nicht gut ist? Wenn aus dem Zweifeln ein Leiden und Lähmen wird? Wo kann ich den Wert für und in mir Selbst finden, ohne auf kapitalistische Kategorien reinzufallen, aber auch ohne mich von anderen abhängig zu machen? Denn es ist eine dünne Linie dazwischen von anderen Anerkennung zu brauchen oder von der Anerkennung von anderen abhängig zu sein.

Für mich hat es gerade in einer Tiefphase frisch funktioniert, mir Selbstwert so zu definieren, dass es darum geht meinem Selbst zu beweisen, dass ich für Werte stehe. Ich gebe mir also nicht einen zählbaren kapitalisierbaren Wert, sondern halte mich an das ideele. Werte, die sind ein Überzeugungssystem. Sie können unterschiedlich ausgeprägt sein, je nach Biografie, Überzeugungen und Kontexten. Sie haben oft etwas Spielraum. Ja, ich bemühe mich nicht zu lügen, aber dann erzähle ich diese doch etwas übertriebende Version des einen Party-Abends. Ja, ich bin ein friedlicher Mensch, aber würde jemand meine Familie oder Schutzlose angreifen, verschieben sich die Werte und ich wäre bereit körperlich gegen die Angreifenden zu werden. Das sind keine Widersprüche, wenn auch es ein guter Nährboden für die bereits erwähnten Zweifel ist.

Leider können wir unsere Werte aus dem Blick verlieren. Zum Glück gibt es aber Tools und Möglichkeiten, sie wieder zu finden. In einer Ausgabe der Psychologie Heute wurde empfohlen eine Tabelle zu erstellen, die mensch den Tag über immer mal wieder füllt. Dabei geht es darum sich die kleinen Handlungen im Alltag die so nebenbei passieren bewusst zu machen. Deshalb tragen wir sie in die Tabelle ein. Dafür können wir uns Zeitfenster aussuchen oder Handlungen aufschreiben wenn sie passieren. In einem weiteren Teil der Tabelle nutzen wir aber ein Feld um uns zu fragen: Warum tue ich diese kleinen Dinge? Welches Ideal oder welcher Wert steht dahinter?

Ich laufe oft und viel. Das ist der Tatsache geschuldet, dass ich kein Auto habe und auch einfach gerne unterwegs bin. Wenn ich dann aber draußen bin, dann störe ich mich häufig daran, wenn Müll auf den Gehwegen liegt. Also hebe ich oft die Sachen, die mir nicht zu eklig sind auf und schmeiße sie in den nächsten passenden Mülleimer. Eine Angewohnheit, die so tief in mir liegt, dass ich sie ein Weilchen gar nicht richtig wahrgenommen habe. Ich weiß nicht seid wann ich das tue, weil ich habe es nicht schon immer gemacht, ich kann keinen konkreten Auslöser identifizieren. Aber ich tue es. Und ich tue es auch, wenn es mir gerade neutral oder sogar schlecht geht. Welcher Wert steht also dahinter, dass ich es mache?

Meine Antwort darauf war, dass mir zum einen die Umwelt wichtig ist, aber ich eben auch in einem schönen Stadtteil wohnen möchte. Auch in meinem Zimmer halte ich Ordnung, mag nicht wenn Reste oder Verpackungen zu lang irgendwo rumliegen - Auch das war nicht immer so. Eine gewisser Ordnung und in bestimmten Fällen Sauberkeit ist mir also ein Anliegen. Weiter in die Tiefe muss ich da für mich nicht zwingend und das ist vielleicht auch nicht Ziel der Tabelle. Ich habe aber einen Wert gefunden für den ich Selbst etwas tun kann. Ich erfahre Selbstwirksamkeit in einem Wert, dem ich und der mir Bedeutung geben kann.

Ich habe da Tool der Tabelle irgendwann um einer Art Mind-Map ergänzt. Darin habe ich die Werte die mir über den Tag auffallen aufgeschrieben und daran ergänzt, mit welchen Handlungen ich diesen Wert bereits erfülle, aber auch was ich mir vorstellen könnte noch zu tun, um diesen Wert zu erfüllen. Ich reichere damit etwas an, was in einer Phase in der es mir schlecht geht ja gut sein kann. Denn wenn es mir schlecht geht, kann das ja aus einem Mangel heraus kommen. Entweder einem Mangel an Wirksamkeit, Anerkennung, Bewegung, Handlung und vieles weiteres mehr. Durch das Suchen von neuen Optionen erhöhe ich also die Möglichkeit etwas zu tun, was mir Wert gibt. Und mit jedem ganz kleinen Erfolg, kann sich dann mein Selbstwert auch wieder auffüllen und lebendiger werden.

Still und - für mich- heimlich habe ich immer weiter ohne darüber tiefer nachzudenken immer wieder Mül aufgehoben. Vorallem Kunststoffverpackungen sammel ich oft sofort auf und entsorge sie. Als ich neulich mit dem Kind auf dem Spielplatz angekommen bin, stand mein Kind dort und hat auf Müll im Sand gezeigt, noch bevor irgendetwas gespielt wurde. Als ich gefragt habe was da ist, hat mein Kind den Müll aufgehoben und ist dann zielsicher zu einem Mülleimer auf dem Spielplatz gegangen und hat es weggeworfen. Auch wenn es sicher nicht die Aufgabe meines Kindes ist, mir Anerkennung zu geben, habe ich mich erkannt gefühlt. Und ich weiß, dass der kleine Mensch noch nicht da ist alle Kontexte zu erkenenn und vorallem Verhalten imitiert, eben auch teilweise um zu lernen, aber auch das über Anerkennung, aber es hat etwas für meinen Selbstwert getan, weil ich auch den kurzen Beweis hatte, das mein Handeln auch über mich selbst hinaus eine Wirkung hat.

Selbstwert ist für mich, meinem Selbst Werte zu geben, nach denen es streben kann und in denen es handeln kann. Kleine Erfolge laden mich dabei auf und geben wir zustäzliche Stabilität um mich mit mir selbst wieder wohl fühlen zu können.

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