Ab wann ist es kaputt?

Es ist immer noch die Lesung im Kunstmuseum Bochum mit Miedya Mahmod und Elona Beqiraj. In einer Gesprächsrunde nach den Texten wird mit der Moderation Esra Canpalat über verschiedene Themen gesprochen, da es zu der laufenden Ausstellung im Haus auch passt, geht es auch um den Begriff "Heimat". Auch in den Texten vorher geht es viel um Heimat und Herkunft, die Beiden Lesenden Personen sind migrantisch und tragen das auch immer mal wieder unterschiedlich stark in ihrer Kunst mit.

Das Gespräch schneidet an, wie mehrschneidig das Wort ist, da es gerade in Deutschland auch immer über das historische oder realpolitische Aussagen auch immer Vibrationen des Faschismus und Nationalismus mit sich trägt.

Und dann wird irgendwann auch auf der Bühne nicht mehr Heimat gesagt, sondern "das H-Wort", als wäre es verboten zu sagen oder unsensibel gegenüber bestimmten Gruppen. Und vielleicht ist es das sogar auch ein wenig, weil oft wenn es in der Kunst um die Frage nach Heimat geht, werden für die Inhalte darüber migrantische Personen instrumentalisiert. Wie beim Tokenism, wo immer wieder Menschen aus unterdrückten Gruppierungen "verwendet" werden um gegen die Missstände der Unterdrückung zu kämpfen, anstatt das es die Verursachenden tun.

Und dann frage ich mich: Kann ein Wort kaputt gehen? Es gibt ja diese These, dass wenn ein Wort oder ein Satz immer wieder wiederholt werden, dass sie dann an Wirkung und Bedeutung verlieren. Gleichzeitig gibt es den "Mere-Exposure-Effect", wo sich unterbewusst unsere Einstellung zu einer Sache immer weiter zum positiven oder akzeptierten bewegt, wenn wir sie öfters sehen (Werbung zum Beispiel). Aber wieviel von einem Wort bleibt über, von seiner Bedeutung, seinem Klang, wenn es so überladen wird oder unterfordert?

Es ist ja nicht nur das Wort Heimat. Da werden im Internet Begriffe wie "mindfulness", "awareness", "Diversität" ganz viel, ganz schnell und ganz unterschiedlich verwendet, bis uns gar nicht mehr klar ist worüber wir reden. Da sagen dann Leute, dass sie "getriggert" sind, nur weil es etwas bei ihnen auslöst, sind aber unfassbar weit von dem psychologischen Fachbegriff entfernt.

Kann ein Wort kaputt gehen? Kann es defekt sein? Etwas defektes hat ja einen Schaden genommen bis zu einem bestimmten Grad, so dass es nicht mehr seine Funktion erfüllen kann. Das wiederum klingt wie ein anderes Wort, dass ich auch manchmal von der Verdünnung in der Sprache bedroht sehe: Trauma. Können unsere Worte ein Trauma erleiden, so dass sie, wie es an dem Abend der Lesung die Moderation Esra Canpalat sagt: "Unsäglich" werden. Also kaum mehr auszusprechen.

Und sollte es stimmen, können wir Wörter wieder heilen? Können wir sie reparieren? Was braucht es, um ein Wort unserer Sprache wieder in Ordnung zu bringen?

Ja, ich habe da auch erstmal nur Fragen. Aber vielleicht habt ihr ja Gedanken? Vielleicht können wir zusammen etwas erforschen und herausfinden. Was sind eure Gedanken dazu? Welche Wörter könnt ihr nicht mehr benutzen, weil sie für euch kaputt sind? Weshalb? Wie ist das passiert? Oder ist es vielleicht gut und sinnvoll, dass sie kaputt sind und ganz aus dem Betrieb genommen werden müssen?

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