Trauer

Ich kenne keine Person, die nicht schon mal traurig war oder getrauert hat. Wobei letzteres - als das Verb des Trauerns - schon wieder so eine vielschichtige Sache ist. Denn ich habe sich Leute schon in Kneipen hart betrinken sehen, war vielleicht auch selbst mal an so einer Stelle, ich habe Menschen in Armen liegend weinen und schreien sehen und ich habe Leute gesehen, die Jahre lang geschwiegen haben und die still vibriert haben darüber, dass sie Trauern. Es ist wie bei Lieben. Es gibt so viele Arten es zu tun. Es gibt so viele Aspekte zu beachten. Und es lohnt sich zu forschen, was davon gerade echt und mit uns verbunden ist, oder was einfach nur von uns so gemacht wird, weil wir glauben es würde von uns erwartet.

Ich habe schon mit Menschen zusammen in einer Küche gesessen, in großer Runde und wir haben eine Geschichte hinter die andere gelegt, über den Menschen den wir verloren haben. Und wir haben gelacht, so viel und so sehr. Und dann hat die Partnerperson des Verstorbenen gesagt: "Es ist so schön draußen, ich würde gerne dort sitzen, aber was soll die Nachbarschaft denken, wenn wir über den frischen Verlust lachen und aussehen als würden wir feiern?" Es war die Art, wie wir trauern wollten. Ich fand es wunderschön. Ich konnte Frieden darin finden, wie es mir schweigen und weinen in dem Fall vielleicht nicht geboten hätten.

Trauern ist so vielseitig und verändert sich, wie der Mensch selbst. Genau wie Hustensaft eben nicht gegen jede Verletzung des Körpers verwendet werden kann, weil er einem gebrochenen Bein eben nicht hilft, gibt es nicht immer die gleiche selbe Art korrekt zu trauern. Viele die das glauben trauern nicht, sondern lenken sich ab. Deshalb sind die, die auf Schmerz mit Konsum reagieren auch immer etwas besorgt zu sehen. Auch wir selbst.

Warum aber schreibe ich, der alles mit Kunst und der Arbeit in der Kunst verknüpft übers Trauern? Weil ich lernen musste, dass das Arbeiten in der Kunst viele unterschiedliche große und kleine Anlässe zum Trauern beinhaltet. Von meiner Erfahrung her hat Trauern häufig mit einer Art von Verlust zu tun. Und solche Verluste verstecken sich manchmal ganz geschickt. So freuen wir uns, dass unser Projekt ins große Finale geht. Es ist die erste oder letzte Aufführung unseres Werks und da ist stolz, aber dann sehen wir das etwas nicht geklappt hat oder so ist, wie wir es uns vorstellen (die Trennung zwischen Ergebnis und Erwartung) oder wir merken einfach, dass es jetzt einfach vorbei ist und selbst wenn alles gut gelaufen ist und toll war, dann trennt uns jetzt die Zeit. Wir haben neue Erfahrungen gemacht, der Zyklus unserer Arbeit ist vorbei. Es ist eine Trennung. Und die ist eben auch da, wenn wir Erfolg hatten. Und dieses Trauern darf seinen Raum bekommen.

Selbst wenn wir nur ein einzelnes Werk geschaffen haben, aber der Prozess uns so viel Freude gemacht hat, erfahren wir ganz kleine Sensationen von Trauer und Trennung. Und wenn wir diese nicht bewusst haben, so habe ich es bei Künstler*innen - auch mir selbst - beobachtet, dann kann es uns runter ziehen und zu einer Blockade werden. So wie alle nicht gefühlten ausgelassenen Gefühle sich zu einer Blockade entwickeln können.

Für den Moment ersparre ich euch sowas wie die Phasen der Trauer um daran zu schauen, wie damit Umgang finden zu können. Dafür bin ich selbst gerade in meinem Leben zu sehr in einer komplexen Phase verschiedener Trauermomente. Denn ich kann euch sagen, dass sogar wenn eine sehr schlechte Sache für euch endet, es trotzdem eine Trennung und Trauer geben kann. Denn auch das was uns schon lange schadet und vergiftet ist eine Gewohnheit, eine Sicherheit und ein Teil unseres Lebens geworden. Und da kann Trauer ein verwirrendes Gefühl sein, wenn wir uns eigentlich befreit fühlen wollen würden.

Das kann gleichzeitig passieren. Genau wie wir traurig sein konnten und lachend Geschichten erzählen, genauso wie wir den Erfolg unseres Projektes feiern können und es schade finden, dass es jetzt vorbei ist. Gleichzeitgkeiten und Unterschiedlichkeiten aushalten ist eine wichtige Übung für mich in meinem Leben geworden. Gefühle sind nicht gut oder schlecht. Sie sind. Sie können nicht miteinander verrechnet werden. Ein Lächeln löst nicht eine Träne auf. Und wenn auch es stimmt, dass Emotionen auf unsere Energien wirken hilft es aus meiner Sicht nicht, sie gegeneinander in den Wettbewerb zu schicken. Denn auch das schafft eine Trennung.

Fühlt eure Gefühle, liebe Menschen. Lernt wie das für euch gehen kann. Es ist einer der Schlüssel zur Freiheit.

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