Drei Ebenen der Kommunikation

Dank eines Interview-Podcasts bin ich auf Charles Duhigg und sein Buch "Supercommunicators" aufmerksam geworden. In fast allen Teilen meines Lebens an die ich mich erinnern kann, hat mich die Kommunikation zwischen Menschen interessiert und auch irritiert.
Denn oft genug wurde mir bescheinigt, dass ich immer Mal wieder Regeln oder Erwartungen breche. In vielen Situationen habe ich mich kommunikativ ausgeschlossen gefühlt. Was ich - wie alle Menschen - natürlich nicht wollte. Wir wollen Teil von Gemeinschaften sein, dass sichert unser Überleben, so ist es in unser aller Wurzeln fest angelegt. Da ich aber nicht klar gekommen bin, musste ich Wege finden, die Kommunikation zu verstehen. Als junger Mensch habe ich mich dafür mit Rhetorik beschäftigt, wollte verstehen wie mensch interessant und gut redet. Allerdings habe ich damit - wie ironisch - wichtige Aspekte von Kommunikation übersehen: Es geht um mehr als selbst laut und deutlich gehört zu werden. Als junger motivierter idealistischer übereuphorischer Mensch habe ich das nicht gesehen.

Einige Bücher, Mentor*innen, Übungen, Workshops später, habe ich einiges neues lernen und verstehen dürfen. Vorallem aber auch, dass eben auch Kunst viel Kommunikation beinhaltet. Denn es gibt mindestens immer Ebenen auf denen etwas gesendet und empfangen werden kann. Wenn wir uns performative Künste anschauen, dann ist es sehr offensichtlich. Wenn auf der Bühne ein Witz gemacht wird, dann reagiert ein Publikum und dann entsteht dadurch ein Austausch. Aber auch ein Gemälde, ein Graffitti, ein Video, ein Foto, ein Poster, ein Song auf einem Album können Reaktionen erzeugen, wenn auch die Person die die Kunst gemacht hat, nicht zwingend dabei sein muss. In einem der Bücher die ich gelesen habe stand auch, dass Bücher lesen immer die Chance ist ein Gespräch mit jemandem zu haben, denn wir in unserem Alltag vielleicht gar nicht treffen würden oder können. Leider, ironischerweise, weiß ich gerade nicht mehr aus welchem Buch und vom wem ich das habe. Ich sehe es aber ähnlich. Ich durfte von vielen Menschen schon etwas lernen und wenn ich sie treffen würde, könnte ich vermutlich mit ihnen dort ansetzen, wo wir schon "geredet haben", obwohl es keine reguläre Kommunikation war.

Wenn Kunst also auch eine Form der Kommunikation ist, dann frage ich mich ob es sinnvoll ist sich anzuschauen, welche Aspekte aus der Erforschung der Kommunikation auch für uns spannend sind. Und da sehe ich in Charles Duhiggs zusammenfassender Arbeite einige spannende Aspekte. Duhigg beruft sich dabei auf einen Haufen verschiedener Forschungen, die ich jetzt hier nicht einzeln zitieren werden. Wer neugierig ist kann das Literaturverzeichnis zu seinem Buch im Internet finden.

Laut Duhigg sagt die Forschung, dass jedes Gespräch am Anfang eine so genannte "stille Verhandlung" beinhaltet. Das ist in einem persönlichen Gespräch der Teil des Gesprächs, wo wir -teilweise eben unausgesprochen- die Lage, die Rollen und die Verhältnisse einordnen und von dort weiter entscheiden, wie wir das Gespräch weiter führen wollen. Diese stille Verhandlung passiert wohl immer und es fällt uns oft nur auf, wenn sie gescheitert ist. Wer auf einer Beerdigung jemand anderen anflirtet, kann damit ganz schön auf die Nase fallen, wenn die andere Person sich nicht auch für den Bruch einer sozialen Norm an der Stelle entscheidet. Wenn sie sich aber einig sind, gibt es kein Problem.

Die "stille Verhandlung" ist in der Kunst durch den Rahmen gegeben, in dem wir der Kunst begegnen. Museen und Theater kommen mir einigen klaren, überlieferten und ausgesprochenen Regeln, zuzüglich ein paar stummer Regeln die mensch versuchen muss aufzufangen. Daher gibt es manchmal Stücke, wo die Auftretenden dem Publikum erst beibringen müssen, dass sie reagieren dürfen. Findet Kunst aber auf der Straße statt und ist nicht gesondert abgesperrt, kann es schnell dazu kommen, dass sich auch Passant*innen einbringen und einmischen. Die Grenze der Rollen verschiebt sich anders, als im Schauspielhaus. Unvergessen für mich, als wir in einer Fussgängerzone in Essen Texte gelesen haben und plötzlich ein Beatboxer einen Moment lang mit eingestiegen ist. Auf unserer Bühne wo wir monatlich veranstalten wäre das so nicht passiert und das wäre auch richtig und gut so, weil dort gehört es nicht hin.

Die stille Verhandlung kann sich unterschiedlich lang ziehen und ist eine Vorstufe dazu, dass wir auch herausfinden müssen, welche Art von Gespräch wir gerade führen. Laut Duhiggs Quellen und Beschreibung, gibt es da drei Stück. Er beschreibt die drei Arten-Gespräch mit Fragen:

"Was fühlen wir gerade?"
Sich über Emotionen und Empfindungen austauschen zu können kann wichtig sein. Es hilft Emotionen abgeben und aushalten zu können. Zu sehen, was andere fühlen erlaubt uns auch mitfühlend zu werden oder auch uns abzugrenzen. Außerdem - so sagt es Marschall Rosenberg - sind unsere Gefühle auch ein Hinweis darauf, welche Bedrüfnisse wir gerade haben und so kann das besprechen und bearbeiten von Gefühlen helfen zu verstehen, was wir gerade brauchen. Wenn Kunst dieses Gespräch mit uns führt, dann ist es leicht zu erkennen. Wir sind bewegt, wir fühlen direkt etwas, wir werden interessiert, wir wollen mehr, oder ganz dringend weniger wissen. In uns beginnen direkt Bewegungen und so weinen wir bei Filmen, fühlen mit in Songst, erfrieren vor mächtigen Gemälden, weil wir in uns etwas erleben, ja, eben fühlen.

"Worum geht es?"
Oder wie mensch auch sagen könnte, die oft so genannte Sachebene. Wenn auch sich die Ebenen der Kommunikation für einen Moment mischen können oder in einander übergehen, ist die Sachebene vorallem erstmal sachlich. Hier geht es um Probleme, um Lösungen, um das Transportieren von Informationen. Natürlich können auch Gefühle uns einen Hinweis zu geben, aber das ist dann oft Interpretation. Ein Gedicht das uns traurig macht muss nicht von einem fröhlichen Menschen geschrieben sein. Ein Text über Pflastersteinplatten wird aber immer etwas über Pflastersteinplatten sagen, selbst wenn er sich der Ironie bedient. Im privaten ist das wo wir Analysen erstellen und daraus ein (neues) Handeln ableiten. Und auch das kann Kunst von uns wollen. Besonders wenn sie uns mit Realtitäten konfrontiert, die sonst in unserem Alltag nicht vorkommen. Und dann lernen wir etwas über ein Thema, das wir vorher nicht kannten. Uns wird Wissen und Erfahrungen zugänglich, die nicht unsere eigenen sind.

"Wer sind wir?"
Diese Frage zielt auf die Haltung und die Identität derer die an Kommunikation beteiligt sind. Es sind die Gespräche wo wir versuchen zu verstehen, in welchen Verhältnissen oder Verbindungen wir zueinander stehen. Gespräche die mir erlauben danach zu wissen, ja, wer wir halt sind. Sind wir Mitbewohner*innen oder sind wir wie eine Familie? Sind wir für soziale Gerechtigkeit oder sind wir Christian Lindner? Sind wir Leute die Pizza essen? Die Fussball gucken? Was sind die Faktoren, an denen sich unsere Gruppe und Gemeinschaft erkennen lässt? Und diese Linien geben uns dann wiederum Sicherheit und Verbundenheit. Besonders aktivistische Kunst, wie zum Beispiel Systemkritik von Banksy, oder aber auch interaktive Kunst, wie Straßentheater bringen diese Frage zwischen Kunstwerk und Betrachter*innen auf. Noch viel mehr wenn aus Betrachter*innen Teilnehmende werden, denn der Rollenwechsel ist eine ganz klare Unterhaltung über das "wir".

Warum können die Fragen für uns nützlich sein, wenn wir Kunst machen und nicht nur in der Kommunikation? Wenn wir verstehen in welchem dieser Bereiche wir uns gerade unterhalten wollen, kann das die Bedingungen verändern, wie ich arbeiten möchte. Ein Gefühl darf zum Beispiel pur in die Kunst übergehen, muss dann aber vielleicht gar nicht sauber gearbeitet sein. Wenn ich aber Fakten anbieten will, dann ist egal wie ich mich fühle, ich werde sie selbst korrekt recherchiert und möglichst auch verstanden haben müssen, um gut damit arbeiten zu können. Zum anderen können wir auch bei längeren Projekten schauen, in welcher Laune und in welcher Kommunikation wir gerade sein wollen, mit unserem Werk. Bin ich gerade emotional? Bin ich eher sachlich gerade interessiert? Brauche ich etwas Definition für mich, meine Gruppe, meine Identität durch die Kunst? Ich kann ein größeres Werk auch darauf untersuchen, ob es alle drei Fragen bearbeitet, wenn wir das wollen. Denn sie sind nicht voneinander getrennt zu sehen, auch wenn sie getrennt voneinander auftreten können. Nützlich für uns ist auch da wieder, wenn wir üben zu erkennen, wann welche dieser Ebenen gefragt ist.

Was hat euch Kunst zu letzt kommuniziert? Was denkt ihr zu den Ebenen die Charles Duhigg beschrieben hat?

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