Antizyklisch

Ich liebe Montage. Dieser Artikel entsteht an einem Montag. Ich bin früh aufgestanden, habe alle meine Routinen gemacht, freudig den Rechner angeschmissen, gelesen, gelernt und das schon bevor meine WG zum Leben erwacht ist. Wenn die Aufstehen, denke ich über die erste Pause nach.

Alle hassen Montage. Aber sie geben nicht zu, dass sie nicht Montage hassen, sondern Arbeit zu machen für Ziele, die nicht ihre eigenen sind. Ich arbeite für mich. Ich liebe Montage. Als Betroffener des Kapitalismus finde ich Sonntage blöd. Wenn meine Stifte leer sind, kann ich keine neuen kaufen. Die wenigsten spannenden Orte stehen zur Verfügung, alle sind unfassbar gelähmt. Wann immer ich kann, sabotiere ich Sonntage dahin, nicht wie ein Sonntag auszusehen. Aber der Zyklus der meisten Menschen sind den Sonntag vor. Für die Erholung. Aber die Leute erholen sich nicht. Sie liegen im eigenen Saft und marinieren. Erholen ist ein Verb, eine Aktivität. Wer sagt, dass wenn ich mein Werk machen kann, mich das nicht erholt? Ahja, der Zyklus sagt das. Montag bis Freitag Burnout, Samstag bis Sonntag Betäubung.

Ich bin überhart in meinen Aussagen gerade. Während ich eine positive Haltung habe. Denn dass ich Montage liebe, aber ausbeuterische Arbeit scheiße finde ist etwas gutes, steht aber entgegen den Lebensgewohnheiten der Menschen. Und auch ich werde mich wohl irgendwann wieder in die Zahnräder der Welt werfen müssen, aber ich werde versuchen antizyklisch zu bleiben.

Und das muss nicht bedeuten den Zyklus zu bekämpfen. Die Assoziation mit dem Wort und mit dem Wiederkehren wie es bei menstruierenden Menschen zum Beispiel auch ist, macht schon gedanklich klar: Du kannst den Zyklus auch gar nicht als solchen verhindern (ohne andere Schäden zu nehmen), aber du kannst dich darauf vorbereiten seine negativen Effekte auf dich einzugrenzen.

Zyklen tauchen auch in der Kunst auf. In der Kreativität. Alle machen jetzt mit künstlicher Intelligenz rum, das ist gerade der aktuellste Zyklus. Bei meinen Freund*innen und Kolleg*innen im Poetry Slam haben plötzlich alle Stand-Up Comedy ausprobiert. Das war der Zyklus. Ganze Epochen der Kunstgeschichte, Strömungen und Genres sind Zyklen. Und es ist nicht schlimm da mit zu machen. Da gibt es erstmal kein Judgement von mir. Es ist erst schlimm, wenn es schlimme Effekte zeigt. Denn wenn du nur noch das Schema bedienst, weil es so üblich im Zyklus ist und nicht mehr darin bist, weil es dir etwas gibt, dann wird aus dem Zeitgeist ein Gefängnis. Und ich für meinen Teil mag Gefängnisse nicht.

Antizyklisch sein bedeutet, sich einen Weg zu suchen, einen eigenen Strom zu finden und vielleicht nicht einem Trend zu folgen, nur weil alle einem Trend folgen. Und das kann dann auch bedeuten, einem eigenen Zyklus dauerhaft zu folgen. Da sind Menschen da draußen, die ungeachtet der Trends und beliebten Methoden trotzdem alles weiter auf ihre alte Art machen. Und nicht verschwinden und unsichtbar werden, wie irgendwelche Internetweisen es zum Beispiel ständig prophezeien. Nein, du musst nicht auf Social Media sein um sichtbar zu sein. Du musst Energie haben und spenden, an der Menschen anknüpfen können um sichtbar zu sein. Denn würde das stimmen mit der Sichtbarkeit, dann würde altes Wissen nicht immer wieder zurückkommen. Alles hat seinen Zyklus. Und alles kehrt auch irgendwann zurück.

Ich glaube sogar, dass das antizyklische zum Zyklus gehört. Wo immer ein Wasser- oder Luftstrom auf eine Oberfläche trifft, entstehen auch kleine Wirbel und Verwerfungen, die entgegen der ursprünglichen Fließrichtung laufen. Verändern sich die Oberflächen und Hindernisse, kann sich nach und nach der ganze Fluss der Bewegung verändern und ganz neue Wege entstehen. Wie so oft müssen wir uns nur fragen, wer wir da sein wollen.

Ich möchte alle Wochentage gleich mögen können. Ich möchte immer mein Werk machen können. Ich möchte Montage mögen, aber ich möchte auch Dienstags Wochenende machen können. Der Mensch der ich sein möchte, lässt sich nicht von einem Aberglauben von seiner Arbeit abhalten oder in seiner Laune prägen. Jetzt bin ich da oft noch, aber da darf ich dann auch antizyklisch zu mir selbst sein.

Kommentare

  1. Anonym13.2.24

    Heute auhc im Kleinen, entgegen meines Zyklusses, wenn man so will, Nachts noch geschrieben, statt zu schlafen... Der Plan war eigentlich ein anderer, aber die Energie war da und musste irgendwohin. Gedanken wollten sortiert werden, die sonst den Schlaf erschwert hätten... Und da bringt ein Festhalten am eigentlichen Rhythmus nichts, wenn die Bedürfnisse heute mal anders liegen. Also sanft sein, auf den Körper und Geist vertrauen... Noch mal schreiben und dann JETZT ins Bett. Und ich bin sicher, dass ich mit der Nacht zufriedener sein werde, weil ich auf mich geachtet habe, als durch das Festhalten an einem Zyklus. Gute (Montag) Nacht...

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ja, auch das ist natürlich auch eine Art einen Zyklus zu brechen. Beim Schlaf, weil dieser so ein wichtiges und sensibeles System ist, bin ich da aber für gewöhnlich vorsichtiger und weniger "rebellisch". Denn im Fluss kann es natürlich auch passieren, dass aus einem Antizyklus ein neuer Zyklus wird und ob dann nachts arbeiten so gut für uns ist, müssen wir sorgfältig beobachten.

      Löschen
    2. Anonym13.2.24

      Da hast du Recht. Hier war es ein "Störungen haben Vorrang" und wird daher als Ausnahme gewertet, die eine gute Idee war.

      Löschen

Kommentar veröffentlichen

Anmerkungen? Fragen? Wünsche? Schreib gerne einen Kommentar. Ich schaue regelmäßig rein, moderiere die Kommentare aber auch, also bleibt nett.

Vielleicht auch spannend: