Das ätzende ist das Zweifeln. Beim Kranksein weichen wir davon ab, wie sich unser Körper sonst anfühlt, wenn wir gesund sind. Wir haben den Vergleich und das präsente Ergebnis macht uns nicht glücklich. Weil es uns nicht gut geht. Was uns unser Körper mitteilt in Gefühlen, die uns bremsen sollen und vielleicht dazu bewegen, uns zu schonen. Ganz so präzise läuft es nicht, denn so absichtlich handelt unser Körper nicht, der weiß ja auch nur auf vorprogrammierte Art und Weise zu reagieren. Aber wir sitzen da jetzt mit einer Differenz, werden morgens wach, es ist trotzdem ein Tag, für alle anderen dreht sich die Welt weiter, dank Internet dürfen wir dabei zuschauen und Angst entwickeln etwas zu verpassen. Eine Angst die totaler Quatsch ist, weil wir ja trotzdem auch einen Tag haben. Zur selben Zeit. Alle verpassen quasi immer alles, weil wir nur an einem Ort sein können. Also ist es so sehr eine Standard in unserem Leben, dass es eigentlich auch schon wieder egal ist. Grüße von dem Stoiker in mir.
Das ätzende ist aber das Zweifeln. Denn wenn ich was mache, dann verbrauche ich das bisschen Energie was ich habe, die Differenz zwischen wie es mir fit und jetzt gerade geht wird noch etwas größer. Und dann fragt mensch sich, ob das sinnvoll war. Moment, Sinn gebe ich den Dingen, sagt eine gelernte Lektion in mir, die Welt in sich ist nicht sinnvoll. Wenn andere sinnvoll finden was wir tun, gibt es den Sachen nicht Sinn, sondern Wirkung und das ist ein Unterschied, denn auch absolut "sinnlose" Dinge haben eine Wirkung. Alles hat Wirkung. Jedes Handeln. Aber wenn wir sie nicht mehr sehen, dann kommen die Zweifel, ob es denn überhaupt passiert.
Ein Posting, ein Buch veröffentlichen, einen Song hochladen, ich finde das alles gut, aber ich merke schon, dass ich "live Publikum" so mag, weil ich die Chance bekomme zu sehen, was mit den Leuten passiert. Ich höre Lachen, Stöhnen, Seufzen, Durchatmen, spüre wenn es still wird im Raum. Immer wenn wir mit "die Gedanken sind Blei" eine inszenierte Lesung zum Thema Depressionen gespielt haben, konnte ich merken dass sich im Raum etwas ändert. Von der Begrüßung, wo wir eine warme Stimmung angeboten haben und Menschen mit uns gelächelt haben, bis zum Einstieg mit den ersten Texten und dann schwingt alles um. Plötzlich kann ich durch die Augen von Menschen sehen, wie sie mit dem was sie bei uns hören in sich rein gehen und dort Kontakt zu sich suchen. Da habe ich keine Zweifel. Da sehe ich was passiert.
Das Zweifeln nervt. Die Unsicherheit, ob wir etwas bewirken. Ob wir gebraucht werden. Ob wir vermisst werden. Eindrücke der Isoliertheit. Weil selbst mit frisch entdeckter Introvertierheit in meinem Leben, bin ich doch ein Wesen der Gemeinschaft, der Gruppe, der Gesellschaft. Und weil ich Angst hatte ansteckend zu sein, halte ich mich natürlich fern. Und wenn wir den Kontakt zu sehr verlieren, kommen bei mir Gedanken durch, die eine Überspitzung von Sachen sind, die ich als Kritik der Gesellschaft sehen könnte. Alte Verletzungen die ich schon mal zu den Zweifeln bekommen habe. Und während ich zu müde bin um zu widersprechen, sind die anderen zu weit weg um mir zu helfen. Wenn ich gesund werden will, dann auch, um wieder diese störenden Gedanken wegwischen zu können.
In dem Buch, welches ich gerade lese wird gesagt, dass "Frieden" in Wirklichkeit unser Grundzustand ist. Freude und "gute Laune" ist unsere Basis und dann kommen Störungen und verhageln uns das. Wenn ich auf mein Kind schaue, weclhes noch keine eindeutige Sprache hat und sehr deutlich nach Bedürfnissen gerichtet ist und diese nicht verschieben kann, sehe ich das schon. Der kleine Mensch ist eigentlich immer gut drauf, bis ihm etwas fehlt oder ihm eine nervige Regel vorgesetzt wird. Aber grundsätzlich hat er Frieden und Freude im Entdecken und Spielen und Sein. Also darf ich mich fragen, was mich davon abhält. Habe ich zu viel Zeit mit mir selbst und meinen Gedanken? Drehen sich diese zu sehr um die Wünsche und Vorstellungen von anderen? Wahrscheinlich ja. In einem System das auf Abhängigkeiten basiert ist es aber auch schwer, darauf eben nicht reinzufallen.
Es sind die Zweifel, die nerven. Die mich vom Frieden ein wenig ferner halten. Meine Strategie ist, sie irgendwo hinzuschreiben. Weg zu schicken. Und versuchen mich wieder dafür zu öffnen, dass ich Sachen Sinn geben kann. Dass ich Mittel habe wieder danach zu streben, etwas zu bewirken. Ich muss es lose genug anschauen, dass ich es nicht erzwinge, weil dann wird es auch nicht gut, aber ich muss fest genug in die Richtung schauen, dass ich nicht bei Orientierungslosigkeit zurück in den Nebel aus Zweifeln falle. Und wenn ich es schaffe, kann ich Orientierungslosigkeit sogar als Anlass zum Spielen finden. Denn wer nicht weiß wo er ist und wo er gerade hinwill, kann sich nicht falsch entscheiden und kann nur neue Erfahrungen und Informationen gewinnen. Mal schauen, ob mir das gelingt.
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