Es kann im Kapitalismus keine Kunstfreiheit geben
Das Wort Freiheit ist eines, das schon immer stark umkämpft war. Gerade die Meinungsfreiheit und die Kunstfreiheit sind immer Gegenstand von lebhaften und unterschiedlich ertragsreichen Diskussionen. Oft habe ich den Eindruck, dass es bei Freiheit aber den wenigstens darum geht, dass etwas unabhängig ist. Frei im Sinne dessen, dass es ohne Hilfe stehen und bestehen und existieren kann. In den Diskussionen über Freiheit die ich mitbekomme, geht es oft für Leute darum zu erkämpfen, dass sie alle Gewinne einer Sache mitnehmen dürfen, aber keine Verantwortung für die Schäden. Comedians wollen jeden Witz machen dürfen, aber für keines der ausgelösten Gefühle verantwortlich sein. Künstler*innen wollen jede Gruppe kariakatieren dürfen, aber nicht dafür belangt werden können, wenn ihr Kunst diskriminierend ist. Was aber eben all diese Kunst oft nicht kann, ist frei stehen, ohne Abhängigkeit.
Eine wahre Kunstfreiheit ist im Kapitalismus nicht möglich. Ich bin sicher nicht der größte Experte für Politik und Wirtschaft, aber ich weiß, dass der Kapitalismus ein System ist, dass in der neutralsten Formulierung darauf beruht, dass wir ein gemeinsames Tauschmittel - Geld - verwenden um die Dinge zu bekommen, die unser Überleben sichern oder uns erlauben uns die Arbeitskraft von anderen leisten zu können. So bekommen wir Miete und Lebensmittel und Strom, wenn wir nur Geld haben. Haben wir es nicht, ist unsere Existenz bedroht. Was bedeutet es also für Kunst, wenn wir Kunst als Verdienstquelle verwenden?
Es bedeutet, dass unsere Kunst so sein muss, dass Menschen uns dafür Geld geben wollen. Unsere Kunst muss so sein, dass wir mit ihr etwas erreichen, was sich dann in Geld umwandeln lässt. Zum Beispiel Likes oder Shares oder Follower*innen, eine der abstrakten Währungen des Kapitalismus. Denn diese sind Werbekraft und damit eine Oberfläche um unsere Energie für andere Anbieter und deren Interessen verkaufen zu können. Selbst der ethischste Anbieter eines Produktes, der sich eine Werbung bei einer Kunstperson im Internet kauft, verändert damit, was diese Person fertig und wie sie es tut.
Eine der Personengruppen, die diesen Trick recht früh verstanden hatte, waren königliche und aderlige Familien. Material für Kunst war teuer, aber Kunst war ein schneller und guter Weg, um die Mächtigen zu kritisieren. In Zeiten wo noch nicht alle lesen konnten, konnte ein Bild das jemanden geringschätzt eine große Wirkung haben. Um den Diskurs aber mitzubestimmen, haben die adeligen Familien Künstler*innen unter Vertrag genommen. Sie haben das Ego gepinselt, das Talent gelobt und dann für Wohnung, Essen und Materialgeld die Künstler*innen gefördert. Aber diese Förderung hat oft auch die Kritik schmal gemacht. Denn mensch beißt natürlich nicht die Hand, die einen füttert. Und in kapitalen Systemen gibst du deine Privilegien nicht auf, weil deine Privilegien dir Sicherheit bieten und dich schützen. Und in so einer fatalen Bequemlichkeit geht es ganz schnell, dass die höheren Ziele der Kunst verloren gehen.
Kapitalismus ist ein System des Besitzes. Und wenn sich Kunst kapitalisieren lässt, dann wird sie besitzbar und damit lenkbar. So haben wir ebenfalls im Kapitalismus Länder ihrer Kulturgüter beraubt, um darüber bestimmen zu können, wie über sie gesprochen wird und wie leicht es ihnen fällt, mit ihrer Kultur in Kontakt zu kommen. Stiftungen und andere Strukturen mit unklaren Hintergründen und Motiven fördern handverlesen und sind damit Teil eines Prozesses, der Eliten bestimmt. Denn Kunst die erfolgreich ist, wird zum Vorbild für Menschen, die Kunst machen wollen, die Erfolg hat. Wer das Geld für Kunst gibt, bestimmt was in der Kunst passiert.
Als Banksy bei einer Ausstellung ein Bild geschreddert hat, ist diese Figur ihrer bisher größten Niederlage in meinen Augen begegnet. Was nämlich ein Manöver der Kritik an der Geldbewegung in der Kunstwelt sein sollte, hat das Bild nicht entwertet, sondern durch den performativen Akt der Zerstörung den Wert erhöht, da es jetzt noch typischer für die Kunstperson war, aber eben auch eine Geschichte gratis oben drauf bekommen hat. Der Kapitalismus, in seiner Macht allen Dingen Werten zu geben, hat seinen besten Trick gemacht und der Entwertung einen höheren Wert gegeben und damit sein Regelwerk durch einen Regelbruch bestärkt.
Es kann im Kapitalismus keine Kunstfreiheit geben.
Wem die Flächen gehören, der bestimmt ob es Theater, Proberäume, Ateliers gibt. Da werden Kunstprojekten in "schwachen" Stadtteilen angesiedelt, ob durch die Künstler*innen und neuen Impulse den Stadtteil zu beleben und so das Interesse und dann die Mieten in die Höhe zu treiben. Die Künstler*innen, auf günstigen Raum angewiesen, machen, dass der günstige Raum in der Stadt verloren geht. Denn die Kunst braucht das Geld, den Raum, die Wärme, die Miete, das Material. Der Kapitalimus frisst was er will.
Wer Kunst verschenkt, ist vielleicht antikapitalistisch. Wer sein Geld woanders holt, als mit seiner Kunst, steht dem Ganzen vielleicht für den Moment entgegen. Aber die Wahrheit ist, wenn Kunst sich eine Freiheit wünscht, die eine Lösung von allen Abhängigkeiten ist, dann müssen die Menschen hinter der Kunst für ein anderes System stehen. Für eines, dass andere Überzeugungen hat als unbegrenztes Wachstum oder die Bewertung von Dingen als Mittel der Bestimmung von Relevanz. Eines, dass ein Interesse daran hat, alle Menschen abzusichern und auf dieser Basis Kunst entstehen zu lassen. Ein System, in dem Kunst allen und damit niemandem gehört.
Aber solange es an anderen liegt zu entscheiden, welche Künstler*innen hungern und welche ein Erfolg sind, wir Erfolg über kapitale Werte definieren, kann es keine Kunstfreiheit geben. Denke ich.
Geschrieben auf einer Platform die einem Großkonzern gehört und deren Wohlwollen oder Blindheit ich nur nutzen kann, so lange sie es erlauben.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen
Anmerkungen? Fragen? Wünsche? Schreib gerne einen Kommentar. Ich schaue regelmäßig rein, moderiere die Kommentare aber auch, also bleibt nett.