Ach, Queerness ist übrigens kein Trend

Auch mir ist es schon passiert. Da höre ich dann über einen Umweg, dass jemand behauptet, dass ich jetzt ja auch mich als queer bezeichne, weil es im Trend wäre. Weil es ja gerade diesen Trend gäbe all diese Gender und Sexualitäten zu erfinden um eine Sonderbehandlung zu bekommen. Und auch wenn ich versuche mich von solchen Aussagen natürlich zu trennen, arbeitet es dann doch in einem weiter.

Wenn ich immer dazu kommen würde, meine Queerness und damit Sexualität auszuleben, wie ich es will, dann würde es vermutlich überhaupt niemand merken. Ja, witzigerweise habe ich es ja auch ein Weilchen nicht gemerkt. Und dann frage ich mich, wie konnte ich das selbst nicht merken? Die Antwort darauf habe ich. Weil ich nicht wusste wie das aussehen kann, was ich da vielleicht in mir suche. Denn so ist es in der Wissenschaft ja zum Beispiel auch. Bakterien gab es zum Beispiel schon immer, aber zu Zeiten wo es noch kein Mirkoskop gab, war es Menschen nicht möglich sie zu sehen. Und daher nicht möglich sie zu erforschen und einen aktiven Umgang und Wissen mit ihnen zu bekommen. Auch wenn ich in einer Zeit der erweiterten sexuellen Aufklärung aufgewachsen bin, gabe es da nur eine recht flache Skala an Optionen, von dem was ich wusste. Entweder du stehst auf "das andere Geschlecht", das gleiche, oder beide. Dass es mehr als nur die binäre Geschlechter-Vorstellung gab, dass musste ich zum Beispiel erstmal lernen, oder das alte entlernen, je nach Blickwinkel.

Dass Themen oft eine Aufbrechen in der öffentlichen Wahrnehmung haben, oder Gruppierungen plötzlich wachsen und über ihre alten Grenzen hinaus wollen, hat tatsächlich oft was mit Fortschritten zu tun. Das muss nicht technischer Fortschritt sein, kann auch emotionaler, spiritueller, struktureller Fortschritt sein. Ein neues Buch, eine prominente Person die ihre Sichtbarkeit für ein Thema nutzt, ein neuer Zugang, sogar das Wiederentdecken alter Schriften kann dafür sorgen. Wenn Queerness zum Beispiel ein neuer Trend sein soll, wie kann es dann denn sein, dass Homosexualität schon in der Bibel erwähnt wird? Das Aufbrechen und Aufrufen und Aufwachsen einen vorher kleineren Bubble, das mag dann vielleicht kurz wie ein Trend aussehen, aber ich gehe davon aus, dass die Menschen in dieser Bewegung eben nicht aus modischen Gründen oder Zeitgeist in sich ein Outing finden. Es war alles schon vorher da, nur die Rahmenbedingungen waren in der Öffentlichkeit nicht so, dass mensch darüber reden konnte, ohne Gefahr befürchten zu müssen.

Das ist auch immer noch nicht so. Aber die Fallschirme, Schutzmöglichkeiten und Safe Spaces sind besser und mehr geworden. Wenn auch vielleicht noch nicht ausreichend und stark genug. Was ja klar ist, weil der beste und ausreichende Safe Space wäre ja, wenn die gesamte Gesellschaft ein Safe Space ist. Wie gut das wird, wenn wir da hin kommen.

Ich persönlich reagiere immer schon abwehrend, wenn in Diskussionen bestimmte Themen als Trend bezeichnet werden. Ja, es gibt immer wieder Bewegungen und Themen die aufkommen oder zurück kommen, aber zu sagen das Queerness ein Trend wäre, einige Outings deshalb nur der Versuch die eigene Position zu verbessern - wo Queerness wirklich eine weirde Entscheidung wäre, weil ich nicht wirklich Leute kenne für die gesellschaftlich etwas leichter geworden ist durch ihr Outing - und dass die Leute ja auch wieder "normal" werden, das wirkt auf mich hauptsächlich wie die eigene Angst vor Veränderung und der Angst sich auch selbst verändern zu müssen. Vielleicht die Angst, etwas akzeptieren zu müssen, ohne es verstehen und nachfühlen zu können. Was da helfen könnte, wäre ein neuer Trend der Offenheit.

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