Hype, Rage und Meinungen

Profi-Wrestler Christian Cage sitzt mit Journalist und Podcaster Chris van Vliet zusammen. Sie reden darüber, dass Christian Cage sein Comeback in einer großen Liga gemacht hat und vorher und drumherum ganz schön große Worte über ihn verloren wurden. "When you hype something you give people the chance to have an opinion, good or bad", sagt er und ich denke über Hype nach.

Hype, dass kenne ich als dieses uneingeschränkte Momentum. Das ist wenn ich etwas richtig gut finde, aber auch bereit bin dafür anderen davon zu erzählen. Ich versuche meine Begeisterung zu übertragen. Finde ich Gleichgesinnte, schließe ich mich mit ihnen zusammen, wir hypen gemeinsam, sind jetzt eine Gruppe und bekommen so noch viel mehr Momentum. Und es schwappt über. Manche waren vorher anderer Meinung, oder haben die Begeisterung erst nicht verstehen, wir sie aber gut erklären können. Manche vertrauen unserem Geschmack, werden neugierig, stecken sich an. Andere sehen, dass wir eine Gruppe geschlossen haben und haben Bock auf die Gemeinschaft, auch wenn sie gar nicht in der Materie so tief drin sind - deshalb habe ich damals Fussball geguckt. Der Hype wächst und steuert - je nachdem was wir hypen - auf irgendeinen Zielpunkt hin oder einen Kipppunkt. Denn die Welt dreht sich weiter, das große Ereignis passiert und der Hype ist erstmal wieder vorbei. Manche von uns werden bleiben, manche überrascht sein davon, andere gehen einfach weiter. Hype.

Und andere werden es scheiße finden. Manche aus Prinzip. Manche, aus Whataboutism, weil sie also denken, dass gerade etwas anderes wichtiger sein sollte. Manche, weil sie in sich gerade wütend sind und ein Ziel brauchen. Wenn sie es gut machen, dann wenden sie ihre Wut nur gegen Aspekte der Sache und nie gegen Menschen. Wenn sie es schlecht machen, dann hassen sie überall, im Netz sind gegen alles und lassen auch nicht zu, dass andere daran Freude haben. Teil des Spiels ist es, dass es manchmal verschiedene Seiten gibt. Das wir aushandeln wer Recht hat und dann wird die Zeit zeigen wer recht hat - zum Beispiel wenn am Ende die Meisterschaft vergeben wird und unser Team verloren oder gewonnen hat. Und Recht haben macht leider am Ende oft auch einfach Spaß. Und wenn wir alle es dann richtig gut machen, dann darf das Spiel dann einfach von ganz vorne anfangen und wir in diesem für und wieder neue Plätze einnehmen.

Im Wrestling liebe ich oft genau das. Da stellt sich eine breite Masse des Publikums in den Arenen und im Internet für oder gegen einen Performer, manchmal aus ganz banalen Gründen, wegen eines guten Running-Gags zum Beispiel oder eines witzigen Momentes. Manchmal, weil eine Geschichte einen Nerv oder den Zeitgeist trifft. Oft auch, weil ein*e Performer*in vertritt, wofür wir stehen, weil wir uns in der Person wieder erkennen. Und dann jubeln wir für diesen Menschen, sind aufmerksam wenn der Name oder das Gesicht in Social Media auftaucht um ein bisschen Glückshormone zu bekommen, wenn genau das passiert was wir erwarten oder etwas neues. Aber der Hype ist ein Treibstoff. Auch die Rage, wenn sie kein echter Hass ist, kann ein Treibstoff für Perfomer*innen sein. Ein ganzer Saal der dich ausbuht investiert eben trotzdem auch Energie in dich. Vielleicht nicht die gute, aber das schlimmste was dir eben passieren kann, so sagen es die Wrestler*innen immer wieder, ist wenn das Publikum stumm ist.

Wenn über unsere Kunst gar nicht gesprochen wird, wir keine Bewegung auslösen, dann macht das etwas mit uns. Und nicht jedes Kunstwerk muss diese polarisierende heftige Arbeit sein, nicht alles muss eine in Schweinblut getränkte Kreuzung in Berlin sein. Die Polarisierung die kann auch viel kleiner sich abspielen. Darf in genau der Ungewissheit stattfinden, wo unsere Kunst auch manchmal her kommt. Der Frage "Was ist hier dran gerade interessant für mich?"

Christian Cage hat es wie eine Gelegenheit formuliert. Hype ist die Gelegenheit für Menschen darüber ins Gespräch zu kommen, was ihnen gefällt, nicht gefällt und was sie bewegt. Es ist die Chance eine Meinung zu haben. Die Chance eine Gemeinschaft zu bilden. Die Chance einen Diskurs zu führen. Und ein gesundes Gespräch darüber was wir mögen und wie wir sein wollen, dafür mag ich gerne Hype machen.

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