Was ist eigentlich ein "Schreibtisch"?

Leute die sich im Umfeld unserer (also das Team der Weststadtstory, von dem ich ein Teil bin) aufhalten, werden schon häufiger von dem so genannten "Schreibtisch" gehört haben. Ein Format, das wir nun seit Jahren betreiben, selbst von einem Angebot in Krefeld inspiriert bekommen haben und inzwischen auch vergleichbare Angebote wiederum an anderen Orten inspiriert hat. Weil ich persönlich finde, dass der Schreibtisch auf der einen Seite keine so hohe Schöpfungshöhe hat - auch das Wortspiel im Namen nicht - und ich es aber ein super gutes Angebot finde, mag ich hier erklären wie wir ihn in Essen machen und Werbung dafür machen, das Format zu "klauen", anzupassen, mit zu nehmen.

Beim Schreibtisch der Weststadstory, Foto: der Fotowikinger

Erstes zu erst: Der Name "Schreibtisch" wurde von Poetry Slammer und Comedian Johannes Floehr geschöpft und ist eine Zusammenstellung der Worte "Schreibende" und "Stammtisch", was nämlich die Idee sehr gut zusammenfasst. Ähnlich wie die schon manchmal hier im Blog erwähnten Artist Circles, geht es darum Menschen die Kunst machen aufeinander treffen zu lassen und in Austauch zu schicken. Während aber Artist Circles oft auch geschlossene und befreundete Gruppen sind, sind Schreibtische für gewöhnlich offene Formate, die allen einen Raum bieten und keine Verpflichtung zur Teilnahme beinhalten.

Das ist auch deshalb wichtig, weil Freiwilligkeit und Kreativität sehr große Einflüsse aufeinander haben. Denn unter Zwang arbeiten und denken wir anders, als wenn wir aus eigener Motivation uns antreiben. Und auf diesem Fakt basierend ist auch die Basis der Arbeit beim Essener Schreibtisch entstanden. Denn während wir den Fakt mit Freude gesehen haben, wie in Krefeld dieses Projekt gestartet wurde, hatten wir keinen Austausch und auch keinen Anspruch deren Format dort zu kopieren.

Um die Freiwilligkeit und Offenheit zu gewährleisten, aber auch einen Zustand herzustellen, bei dem alle Anwesenden auch mit unterschiedlichem Erfahrungsstand Expert*innen sein können, geben wir keine Themen vor und legen sie vorher fest. Das wäre meiner Meinung nach dann eher ein Workshop und die haben auch ihre Berechtigung um Wissen zu vertiefen, aber der Schreibtisch hat da andere Ziele. Deshalb haben wir Prinzipien der Freiwilligkeit vom Psychlogen Marschal Rosenberg eingebunden. Dieser hat seine Bildungsangebote an den Teilnehmenden ausgerichtet. Unsere Basisfrage daher bei jedem Schreibtisch ist: "Was möchtet ihr hier heute besprechen, damit es sich für euch gelohnt hat her zu kommen?" Natürlich stellen wir die Frage nicht immer wortwörtlich so, aber immer eine Variante davon.

Was nutzt das? Das nutzt, dass wir genau an den Themen arbeiten, die auch gerade aktuell sind. Und es erlaubt eben allen etwas beizutragen und nimmt, wenn auch diese Person dann immer als Moderation aktiv bleibt, den Fokus von der Anleitenden Person. Der Schreibtisch soll auch die Gemeinschaft stärken. Und gerade beim Kunst machen gibt es oft nicht eine konkrete richtige Antwort, sondern eine breite an Impulsen und Gedanken, die uns vielleicht aus unserer eigenen Blockade rausbringen können. Und manchmal ist dieser Impuls den es braucht, auch aus der Isolation der Arbeitskammer raus zu kommen und einfach zu hören, dass andere Menschen beim Kreativsein auf ähnliche Erfahrungen stoßen. Darüber hinaus ist schon das Ansprechen von eigenen Konflikten eine Hilfe um diese zu reflektieren und zu bearbeiten. Und um dafür eine Basis zu finden braucht der Schreibtisch einen guten geschützten Raum, in dem zusammen offen vertrauensvoll gesprochen werden kann, allerdings eine Moderation immer wieder auf die Ziele und Fragen des Gespräches fokusiert, oder auch eine Struktur fürs Gespräch anbietet.

Gerade in Essen beobachten wir aktuell, dass dieses Format eine gute Basis dafür ist, dass sich Gemeinschaft(-en) bilden, die kreativ kooperieren. So gibt es diverse Projekte und auch kleinere Artist's Circles, die in der letzten Zeit aus unseren Aktivitäten da entstehen. So eine Gemeinschaft ist aber eben auch eine gute Basis um den Schwung dann in die realen Projekte zu nehmen. Was in unserem Falle ein Poetry Slam ist, auf dem dann die Teilnehmenden vom Schreibtisch zum einen ihre neuen Impulse ausprobieren können, aber auch Teile der Gruppe oft mit im Publikum sitzen und unterstützen.

Wenn auch ich hier über eine Angebot für Schreibende -lol- schreibe, gibt es auch Beispiel für vergleichbare Formate in anderen Kunstformen. Natürlich sind diese, weil andere Kunstformen auch andere Regeln und Rahmen haben, anders ausgeprägt. In Essen gibt es zum Beispiel "Shitty Papers" als Angebot für Personen die malen und zeichnen. So wird dort zusammen gearbeitet und Skizzen besprochen und über Stile und Impulse gesprochen. Auch verschiedene Tanz-Jams durfte ich im Ruhrgebiet schon mitbekommen, natürlich gibt es auch Jam-Sessions für Musiker*innen an verschiedensten Spielorten.

Als jemand der überzeugt ist, dass für eine lebhafte Szene und Kultur innerhalb einer Kunst die Wurzeln gut gepflegt werden müssen und Newcomer*innen zum einen das Wissen der "Alten" brauchen um Orientierung zu finden, um zu sehen was sie tun können, welche Regeln es gibt und welche sie in Zukunft dann brechen wollen, um das Format zu erneuern. Und eben genau zu diesem anderen brauchen die "Alten" die Newcomer*innen im Austausch, um zu überprüfen ob die alten Regeln noch gut sind, um sich selbst wieder neu entwickeln oder in ihren Formen weiter festigen zu können. Wenn der Austausch gut gelingt, gibt es eh am Ende nicht mehr alt/jung, die einen/die anderen, sondern ein gut gemischtes Kollektiv aus Individuen.

In den Nebensätzen dieses Beitrages stehen die Informationen, die ihr braucht um selbst so etwas zu starten. Ich mag trotzdem ein paar schnell Eckpfeiler hinlegen:
Ein Ort an dem ihr euch treffen könnt, der offen ist und einlädt spontan dazu zu kommen. Eine Moderation/Struktur/Kultur, die allen Raum schafft offen und frei sich mitzuteilen und Probleme zu bearbeiten. Eine Idee worum es gehen soll hilft auch. Und alles weitere könnt ihr auch herausfinden, während ihr eure eigenen Erfahrungen mit dem Format macht.


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