Der göttliche Moment

"If you try to make someone experience or learn something, you rid them of their celestial moment"

Julie Pyatt. 

Es ist vermutlich kein wörtliches Zitat, weil ich es wiederum als Zitat von Rich Roll gehört habe, der wiederum seine Lebensgefährtin  -eben Julie Pyatt - damit zitiert hat. Ich glaube aber dass der inhaltliche Verlust von der Quelle bis zu mir noch recht gering ist. 

"Wenn du versuchst jemanden andren dazu zu bringen eine Erfahrung zu machen oder etwas zu lernen, beraubst du sie um den göttlichen/heiligen Moment.", so würde ich das übersetzen. 

Gefallen ist dieses Zitat in einem Gespräch darüber, wie mensch anderen Leuten helfen kann und ob es möglich ist, für andere Lösungen zu finden, die diese anwenden können. Rich Roll hat mit Steven Bartlett, gesprochen, einem jungen sehr erfolgreichem Geschäftsmann aus Großbritannien. Er sitzt dort bei deren Version der "Höhle der Löwen", hat viele erfolgreiche Unternehmen und UKs meist gehörten Podcast "Diary of a CEO". Um ihn soll es aber gar nicht so sehr gehen, wenn auch er ein spannender Charakter ist. 

"Der göttliche Moment". Wenn ich das höre, denke ich an die Augenblicke, wo ich sicher weiß, dass gerade etwas gelingt oder ich jetzt gerade in diesem Moment eine Erkenntnis habe. Es gibt verschiedene Begriffe für solche Erlebnisse, manche technischer, manche emotionaler. Dass es diese Momente aber gibt, steht kaum zur Diskussion. 

Künstler*innen kennen in diesem Fall beide Seiten dieser Medaille. Wir kennen die Momente wo uns unser Werk gerade gut gelingt und wir gerne, begeistert, energetisiert und freudig weiter arbeiten. Die Momente, wo wir wissen, dass unsere Leistung gerade genau so ist, wie wir es brauchen. Wir lernen das, was wir lernen wollen. 

Gleichzeitig kennen wir die Überlegung, dass unsere Kunst den Menschen etwas erklären oder beibringen soll. Wir wollen etwas erreichen damit. Es soll eine Nachricht haben und diese im besten Fall eine Veränderung bei den Menschen auslösen. Wie das funktionieren könnte, bleibt uns dabei aber ein Rätsel. So wissen wir zum Beispiel nicht gesichert, warum welches funny Internetvideo wann gut ankommt. Sonst könnten wir ja unseren Erfolg einfach selbst entscheiden, in dem wir ein Muster bedienen. Und wenn auch Menschen das versuchen, ist es eben keine Garantie für einen Erfolg.

Wenn jemand uns abnehmen würde unsere Kunst zu machen, würde uns das nicht zufrieden stellen. Wir müssen es schon selbst tun. Wir streben nach eben diesen Momenten. Es muss durch unsere Finger, durch unsere Werkzeuge gehen. Genauso streben alle Menschen nach Momenten zu lernen und zu erleben. Alle auf eigene Art. Wir können es also nicht abnehmen und nicht vorherbestimmen. 

Wir können nur begünstigen, dass wir selbst oder jemand anderes aus unseren Kunst etwas mitnimmz, aber nicht sicher entscheiden, dass das passieren wird. Wenn wir es uns also als Ziel setzen, müssen wir akzeptieren, dass wir es vielleicht erstmal nicht erreichen können. Und diese Akzeptanz kommt im besten Fall mit einer guten Freiheit. So ist meine Denkweise, wenn mir nicht gerade Störungen reinfunken, dass meine Kunst und meine Inhalte schon über die Zeit die Leute finden, die sich brauchen. Und die erzählen dann davon vielleicht wieder anderen, die es gebrauchen könnten.

Diese Haltung zum "göttlichen Moment" macht glaube ich auch, warum ich gegenüber der Vorstellung, künstliche Intelligenz könnte wirkliche Kunst machen, deutlich skeptisch bleibe. Denn dieser Moment, er ist durchaus etwas spirituelles. Und Stand jetzt ist das etwas, was die Maschinen nicht erleben können, weil sie von ihrer Grundstruktur her nicht erleben. Darüber hinaus glaube ich, dass Menschen aktuell auch oft merken, wann etwas künstlich erstellt wurde. Eben weil der heilige Funke ausbleibt. Und das zeigt sich irgendwie. Ja, Künstliche Intelligenz kann ganz spektakuläre Produkte erzeugen. Dinge, die uns deshalb überraschen, weil wir vielleicht keine Vorstellung hatten, was möglich sein könnte und/oder die Technik dahinter nicht verstehen. Das dritte Clarksche Gesetz sagt es ja so schön: "Jede hinreichend fortschrittliche Technologie ist von Magie nicht zu unterscheiden." Aber was da magisch wirkt, bleibt eben im Kern dann doch auch oft hohl.

Um den göttlichen/heiligen Moment zu haben, weil wir ihn eben nicht synthetisch produzieren können, brauchen wir eine Offenheit dafür. Wie diese Entstehen kann, müssen wir Menschen eben selbst mit unseren Antennen ausloten. Störungen und Ablenkungen zu reduzieren ist dabei eine gute Basis. Manche schwören dafür auf zum Beispiel die "stille Beschäftigung mit sich selbst". Momente in denen wir wirklich mit uns selbst sind, frei von Ablenkung oder großer Stimulation. Auch Strukturen und Zeiten zu schaffen kann hilfreich sein. Und wenn wir dann anderen Menschen helfen wollen, wenn auch wir eben den göttlichen Moment bei ihnen nicht produzieren können, können wir versuchen sie zu fragen, wie sie den optimalen Empfang erreichen können und dabei unterstützen.



Kommentare

  1. Mella1.10.23

    Spannend. Ich bin neulich über einen ähnlichen Gedanken gestolpert. Da ging es nicht um den göttlichen Moment, sondern um echte Verbundenheit mit anderen und dem Publikum. Und das man diesen Moment nicht künstlich erzeugen kann oder zum Ziel machen sollte, sondern dass er dadurch unterdrückt wird und durch Offenheit und Ehrlichkeit entsteht, wenn man sich darauf fokussiert, was man von sich teilen möchte. Und nicht vorher schon auf die geplante Wirkung schaut. (Sehr verkürzt.) Gutes kleines Büchlein von Kae Tempest: Verbundenheit.

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