Poetry Slam: Der Unterschied zwischen einem Feature und einem Opferlamm

Leider werden die "Fachbegriffe" der Poetry Slam Szene nicht gut nachgehalten. Für ein Kunstformat dessen Grundlage so sehr Schrift ist, ist es fast schon ironisch, wie wenig wir schriftlich überliefern. Aber gleichzeitig ist ein Großteil unseres Kunst eben Spoken Word und vielleicht ist es Teil einer sehr großen Performance, dass wir eben unser Wissen hauptsächlich mündlich überliefern. Das Problem dabei ist halt nur, dass dann auch Begriffe verloren gehen oder eine Bedeutungsverschiebung erfahren. Okay, das Problem hat natürlich nicht nur Poetry Slam, sondern Sprache im Allgemeinen. Für Poetry Slam kann ich aber zumindest einige mündlich überlieferte Informationen festhalten und aufschreiben.

Neulichst hat es sich bei unserem Slam, der Weststadtstory also zu getragen, dass jemand außerhalb des Wettbewerbes einen Text vortragen wollte. Da unser Format der offenen Liste es eben vorallem ermöglichen soll, dass alle so auftreten können, wie sie sich am wohlsten fühlen, wollten wir das natürlich möglich machen. Also haben wir mit dem Line-Up des Abends besprochen, dass es ein so genanntes "Opferlamm" vor dem Wettbewerb gibt. Ein Begriff der mir immer deshalb schwer über die Lippen geht, weil das besagte Lamm rein historisch gesehen beim "Opfern" eben umgebracht wurde. Und wenn auch das nicht der Aspekt ist, auf den sich Slam-Veteran*innen sich bei diesem Begriff beziehen, liegt die Assoziation halt komisch im Raum. Als mir dann jemand vorgeschlagen hat, es stattdessen ein Feature zu nennen, hat die Verkabelung in meinem Kopf aber eine Fehlermeldung ausgeworfen, denn ein Feature und ein Opferlamm sind eben im Slam eigentlich mal nicht das selbe gewesen.

Ähnlich wie im religiösen Kontext, soll das Opferlamm einen Ort rituell vorbereiten. Beim Poetry Slam ist dieser Ort die Bühne. In gewisserweise wird es auch verbraucht, da es nicht im Vergleich zum eigentlichen Ritual, unserem Poetry Slam mit Wettbewerb steht. Mit Ende des vorgetragenen Textes ist es also vorbei und spielt keine weitere Rolle im weiteren Abend. Wenn auch es immer ein bisschen die erste Stimmung im Raum prägt. In meiner Erfahrung kann das Opferlamm absolut weird und seltsam und befremdlich sein. Es kann punkig, harmlos, alles mögliche sein.

Ein Feature hingegen soll den Abend erhöhen. Was bedeutet das? Ein Feature, ähnlich wie wir es in der Musik kennen, ist eine andere Kunstperson, die vielleicht nochmal ein eigenes neues Publikum oder einen eigenen Stil mitbringt. Ein Feature bekommt Platz im Abend um sich zu zeigen und sieht gut aus in der Werbung. Im Poetry Slam sind das häufig erfahrene Künstler*innen, die eben Publikum anlocken oder etwas zum Abend hinzufügen, was es sonst nicht gegeben hätte. Selbst wenn es dann Poetry Slammer*innen sind, sind es auf der Feature-Position oft welche, die aus einem inhaltlichen Grund in den Abend gebucht werden, um bestimmte Texte zu bringen, oder die inzwischen auch eine andere Kunstform bedienen und sonst nicht auf der Bühne stehen würden oder könnten.

Sehr spezifisches Wissen, mit dem ihr nicht mal am Salatbuffet einer Party unter Poetry Slammer*innen angeben könnt, aber vielleicht ein wichtiger Aspekt, wenn ihr selbst mal einen Slam plant oder als eines von beidem angefragt werden. Sprache ist natürlich in Bewegung und wer weiß, vielleicht verändern sich diese Begriffe im Poetry Slam ja auch gerade.

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