Etwas sagen müssen

Es gibt eine aktuelles Thema. Einen globalen Event. Und wir sind alle Menschen, aber auch Litfaßsäulen im Internet. Und damit kommt ein Veröffentlichungsdruck einher. Denn, obwohl wir keine Firmen sind und vielleicht auch gar keine Produkte haben, müssen wir uns vermarkten. Weil wenn auch wir nur über unseren eigenen Scheiß reden, ist schon doch auch wichtig für uns, wieviele Follower*innen wir haben, wieviele Likes und wieviele wertlose kleine Pseudo-Belohnungen wir für unsere - mit heißer Nadel gestrickten - Ansichten bekommen können. Aber es stimmt gar nicht. Wir müssen nichts sagen.

"Ich kenne mich damit nicht aus." - "Ich konnte mir keine Meiung dazu bilden." - "Ich nehme wahr was passiert, aber kann es nicht einordnen." - "Ich weiß es nicht.", wenn wir ehrlich wären, würden wir mehr von diesen Sätzen sagen, die wir leider entwertet haben. Denn wenn wir selbst unsicher sind, dann wollen wir kaum sehen, dass andere unsicher sind. Wir streben nach Sicherheit und die liegt natürlich darin wenn Leute sehr laut eine Meinung haben, der wir polar zur Seite oder gegenüber stehen können.

Und dann, dann passiert es manchmal, dass sich doch die Position durchsetzt, dass es uns nicht zu steht, eine Position zu haben. Und dann versuchen wir so aktiv wie möglich uns dieser Seite zu zu ordnen. Denn wir sind immer noch Menschen, mir Sehnsucht nach Zugehörigkeit. Und die so genannten sozialen Medien spielen mit dieser Zugehörigkeit. Auf der einen Seite täuschen sie uns diese vor, weil wir dort Menschen ähnlicher Interesse sehen, aber damit das eine wahrhaftige Verbindung ist, muss mehr passieren als gute Beiträge zu lesen. Also kann dieses Gefühl hohl werden. Und dann gedeiht das Konstrukt aber dort, wo die "Stämme" des Internets aufeinander treffen uns sich streiten. Denn die Maschine versteht nicht den Inhalt, aber versteht was besonders viel Interaktion schafft. Und darum geht es ja auch.

Du musst nichts sagen. Nicht mal in einem echten Gespräch. Wenn jemand verletzt wird, dann sollte mensch einschreiten, ja. Aber auch dann musst du das nicht mit Inhalten tun, sondern mit Schutz für die Personen, die verletzt werden. Aber ansonsten musst du nichts dazu sagen. Nimm dir deine Zeit. Steh zu deiner Ahnunglosigkeit. Behalte sie nicht. Denn ja, in einer globalen Gesellschaft, betreffen uns auch Dinge, die nicht vor unserer Haustür passieren. Sei aktivistisch, wenn du das kannst, ja. Aber mach es nicht um auf dich selbst zu zeigen. Schärfe nicht dein Profil darüber. Schärfe das Profil der Diskussion. Stärke das Thema.

Und ja, auch das ist natürlich eine Meinung. In einem Blog der täglich veröffentlicht. Das ist ein Kommentar. Und vielleicht tut er etwas für mein Profil, vielleicht tut er etwas für die Diskussionen die du führen musst. Die Linie auf der wir gehen in solchen herausfordernden Themen ist dünn, widersprüchlich und das müssen wir leider aushalten lernen.

Dieser Beitrag ist eine Reaktion darauf, dass ich in sozialen Medien gefragt wurde, warum ich mich zu aktuellen politischen Ereignissen nicht äußere. Und in gewisserweise tue ich das schon auch doch. Weil ich mich auf einer anderen Ebene dazu äußere, was für mich Menschsein bedeutet. Aber da ich in der konkreten Situation nicht lebe, versuche ich sie so wenig wie möglich zu bewerten und zu besprechen. Und ja, hier ist es egal um welche aktuelle konkrete Situation es geht. Ich schaue auf die Reichweite meiner Handlungen und frage mich, welchen realen Einfluss ich auf die Situation habe. Wir mein Beitrag eine Regierung bewegen, ihren Kurs zu ändern? Nicht er allein. Kann meine Kunst Menschen anregen auch aktiv zu werden? Auf jeden Fall. Bin ich dafür wichtig? Nur als Schöpfer, nicht als Projektionsfläche. Was sind meine realen Möglichkeiten? Was kann ich wirklich wissen? Und dann muss ich vielleicht nämlich auch gar nichts sagen, sondern etwas tun.


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