Belohnungen

Ich bin in einen Tunnel gerutscht. Leider nicht in einen guten, denn ich mag einige Tunnel. Nicht nur baulich, sondern auch als Begriff. Denn der Tunnel ist der absolute Fokus in eine Richtung. Es gibt ein klares Ziel und ein Tunnel hilft einem einen schnelleren Weg durch ein Hindernis zu gehen, um das wir sonst drum herum müssten. Der Tunnel blendet aus. Und das ist neutral. Denn zum einen kann es gut sein, die eingehenden Impulse zu senken. Deshalb nenne ich meine entspannten Videospiel-Sessions oft "in den Tunnel gehen". Durch das Reduzieren der Reize und die Gleichförmigkeit der Spiele die ich spiele, komme ich in eine Art meditativen Zustand. Aber so ganz grundsätzlich kann es auch schlecht sein die Außenwelt nicht mehr wahrzunehmen, weil wir dann den Bezug zu unserem Umfeld verlieren.

Ich war auf jeden Fall in einem Tunnel, der leider zunehmen gemacht hat, dass ich mich schlechter fühle. Erfreulicherweise habe ich Unterstützung erfahren, als es drohte noch schwerer für mich zu werden. Und in diesem Fall war es meine Therapeutin, die neben sehr vielen anderen klugen Impulsen die sie mir für meine Situation eben auch gefragt hat, ob ich mich den für eine schwere Sache die ich mache auch belohnen könnte? Wir haben darüber gesprochen, ich aber weiter über Belohnungen nachgedacht.

Denn ich hatte gar nicht bewusst, dass ich schwere Dinge tue. Beim darüber nachdenken musste ich mich aber auch daran erinnern, dass es ja reicht, wenn es für mich schwer ist. Und auch, wenn es nur jetzt schwer ist. In einem Podcast übers Glücklich-Sein und -Werden beschreibt der Fachgast, dass es um Befriedigung zu fühlen eben das Schaffen eine Sache braucht, die für uns herausfordernd ist, aber uns nicht überfordert. Auch andere Bücher die ich lese weisen darauf hin.

Weil ich in meiner Situation aber große Zweifel hatte, war ich mir auch gar nicht sicher, was für mich eine Belohnung ist. Aber das lässt sich ja erforschen. Und als ich eine Liste erstelle, merke ich, dass ich Kriterien für eine gute Belohnung benennen kann. Denn in den letzten Tagen habe ich Sachen gemacht die eine Belohnung sein sollten und mir sonst eigentlich Freude bereiten, aber diesmal nicht funktioniert haben. Woran lag das? Weil die Leistungen und die Erfolge die wir haben auch unterschiedlich sind, also müssen unsere Belohnungen auch verschiedene Dinge können.

Ohne Anspruch, dass es für andere auch so sein muss - weil das habe ich noch nicht erforscht, habe ich vier Kriterien für eine Belohnung erkannt, die wichtig sein können und nach denen ich in meiner Liste bewerten wollte.

Realisierbarkeit
Wie leicht kann ich diese Belohnung umsetzen? Ist das was ich mir als Belohnung für mich überlege überhaupt wirklich machbar? Wenn meine Belohnung zum Beispiel ein gutes Essen ist, dann muss ich mich fragen, ob ich mir das was ich gut finde gerade leisten kann, ob ich da dran komme. Hat das Restaurant offen? Und auch wenn die Belohnung etwas schwerer zu realisieren ist, dann ist das nicht schlimm, aber ich sollte es im Bewusstsein haben und mich vielleicht vorbereiten. Wenn ich mir für die intensive Arbeitsphase einen Urlaub als Belohnung geben möchte, dann kann ist es sinnvoll den schon zu planen und zu buchen, bevor ich meinen Erfolg abgeschlossen habe. Eine gute Vorbereitung kann so sogar die Realisirbarkeit schützen.

Haltbarkeit/Verknüpfung
Beim Nachdenken über Lohn ist mir eingefallen, dass wir in der Chat-Gruppe eines Artist's Circles einen "Trophäenraum" haben. Einen Chat wo wir Erfolge rein schreiben, die wir selbst feiern. Aber irgendwie funktioniert das nicht immer für mich im digitalen. Und meine These war, dass das digitale eben nicht besonders haltbar ist und ich damit auch wenig emotionale Verknüpfung habe, wenn ich das nicht besonders kultiviere. Das ironische an unserem Trophäenraum? Niemand bekommt eine reale anfassbare Trophäe. Die sind nämlich sehr haltbar.
Aber es gibt  weitere Beispiele für Belohnungen, die lange haltbar sind. So gibt es für bestandene Kurse zum Beispiel Zertifikate und Zeugnisse. Zeugnis. Ein Gegenstand der bezeugt, dass ich die Leistung erbracht habe. Und das muss ich mir dann eben nicht merken, mit einem Kopf der eben auch meine Zweifel produziert und dessen Gedächtnis sich nach Gefühlslage ändert. Ein Zeugnis schafft gute Haltbarkeit, weil es immer gleich bezeugt. Aber das können zum Beispiel auch Fotos leisten. Warum nicht einen Selfie mit dem erfolgreich abgeschlossenen Werk machen, ausdrucken und an die Pinnwand hängen? Manche Erfolge brauche das nämlich.

Geschwindigkeit
Dieser Punkt ist eng verknüpft mit der Realisierbarkeit, denke ich. Trotzdem sehe ich da Unterschiede. Denn die Geschwindigkeit hat was mit dem Abstand vom Erfolg zur Belohnung zu tun. Nach erfolgreichem Abschluss meiner letzten Prüfung in der Erzieher*innen-Ausbildung bin ich mit anderen Mitschüler*innen direkt zum Kiosk gegangen und habe ein Getränk gekauft und angestoßen. Eine kleine, nicht sehr haltbare Belohnung, aber eine sehr direkte die den Erfolg bestätigt. Ich habe auch noch später gefeiert dass ich die Prüfung geschafft habe, aber es war eben auch wichtig den Erfolg unmittelbar zu bestätigen. Bei größeren Belohnungen muss für die Geschwindigkeit manchmal eben Vorbereitung betrieben werden.

Sichtbarkeit
In meinem Zimmer gibt es so manche Artefakte. Gegenstände mit Aufladung, die mich eben an geschafftes und schöne Ereignisse erinnern sollen. Wenn ich meinen Raum betrete, kann ich sie sehen. Ich kann mich an Erfolge dadurch erinnen, aber ich muss es eben nicht in meinem Kopf selbst schaffen. Pokale, Poster, Plakate, andere Gegenstände. Es kann gut sein diese Sachen im sichtbaren Bereich und Umfeld zu haben. Klar, wer will kann damit auch angeben, aber vorallem lässt sich damit gut in der nächsten Arbeitsphase die Erinnerung wecken, dass wir ja schon mal Erfolg hatten.

Auf meiner Liste sind bei der Betrachtung Tätigkeiten aufgetaucht, die in sich eigentlich gute Belohnungen sein könnten, aber bei genauerer Betrachtung auch Schwächen haben. Aber das gute ist, dass sich das ja kombinieren lässt. Und deshalb teste ich jetzt für mich ein Tool aus. Denn während Zeugnisse für mich eine tolle Haltbarkeit und Sichtbarkeit haben, kann ich sie nicht schnell haben und muss auch sagen, dass die emotional nicht so viel mit mir machen. Mir aber ein Buch, ein Videospiel oder etwas anderes für einen Erfolg zu gönnen, kann mir schon schnelle einfache große Freude bereiten. Allerdings vergesse ich schnell, zu welche Anlass ich mir etwas gekauft habe. Warum also die Tools nicht kombinieren? Und so schreibe ich ein kleines Zeugnis für mich selbst. Wichtig dabei für mich, zu benennen, was mein (!) Erfolg ist. Denn nachdem ich bei der Künstlerin Mareike Engelke in einer Story eine kleine Figur gesehen habe die "At least I tried" gesagt hat, wurde mir auch klar, dass es wichtig ist darüber nachzudenken, was wir eigentlich erreichen wollen. Also liegt jetz vorne in einem Buch das ich mir gekauft habe ein Zettel mit folgendem Zeugnis:
"Für Konstant und Ausdauer in einem herausfordernden Projekt, belohne ich mich mit diesem Buch." Auf dem Zeugnis ist das Projekt namentlich benannt, meine Unterschrift ist darunter.
Ich glaube sich selbst Zeugnisse und Urkunden ausstellen, auch wenn es etwas Arbeit bedeutet, kann ein guter Weg sein sich etwas haltbar zu machen und sich zu belohnen.

Das Thema "Belohnungen" wird bei mir noch ein wenig weiter mitfahren. Wenn ich dazu etwas finde beim Forschen, teile ich es sicher hier im Blog.

Kommentare

  1. Das ist ein Thema, an dem ich dieses Jahr auch immer mal wieder arbeite.

    Digitale Trophäen sind super gut für mich, weil ich dadurch lerne, Erfolge überhaupt vor anderen zu benennen und sie nicht kleinzureden oder zu relativieren. Sichtbarkeit fällt mir ziemlich schwer, weil immer eine Scham-Hürde mit eingebaut ist, sobald es um eigene Erfolge oder um Stolz geht. Daher hilft mir der Trophäenrsum nach und nach dabei, auch andere Formen von Trophäen/Belohnungen in den Blick zu nehmen und mich darüber zu freuen, statt zu entschuldigen, dass ich auf einen Erfolg von mir stolz bin.

    Es hängt seit Anfang September ein großes Poster über meinem Kunst-Arbeitsplatz, das mich sehr deutlich an einen großen Erfolg aus diesem Sommer erinnert. Und ich war unsicher, ob ich das wirklich tun sollte, oder ob das "zu viel" ist und vielleicht "protzig" wirkt. Allerdings fühlt es sich extrem gut an, täglich daran erinnert zu werden, dass das wirklich passiert ist. In meinem Kopf sind die Zweifel schon wieder so laut geworden, dass es hilft, einen Gegenbeweis zu haben. 😊💚

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    1. Die digitalen Trophäen finde ich auch nicht schlecht, aber sie passen halt für mich leider nicht für alles. Da braucht es dann halt eben auch phyische und optische Erinnerungsstücke. Aber ich bin auch voll der Typ für Artefakte. Hier fliegen noch Steine rum, die ich irgendwann mal als Kind gefunden habe.

      Die Fragen nach "zu viel" und "zu protzig" sind ja von Einflüssen von Außen geprägt. Und das mag ich ablegen. Meine Trophäen sind für mich, nicht für meinen Besuch, meine Gäste, meine Freund*innen. Ich will mich feiern und wenn auch ich es gut finde Erinnerungen mit Menschen zu schaffen und sich feiern zu lassen, am Ende ist es halt für meine Wirksamkeit und nicht für deren Gefallen. Weil an der Frage geht in meinem Kopf jede Trophäe kaputt.

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