Ich packe meinen Koffer

Ich packe meinen Koffer und nehme ein paar gute Fragen mit.

Denn eine gute Frage ist für immer, eine gute Antwort ist nur für den Moment. Eine gute Frage hat unbegrenzte Haltbarkeit, weil sie immer wieder so spannenden und neuen Ergebnissen führt, eine Antwort fängt vielleicht gut an, aber wenn die Zeiten sich ändern, ist sie potentiell nicht mehr richtig. So hatten wir historisch mal gedacht wir hätten eine gute Antwort darauf, wie Gender aufgeteilt sind, wie Arbeit gut funktionieren kann, wann wir in Rente gehen und und und und und. Und viele der Antworten passen nicht mehr und waren vielleicht sogar schon damals gar nicht so gut, haben aber Leuten gut gefallen, die sich an etwas festhalten wollten. Denn eine Antwort, die macht etwas fest. Eine Frage, die macht etwas lose.

Ich packe meinen Koffer und ich nehme ein paar gute Fragen mit und eine davon ist "Was brauchst du gerade?"

Die Frage öffnet das Gespräch darüber, welche Bedürfnisse gerade im Raum stehen. Wo andere Fragen auf die Gefühle schauen - und auch die sind wichtig zu haben - sind die Bedürfnisse so selten erfragt. Und dabei sind die Bedürfnisse so oft die Ursache für unsere Gefühle, aber bei uns allen oft sehr ähnlich, aber eben in den Feinheien auch unterschiedlich geschaltet. So kann das selbe Bedürfnis uns allen verschiedene Emotionen machen, aber die Auflösung des Bedürfnisses für uns alle gleich sein. Um das heraus zu finden müssen wir uns austauschen. Und das schafft eine offene Frage sehr gut. Und wenn sie auch nur den Prozess eröffnet, dass wir in uns selbst reinhorchen.

Ich packe meinen Koffer und ich nehme ein paar gute Fragen mit, eine ist "Was brauchst du gerade?" und eine andere ist "Wo könnte ich falsch liegen?"

Wenn wir in Störungen, Konflikten, Emotionen, Streit, in schwierigem Fahrwasser sind, dann reagiert ein Teil von uns, der ganz ursprünglich dafür da war unser Überleben zu sichern. Aber ging es damals noch darum den großen Gefahren der Natur zu entgehen, sind diese System in uns heute oft nicht gut kalibriert. Und so reagieren wir möglicherweise auf kleinste Ablehnungen oder Misserfolge mit der Angst, dass wir aus dem Kollektiv ausgestoßen werden könnten, was in Urzeiten das sichere Ende gewesen wäre. Diese Welt ist nicht für uns gemacht um sie alleine zu überleben. Wir sind Nesthocker, wir sind abhängig von anderen und das ist eine deutliche Nachricht an uns und unsere Lebensweise. Wenn wir mit anderen in Konflikt stehen und sie mit uns streiten, ist das ironische ja, dass sie uns auf unserer Seite haben wollen. Und jedes neue Wissen, jede neue Sichtweise fängt automatisch als Widerstand gegen etwas altes an. Aber manchmal ist das alte eben nicht mehr passend und manchmal vertreten wir einen Standpunkt der aus einer veralteten Sicht kommt.
Aber selbst wenn wir das nicht tun, kann es gut sein sich darauf vorzubereiten, welche Argumente Menschen gegen uns bringen könnten. Es ist hilfreich für die Standfestigkeit der eigenen Haltung sich zu fragen: Unter welchen Umständen könnte meine Idee, mein Handeln und meine Überzeugung schädlich sein? Vielleicht sogar "falsch" sein, gemessen an den Dingen, die uns wichtig sind und die wir erreichen wollen.

Ich packe meinen Koffer und ich nehme ein paar gute Fragen mit, "Was brauchst du gerade?", "Wo könnte ich falsch liegen?" und dann die magische Frage "Wenn ich alles haben könnte was ich gerade will, was könnte das sein?"

Solche Fragen werden als magisch bezeichnet, weil sie einen Moment lang die Realität ausschalten. Wenn ich jetzt unbegrenzt Geld hätte, was würde ich tun? Wenn ich fliegen könnte, wohin würde ich fliegen? Wenn das unmögliche möglich wäre, was wäre dann für mich spannend? Und das gute an magischen Fragen ist, dass wir daran herausfinden können, wie was uns in der Realität dazu fehlt, das -jetzt- unmögliche eben doch zu erreichen. Und manches wird vielleicht auch unmöglich bleiben, aber aus dieser Frage heraus lässt sich manchmal eben finden welche Schritte es braucht. Und so findet mensch die Grundlagen, was zu tun ist.
So weiß ich, dass ich in meinem Leben noch nach Japan fliegen möchte und dort reisen und mit den Menschen reden. Und jetzt gerade ist das für mich aus vielen Gründen unmöglich, aber weil ich meinen Wunsch erkannt habe, sammel ich bewusst und unbewusst schon Informationen. Ich spreche mit Menschen, die schon solche Reisen gemacht habe, schaue mir Bücher und Videos an. Ich baue das Fundament dafür, dass es möglich wird. Auch ein Buch zu schreiben hätte ich mir nicht zugetraut, aber immer gewünscht. Aber jeden Tag ein paar Sätze schreiben, das ging für mich. Und jetzt habe ich genug Material in meinen Notizen und in Blogartikeln, dass ich schon leicht mehrere Bücher sinnvoll füllen könnte. Aber angefangen hat es mit einem "unmöglichen" Traum.

Ich packe meinen Koffer und ich nehme ein paar gute Fragen mit, "Was brauchst du gerade?", "Wo könnte ich falsch liegen?" , "Wenn ich alles haben könnte was ich gerade will, was könnte das sein?" und dann die Zeitreise-Frage: "Was würde mein zukünftiges Ich gerne erinnern, dass ich es jetzt gemacht habe?"

Gelernt aus einem bewegenden Interview mit einem Mann, der seine Halbgeschwister adoptiert hat als sie Hilfe brauchten. Er wurde gefragt, warum er es gemacht hat. Seine Antwort war, dass sein aktuelles ich das abgelehnt hätte, weil das Leben sich schon schwer angefühlt hat, aber er dann darauf geschaut hat, ob er glaubt, dass er sich in Zukunft verzeihen könnte, wenn er wissenderweise die Hilfe nicht gegeben hätte. Und dann hat er auf sein zukünftiges Ich als Berater gehört, denn er wollte, dass es dieser Version von ihm gut gehen kann. Und das ist eine Art kleine mentale Zeitreise. Ich gehe in eine mögliche Zukunft von mir und frage mich selbst, welche Entscheidung ich wohl am ehesten bereuen würde.
Mich hat diese Frage dazu gebracht viele impulsive und spontane Entscheidungen einfach zu lassen. Weil ich zwar Möglichkeiten hatte, sie aber keine Bedeutung hatten. Und das hat eine Form der Selbstliebe in sich, denn ich nehme in den Blick, dass diese halb-externe Person, mein Zukunfts-Ich, es mal besser haben soll. Also helfe ich jemandem. Und das ist manchmal einfacher, als etwas für sich selbst zu tun, denn da kommt manchmal der Gedanke auf, wir hätten das nicht verdient.
Die Frage ist natürlich ein Gedankenspiel und funktioniert nicht für alle Menschen, für mich hat sie aber viel bewirkt. Sie ist mit ein Grund, warum ich verschwinden wenig Alkohol trinke und auch andere schlechte Angewohnheiten besser fallen lassen konnte.

Ich packe meinen Koffer und ich nehme ein paar gute Fragen mit, "Was brauchst du gerade?", "Wo könnte ich falsch liegen?" , "Wenn ich alles haben könnte was ich gerade will, was könnte das sein?" , "Was würde mein zukünftiges Ich gerne erinnern, dass ich es jetzt gemacht habe?" und "Was kannst du (der Gemeinschaft) schenken?"

Nesthocker, Rudeltier, ohne die Gemeinschaft können wir eben nicht überleben. Auch in modernen Zeiten nicht. Sicher wird nicht jede Person für uns individuell eine Bedeutung haben, aber dann gibt es eben einen Haufen fremder, die etwas für uns tun. Und wenn auch der Kapitalismus tief greift, das müssten sie nicht tun. Es gibt Leute die uns gerne mit dem Bus wo hin fahren, die Strom produzieren, die ihren Hundekot von der Wiese einsammeln, auf der vielleicht auch mein Kind spielen will. Und das sind relativ kleine Handlungen, aber manches davon hat in der Masse Wirkung, anderes erlaubt uns wiederum uns nach unseren Möglichkeiten und Wünschen einzubringen. Und dann kann es gut sein, unabhängig vom Job, sich zu fragen, was mensch selbst eigentlich gerne schenken und geben mag. Und das kann sein, dass wir andere zum Lachen bringen. Oder "jeden Tag eine gute Tat". Oder ein Stück Müll jeden Tag aufheben das wir in der Natur sehen. Aber es kann natürlich auch größer sein. Es kann sein, dass wir gegen Ungerechtigkeiten kämpfen uns schützend vor Menschen stellen, die selbst nicht kämpfen können. Das wir Zuhören wo sonst nicht zugehört wird. Das kann vielschichtig sein und es sollte von uns selbst kommen. In der Haltung des "Ikigai" und der Philosophie dahinter geht mensch davon aus, dass dies zu Frieden, Momenten des Glücks und damit auch zu einem langen Leben führt. Neben anderen Faktoren.

Ich packe meinen Koffer und ich nehme ein paar gute Fragen mit, "Was brauchst du gerade?", "Wo könnte ich falsch liegen?" , "Wenn ich alles haben könnte was ich gerade will, was könnte das sein?" , "Was würde mein zukünftiges Ich gerne erinnern, dass ich es jetzt gemacht habe?", "Was kannst du (der Gemeinschaft) schenken?" und von den Stoikern "Was kann ich beeinflußen?"

Eine moderne Version einer Übung der Stoiker aus der Antike ist: Alles aufschreiben was einen gerade nervt oder stört oder belastet. Und dann alles unlesbar wegstreichen, was mensch nicht selbst und aus eigener Kraft gerade verändern kann. Die Idee dahinter ist zum einen zu lernen wo die Grenzen der eigenen Möglichkeiten sind, aber sich auch ein klares Bild zu schaffen, wofür mensch selbst überhaupt Verantwortung übernehmen kann. Das Reiche Menschen das System ausbeuten finde ich zum Beispiel super scheiße, aber da ich keinen direkten Zugang zu irgendjemanden von den Reichen habe, kann ich da erstmal nichts tun. Aber das Politiker*innen da so okay sind mit nervt mich auch, aber auf die Politiker*innen habe ich über mehrere Wege einen Kontakt und Zugang, da kann ich etwas tun. Aber auch kleinere Dinge können auf dieser Liste auftauchen und sortiert werden. So fällt es mir dann immer wenn ich das mache leichter die Dinge zu erkennen, die ich an einem Tag auch wirklich als To-Do angreifen kann. Denn bei manchen Sachen sind andere zuständig oder ich habe keine Macht darüber oder ich muss einfach warten.

Ich packe meinen Koffer und ich nehme ein paar gute Fragen mit, "Was brauchst du gerade?", "Wo könnte ich falsch liegen?" , "Wenn ich alles haben könnte was ich gerade will, was könnte das sein?" , "Was würde mein zukünftiges Ich gerne erinnern, dass ich es jetzt gemacht habe?", "Was kannst du (der Gemeinschaft) schenken?","Was kann ich beeinflußen?" und "Kann ich wiedergeben was mir erzählt wurde?"

Ja, dass dieser Artikel dieses Spiel beinhaltet ist eine Anspielung auf diese Frage. Und es ist eine wichtige Frage. Denn wir sind uns oft sehr sicher, dass wenn wir etwas hören, wie es verstehen. Und dabei checken wir nicht in wieviele innere Filter und Haltungen das gesagte eine anderen Person gefallen ist. Eh wir es bemerken, ist aus dem was uns eine andere Person erzählt gar nicht mehr deren Geschichte, sondern unser Erlebnis geworden. In vielen Schulen der empathischen und guten Kommunikation wird daher empfohlen mit der Person mit der wir reden die wichtigsten Punkte zu wiederholen, sie zu benennen, in eigenen Worten zusammen zu fassen und damit den Prozess zu eröffnen zu verhandeln, ob sich alle Seiten verstanden fühlen. Dafür ist es wichtig erstmal eine ganze und vollständige Darstellung gehört zu haben und dann daraus Schlüsse zu ziehen. Denn jede Einmischung verändert die Flugbahn eines Gesprächs. Es gibt viele - wissenschaftliche - Hinweise darauf, dass das Wiederholen der Inhalte und Erzählungen von anderen Personen eine größere Empathie schaffen und auch die Verbindung stärken, sogar zwischen sich fremden Menschen. Wenn uns also Präzision in der Sprache wichtig ist oder auch dass wir uns verstanden fühlen wollen, dann kann es gut sein diese Praxis im Umfeld zu kultivieren.

Wir packen unseren Koffer und wir nehmen alle guten Fragen mit, "Was brauchst du gerade?", "Wo könnte ich falsch liegen?" , "Wenn ich alles haben könnte was ich gerade will, was könnte das sein?" , "Was würde mein zukünftiges Ich gerne erinnern, dass ich es jetzt gemacht habe?", "Was kannst du (der Gemeinschaft) schenken?","Was kann ich beeinflußen?", "Kann ich wiedergeben was mir gesagt wurde?" und welche Frage möchtest du einpacken?

Kommentare

  1. Anonym9.4.24

    Krass. Das ist ein richtiges Brett und ein geniales Nachschlagewerk für gute Fragen. Geil. Direkt mal nen Bookmark dran machen. 🫶

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    1. Und mir sind noch mehr eingefallen inzwischen. Es wird also wohl noch mehr dazu geben.

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  2. Anonym9.4.24

    Nur eine Frage... Warum ist es hier so hell, auf einmal? Da muss ich ja die Augen kneifen beim lesen am Morgen. 😆

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    1. Es ist so hell, weil ich nach konstruktivem Feedback von einem Kunstkollegen mein Design nochmal überprüft und erneuert habe. Und wenn auch viele Menschen gerne "darkmode" mögen, ist es so für den Lesekomfort besser. Sorry fürs wach brennen der Augen. ;)

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    2. Anonym10.4.24

      Naaa gut. Ich gewöhn mich bestimmt DRAN. ;) (sage ich, mit müde zugekniffenen Augen. XD )

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