Wenn wir auf unsere Mentor*innen schauen

Eine Art Definition was Mentor*innen sind habe ich vor einiger Zeit schon angeboten. Es gibt allerdings einen Aspekt bei Mentor*innen, den ich sehr wichtig finde und in der Selbstansprache derer sehe und ableite, die ich als meine Mentor*innen sehen kann.

Mentor*innen sind keine Superheld*innen. Egal ob es ein Vorbild ist, jemand der uns aktiv coacht, jemand der uns herausfordert und Impulse gibt oder eine Mischung aus alle dem: Niemand von diesen Menschen ist fehlerfrei oder eine exakte Schablone für uns selbst und unsere Karriere. Es ist sehr gut und sinnvoll Mentor*innen zu haben, aber vorallem aus dem Grund heraus, weil sie auch der Beweis dafür sind, dass Dinge eben bewältigt werden können.

Ich erlebe es manchmal, dass Mentor*innen und Coaches an den Tipps, Ratschlägen und Empfehlungen gemessen werden, die sie selbst anderen geben. Da wird uns zum Beispiel empfohlen, jeden Tag unsere Kunstform zu üben, aber unser*e Mentor*in macht das selbst gar nicht so. Da kann es schon sein, dass wir uns betrogen fühlen. Unser Coach empfiehlt eine Methode um Ziele zu setzen, macht es selbst aber anders. Warum wird etwas empfohlen, wenn also scheinbar was anderes besser ist? Unser Vorbild lebt einen hohen Standard vor, zum Beispiel beim Umweltschutz, fliegt dann aber in den Urlaub oder oder oder...

Das einfachste Argument ist, dass natürlich auch unsere Mentor*innen nur Menschen sind und mal Ausrutscher machen dürfen oder eine Tiefphase haben dürfen. Aber dieses Argument geht für mich noch ein bisschen weiter in die Tiefe. Denn wenn unser Vorbild eine bestimmte Eigenschaft hat, dann müssen wir uns vielleicht auch fragen, warum er/sie/they diese überhaupt erlernt hat?

Einer meiner Mentoren über die große Distanz ist der mehrfach erwähnte Podcaster und Sportler Rich Roll. Er ist ein großer Sprecher für mentale Gesundheit, für einen reflektierten Lebensstil, Selbstaktualisierung und eigene Entwicklung. Er spricht offen über seine Stärke, Schwächen und seine Geschichte. Und so wurde mir recht schnell klar, dass er Experte für diese Dinge ist, weil sie ihn stetig herausfordern. Der ehemalige Alkoholiker der in seinem alten Beruf unglücklich war und Burnout erlebt hat, seine damalige Ehe ruiniert hat - seine Worte - und jetzt aber glücklich ist, der hat dazwischen einen langen anstrengenden Weg gemacht. Mit Therapie, mit viel Zeit, mit viel harter Arbeit, mit Prozess, hat Rich seinen Weg gemacht. Mein Merksatz und meine Übersetzung von so einer Geschichte, während ich da bildlich auf Sport gucke ist: Jede*r die jetzt sehr stark sind, sind da, weil sie mal sehr schwach waren und das ändern wollten. Jetzt ist Krise und mentale Krankheit im Leben natürlich nicht Schwäche, aber es ist trotzdem war, dass wenn wir jemanden als Vorbild sehen, dass oft Menschen sind, die das Glück hatten ihre Herausforderungen zu bestehen und sie sehen für uns stark aus. Das bedeutet aber nicht, dass sie für immer alle ihre Schemata die schädlich waren abgeworfen haben, sondern, dass sie die im Griff haben. Hoffentlich.

Sachen im Griff haben, das bewegt sich in Wellen. Das gilt für uns, das gilt für Mentor*innen. Mal haben wir viele Herausforderungen und uns gehen unsere besten Ideale ein bisschen aus dem sicheren Griff, und dann sind die Sachen manchmal sehr einfach und wir können in unserer besten Version auftreten und uns zeigen.

Es ist sinnvoll sich zu hüten, aus seinen Mentor*innen unumstößliche Figuren zu machen, deren Erwartungen die wir an sie haben vielleicht niemand mehr gerecht werden kann. Gandhis Überzeugung gegen Gewalt basiert auch darauf, dass er Arzt beim Militär war zuvor. Barack Obama hatte Angst in der Öffentlichkeit zu reden. Van Gogh hat seine Kunst zu großen Teilen in der Zeit gemacht, die er in psychatrischer Betreuung war. Es ist wichtig unsere Vorbilder als Ergebnisse eines Prozesses zu sehen, den wir selbst vielleicht noch durchlaufen müssen und nicht überspringen können.

Kommentare

  1. Anonym20.4.24

    Unterschreibe ich so. Und es liegt auch in der Natur der Sache, dass manche Ratschläge im Außen, für andere, viel leichter von der Hand gehen, weil das Bild klarer (und nicht von eigenen Gefühlen oder Erfahrungen vernebelt wird). Das ist ja auch oft der Zaubertrick, dass mensch Tipps geben kann und erst dabei (oder vielleicht erst später) merkt, dass sie auch auf sich selbst anwendbar sind. Aber zu uns selbst haben wir eben nicht diesen Abstand und die Klarheit. Das hilft mir dabei, nicht so hart zu urteilen, wenn Dinge widersprüchlich oder inkonsequent (oder unehrlich) wirken. Mit solchen Bewertungen halte ich mich mittlerweile auch zurück, seit ich mehr Empathie dafür habe, dass Menschen eifnach auch Fehler machen dürfen (und müssen) und das gut so ist. Auch das fällt mir im Außen natürlich leichter als für mich selbst, aber es fällt auf mich zurück und hilft mir dann auch, milder mit mir selbst zu sein. Liebe und Verständnis für den Fortschritt und das Leben anderer ist schon auch ein Weg, wie man (quasi "über Bande gespielt") etwas für sich selbst zu kann. Das hilft mir, im Kopf zu haben, wenn ich mal wieder irritiert bin, weil etwas auf den ersten Blick unplausibel aussieht.

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