Analog
Seit einiger Zeit trage ich wieder Armbanduhren. Auch in meinem Zimmer steht eine analoge Funkuhr, die ich von überall aus sehen kann. Eigentlich sollte sie auch mal meinen Wecker im Handy ersetzen, das gelingt aber nicht so gut, weil ich die Uhr nicht mitnehme, wenn ich auswärts übernachte(n muss). Dass ich diese Uhren nutze ist Teil einer Reihe von Entscheidungen, die mich vom Handy wegbekommen sollen und da Gewohnheiten verändern. Denn wenn ich am Handy auf die Uhr schaue, dann schaue ich auch oft nochmal in meine Messenger und noch eben schnell in Instagram und dann schneidet es mir wieder Zeit aus dem Tag, was ich eigentlich nicht will, aber die Impulskontrolle ist etwas zu gering bei mir.
Die Armbanduhren und anderen Ziffernblattuhren zeigen Wirkung, ich schaue immer weniger aufs Handy, auch wenn ich unterwegs bin halte ich es besser aus Leerlauf zu haben, auch ohne mich von Medien berieselen oder überschreiben zu lassen. Allerdings ist auch mein Zeitgefühl wieder besser geworden. Ich bin wieder pünktlicher und schaffe mehr in weniger Zeit. Das wird sicher nicht nur an den Uhren liegen, aber eben auch.
Denn während ich bei den digitalen Uhren, eben wie ich sie auf dem Handy habe, zwar auch die Zeit wahrnehme, fällt es mir mit dem optischen Hilfsmittel des Ziffernblattes irgendwie leichter einzuschätzen, wieviel Zeit ich noch habe, vielleicht weil es mir optisch leichter fällt eine ganze Stunde besser für mich gedanklich zu portionieren. Das gelingt mir am Handy nicht so gut. Irgendwie sind 15 Minuten auf dem Ziffernblatt eine andere Zeit als auf dem Handy.
Das ich auch wieder ein Fan vom analogen Schreiben und Lesen bin, dass dürfte Menschen die mich kennen oder den Blog mitverfolgen überhaupt kein Geheimnis sein. Ich betreibe mit großer Freude Notzibücher, aber schreibe auch in die Bücher die ich lese. Es hilft mir eher mir merken zu können, was da los war. Ich glaube oft, es hat etwas mit den sensorischen Reizen zu tun. Denn das Display von meinem Handy und die Bewegungen fühlen sich eigentlich immer gleich an, auch wenn ich verschiedene Dinge tue. Auf die Uhr gucken, eine Notizanlegen, etwas in den Kalender eintragen (ja, betreibe ich auch wieder analog und handschriftlich), ein Spiel spielen, im Internet rumhängen, am Handy ist alles gleich. Finger auf glatter Oberfläche.
Dass das sensorische Teil von Lernerfolgen sein kann, das haben wir sicher. So gibt es so etwas wie ein Bewegungsgedächtnis, dass uns erlaubt bestimmte Handgriffe zuverlässig abzurufen ohne darüber nachzudenken, nur weil wir es geübt haben. Und wann unser Essen gut oder verbrannt riecht ist auch ein klarer sinnlicher Marker. Davon gibt es reichlich und viele. Und einige davon helfen uns eben, uns besser zu erfahren und zu verstehen.
Das Digitale hat auch seine Vorzüge, das soll hier kein Aufruf zur Abwendung von Technologie sein. Ganz im Gegenteil. Es ist die Werbung dafür, beides nebeneinander zu packen und die Vorteile von beidem immer zur Verfügung zu haben. So werden aus meinen handschriftlichen Notizen eben auch Blogartikel die ich teilweise am Handy schreibe, so nutze ich meine Uhren und mein Handy gemeinsam um meine Zeiten im Blick zu haben. Es kann sinnvoll sein, seine zur Verfügung stehenden Technologien nebeneinander zu packen, denn wenn wir genau sind, sind als diese mechanischen oder analogen Werkzeuge ja auch mal erfunden worden. Was anderes bedeutet Technologie ja erstmal nicht.
Meine nächsten Anschaffung wird übrigens wohl ein Metronom, weil ich an meiner Arbeit mit Rhytmus und Takt in meinen Spoken Word Stücken arbeiten möchte. Und ich weiß, dass es da auch Apps für gibt, aber ich glaube ich möchte es im Raum stehen haben und darauf schauen können. Sorry Marie Kondo, ich werde mir weiter die Hütte mit Kram voll stellen, den ich sehen und anfassen und erleben kann.
<3
AntwortenLöschenDen sensorischen Part dazu find ich spannend. Ich bemerke viele der Vor- und Nachteile bei mir auch, die du beschreibst. Aber über die Handlungen, die sich da auch unterscheiden, hab ich so nicht nachgedacht. Danke dafür.
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