die Hektik kurz vorm Ende

Es fehlen nur noch ein paar Absätze, aber es ist auch nur noch eine Stunde Zeit. Morgen ist der Event, aber ich hätte gerne noch neues Material mit auf der Bühne. Ich habe auf die Uhr geschaut und in einer halben Stunde ist Feierabend, ich würde aber gerne noch ein paar Sachen schaffen, also mache ich das eben schnell.

Als ich Senden drücke, sehe ich den Fehler. Als ich auf der Bühne stehe, merke ich wie unreif der Text noch ist, falls ich ihn überhaupt fertig bekommen habe, weil ich im Stress der Last Minute Aktion nicht in Paralyse gefallen bin. In den Emails die ich gestern noch verschickt habe, ist die Rechtschreibung Mist, aber ich habe auch gemerkt, dass ich dafür gar nicht eine Mail hätte schreiben müssen.

Kurz vor einem Ziel oder einer Schwelle zu sein, dass erhöht irgendwie den Druck. Vielleicht, weil es der Sweetspot fürs Dopamin ist. Dopamin ist ja das Hormon das uns gute Laune macht, wenn wir auf dem Weg sind etwas zu schaffen. Und eine Aufgabe oder einen Arbeitstag beenden, dass ist ein sicherer Weg zum Dopamin. Leider macht Dopamin aber nicht zwingend, dass wir besser, konzentrieter arbeiten. Und Stress und Hektik machen das schon mal gar nicht.

"Torschlusspanik" ist ein Begriff der da in den Sinn kommt. Historisch daher, dass früher die Stadttore zu einer bestimmten Zeit geschlossen wurden und dann nicht mehr geöffnet, ging es um den empfundenen Druck, ganz dringend vorher zurück in Sicherheit zu sein. Der Begriff kann darüberhinaus auch bedeuten, die Sorge zu haben, etwas zu verpassen, zum Beispiel im eigenen Leben. So stürzen sich Menschen übereilt in Beziehungen, weil sie dann ja auch bald nicht mehr in einem guten Alter sind zu heiraten oder Angst davor haben, alleine bleiben zu müssen. Als ein Beispiel.

Die Torschlusspanik kann bei Künstler*innen auch aufkommen. Zum Beispiel weil da der (Irr-)Glaube aufkommt, mensch wäre zu alt um etwas zu tun. Zu alt um noch ein Debüt zu machen. Und auch nicht nur zu alt. Auch andere "zu sehr"s blockieren uns darin anzufangen oder bewirken, dass wir Sachen überstürzen. Dabei ist es wichtig sich klar zu machen, das die "Zu sehr"s aber für gewöhnlich Vorurteile sind, die wir erlernt haben. Weil wir mit den Ängsten von anderen Menschen konfrontiert wurden, die sich eben nicht mehr trauen. Selten gibt es faktische Hinweise dafür, dass wirklich etwas "zu sehr" war, als das es Menschen aufgehalten hätte.

Torschlusspanik macht, dass wir Fehler machen oder nicht weiter oder noch schlimmer nie anfangen. Dabei sollten wir uns kurz ausbremsen und wieder regulieren. Denn wir sind besser, wenn wir nicht hektisch sind. Wir sind besser, wenn wir keine Angst haben. Wir sind besser, wenn wir den Fokus darauf haben, was wir eigentlich jetzt gerade machen wollen.

Ein Künstler-Kollege hat mir neulich in einem Chat gesagt, dass er sich immer fragt: "Will ich das?" und das fragt er sich drei Mal, immer mit der Betonung auf einem anderen Wort. Und aus den Antworten daraus leitet er ab, wie er dann weiter macht. Wenn also die Hektik an die Tür hämmert, weil wir denken, wir müssten jetzt noch etwas tun, dann ist es gut zu erkennen ob es gewollt ist, ob es von mir gewollt ist und ob es das richtige ist, was ich gerade will.

Und dann macht ihr eure Sache. Denn auch wenn die Zeit vielleicht knapp wirkt, wir wissen gar nicht ob wir zu spät sind.

Kommentare

  1. Anonym28.4.24

    Heftig. Mir fallen dazu extrem viele Beispiele ein. Auch in Beziehungen oder Gesprächen oder so. Da muss man manchmal rausgehn, durchatmen und wiederkommen. Wenn man entspannter ist, sind Gespräche ganz anders möglich als unter Druck und im Affekt.

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