Leider gar nicht mal so gut
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Um dieses Buch geht es mir. Das Kunst Buch ist eines von vielen in der Reihe "Big Ideas" vom DK-Verlag. Eine Buchreihe die ich wirklich gerne mag, weil diese Bücher als Nachschlagewerke kompakt und gut verstänlich die Theorien verschiedener Fachbereiche bearbeiten. So habe ich mit großer Begeisterung das Psychologie-Buch und das Soziologie-Buch gelesen, als wären es reguläre Bücher und keine kleinen Lexika. Daraus gelernt habe ich viel, es in meiner Ausbildung nutzen können und aus einigen der Inhalte wichtige Ableitungen für weiteres Lernen, aber sogar Veränderungen in meinem Leben machen können. Das macht natürlich eine unrealistisch hohe Erwartungshaltung an jedes weitere Buch des Verlages, welche ich besitze. Aber an meinen hohen persönlichen emotionalen Erwartungen ist dieses Buch gar nicht gescheitert. Ich würde eher sagen, dass es an einem Blickwinkel-Problem der Wissenschaft gescheitert ist, aber ärgern wir uns kurz erst über deutsche Kultur.
Wenn wir im deutschsprachigen "Kunst" sagen, dann meinen wir zwei Dinge:
Zum einen Bilder und Skulpturen. Im Kunstunterricht wird gemalt und gebastelt. Im Kunstmuseum hängen Gemälde. Kunst ist Pinsel, Farbe, Tusche, Picasso, Van Gogh, Banksy, wenn wir sehr mutig sein wollen.
Zum anden meint Kunst alles: Schauspiel, Theater, Film, Musik, Malerei, Tanz und alles was sich eben als künstlerische Leistung und Schöpfungen erkennen lässt.
Kunst meint also oft einen konkreten Bereich, aber auch alle Bereiche. Das ist sprachlich verwirrend und hilft so einem Buch im Titel nicht in der Kantenschärfe. So weiß mensch nur, dass die Literatur hier keine Rolle im Buch spielt, wenn das dazu bestehende Nachschlagewerk vom selben Verlag unmittelbar daneben steht. Ich mag das nicht und ich hätte es voll in Ordnung gefunden, wenn hier vom Buch der "bildenen Kunst" gesprochen worden wäre. Auch wenn ich selbt da noch Verwechslungsgefahr mit dem Wort der "Bildung" immer wieder sehe.
Wenn wir allerdings wissen, dass es um die bildenen Künste in der gesamten Weltgeschichte geht, dann finden wir hier einen Haufen spannender Ressourcen und Einordnungen in Epochen und Bewertungen nach Einfluss und Auswirkung von bestimmten Werken und Künstlern nach Wichtigkeit. Das sieht alles toll und wissenschaftlich gearbeitet aus, so fern ich das als Laie beurteilen kann. Ich habe mich bei Lesen die meiste Zeit gut informiert gefühlt und als würde ich etwas dazu lernen.
Oh, hupps. Da habe ich im vorherigen Absatz das Gendern vergessen. Oder? Leider nein. Bei der Auswahl der präsentierten Kunstwerke und ihrer relevanz für die Kunstgeschichte kommen in diesem Buch Frauen und nicht-männliche Personen fast gar nicht vor. Einen Artikel, der Kunst einer Frau zeigt, in der die Rolle der Frau in der Gesellschaft und in der Kunst kritisch betrachtet wurde, hat es ins Buch geschafft. Ein paar kurze Absätze an den Kapitelenden wo quasi "ehrenhafte Erwähnungen" passieren beinhalten zwar auch Frauen, aber im Kern ist dieses Buch die Kunstgeschichte der Männer. Und auch Frauen die Motiv der Kunstwerke sind, werden in der Besprechung und Rezension immer wieder auf Sexualität zurück geführt, als gäbe es keine anderen Gründe eine weibliche Figur abzubilden. Einige dieser Bewertungen stellen sich bei Internetrecherche dann auch als wissenschaftlich angefochten und streitbar heraus. Dass es dann darüber hinaus auch kaum Kunst vom afrikanischen Kontinent in diesem Buch gibt, zeigt ein weiteres Problem von "Gaze" auf.
Gaze? Was bedeutet das? In der inhaltlichen Kritik wird oft von der "Male's Gaze" z.B. gesprochen, wo alle Bewertungen und Erzählungen immer aus der Perspektive von männlichen Personen geschaffen werden. Mensch zu sein, bedeutet eine begrenzten Blickwinkel zu haben. Das ist nicht zu verhindern. Aber wenn es dann um eine Abbildung einer Geschichte, wie zum Beispiel die Geschichte der Kunst geht, sollte es möglich sein den Blickwinkel der Verleger*innen und Verfasser*innen des Buches und der Beiträge zu verlassen. Dass nämlich in einer sehr geschlossenen gleichförmigen Gruppe bei einem Brainstorming alle zu recht ählichen Ergebnissen kommen, wer denn jetzt erzählenswerte Künstler*innen sind, ist nicht so überraschend. Zu mal, wenn wir uns die Geschichte anschauen, aber auch das Zitat "Die Geschichte wird von den Gewinnern geschrieben" müssen wir davon ausgehen, dass auch die Überlieferungen über Kunst immer beinflusst waren von den Umständen der historischen Figuren. Auch wichtige Künstler der Geschichte haben zum Beispiel Frauen zu Objekten degradiert und ihre Werke entwertet. Der gefeierte Künstler Hopper in den U.S.A. hat zum Beispiel seine Frau vom Malen und dem Erfolg abgehalten, sie in die Rolle seiner Managerin geschoben, ein Fakt, der jetzt erst zunehmend publik wird. Dass also so ein Buch eine alte Bias - also Vorurteile - der Kunstgeschichte weiter verlängert, hat mich dann doch schon sehr geärgert. Dass es nämlich ein massiv unvollständiges Bild - hrhr - abgibt, zeigt sich an Büchern wie Susie Hodgens "Die Künstlerinnen", in dem genau dieser Missstand der Ignoranz gegen über Frauen in der Kunst kritisiert und korrigiert wird.
Mir bleibt also ein fader Beigeschmack bei der Lektüre dieses Buches, wenn auch sich darin viele spannende Fakten befinden, über einen Ausschnitt der Kunstgeschichte. Im Regal werde ich es trotzdem stehen haben und trotzdem immer mal wieder als Nachschlagewerk nutzen, während ich aber auch froh bin, ausgleichende weitere Literatur zu haben.
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