Öffnungszeiten

Wenn ich die meiste Zeit meines Tuns mit dem Beantworten von Emails verbringe, bin ich dann ein Künstler oder die Bürokraft einer Person die nur ein bisschen Kunst nebenher macht? Wenn ich meine Zeit zu großen Teilen damit aufwende meine Sachen in Social Media zu platzieren, bin ich dann ein Künstler oder das Marketing der Person, die immer mal wieder ein wenig Kunst macht?

Als Künstler*in oder auch mit anderen Projekten die wir verfolgen, sind wir sehr häufig mehrere "Jobs" in Personalunion. Denn solange wir nicht das Geld haben oder in die Hand nehmen um jemand anderen damit zu beauftragen, müssen wir all diese anderen Bauteile die eben auch zu unserer Arbeit gehören selbst machen. Und so sind wir dann manchmal eben nicht nur Künstler*innen, sondern auch Social Media Manager*in, Therapeut*in, Köch*in, Fahrer*in, Marketing, Verwaltung und Büro unseres künstlerischen Anteils. Und eh mensch sich versieht, kippt unsere Tätigkeit von der eigentlichen Kunst dazu, dass wir die meisten Zeit mit dem anderen Kram verbringen.

Und mancher von diesem anderen Kram ist auch sehr sehr gut darin, deine Aufmerksamkeit und Zeit zu binden. Denn wir bekommen für alles eine Benachrichtigung und wir denken oder bekommen beigebracht, dass wir schnell auf alles reagieren müssen. Und ja, manchmal mag das sogar stimmen. Auf manche Nachrichten müssen wir schnell antworten, weil es um spontane Gelegenheiten geht, aber bei wiederum anderen sollten wir die Zeit haben gut überlegen zu können, damit wir eine gut durchdachte Entscheidung treffen können. Dafür müssen wir unser eigenes Tempo finden.

Dass das Setzen von festen Zeiten um Kunst zu machen eine gute Idee ist, darüber habe ich ja hier auch bereits gesprochen. Dieser Gedanke lässt sich aber noch weiter tragen. Denn je nachdem wo wir mit unserer Karriere als Künstler*in stehen oder auch unserer allgemeinen Tagesplanung, gibt es noch viele andere Gründe, warum immer überall sofort verfügbar ansprechbar und reagierend nicht gut für uns sein kann. Denn was ist wichtiger? Unser Abendessen oder die Mail? Unser Kind oder der Anruf? Die Chance eines weiteren Auftritts diese Woche oder die Erholung und Stabilität die durch Freizeit entstehen kann? Na, wie oft entscheidet ihr euch bei solchen Fragen gegen eure Bedürfnisse und Wünsche?

Im Gespräch mit diversen Künstler*innen die schon länger damit Geld verdienen, die aber eben auch ganz schön viel Leben in ihrem Alltag haben, kommen einige immer wieder zum selben Schluss: Ich habe keinen normalen Job im Büro, ich muss nicht antworten wie bei einem normalen Job im Büro. Meine Antwortmail kommt um 22:00 Uhr bei einem möglichen Auftragebenden an? Das ist keinen besonderen Gedanken wert, denn ich habe geantwortet. Auch in anderen Lebensbereichen passen ja die Öffnungs- und Bürozeiten nicht übereinander. Wir dürfen also unsere auch selbst wählen.

Wenn wir dabei natürlich besonders rücksichtsvoll sein wollen, machen wir das aber Transparent. Und wenn wir für uns selbst auch eine Routine etablieren wollen, dann machen wir das auch direkt für uns selbst fest. So schreiben wir in unseren Kalender und auf unsere Kontaktflächen im Netz, wann wir unsere Emails beantworten oder erreichbar sind. Wir veröffentlichen unsere Öffnungszeiten. Und wenn dann jemand was zu einer anderen Zeit will, müssen sie entweder einen Termin mit uns ausmachen, oder zur Öffnungszeit wiederkommen. Denn wenn wir uns da nicht schützen, wird sehr schnell auf unseren Alltag keine Rücksicht genommen. Und das hat nichts mit Böswilligkeit der anderen zu tun. Wir das einhalten unserer Grenzen, auch im Tagesplan, sind wir erstmal selbst verantwortlich.

Feste Arbeits- und Bürozeiten sind gut um zum einen sicher zu haben, dass mensch es macht und zum anderen um Gewohnheiten und Standards für uns und andere zu etablieren. Und wenn wir als unser eigener Chef dann auch mal Überstunden verordnen, dann ist das auch okay, sollte aber mit uns selbst abgesprochen sein (und wir uns vielleicht auch dafür zusätzlich entlohnen). Sollten wir allerdings merken, dass unsere künstlerische Tätigkeit mehr Raum verlangt (und hoffentlich auch einen größeren Anteil unserer Miete bezahlen kann) darf natürlich auch überlegt werden ob die Stunden erhöht werden. Aber auch da lässt sich eine bestehende Struktur leichter ergänzen, als dann alles improvisiert und wie es anfällt in den Kalender zu packen.

Moment mal, aber ich bekomme selbst gar keine Emails und Aufträge rein, was soll ich also mit der Bürozeit?, könnte mensch jetzt sagen. Das, was eine Firma und ein Büro dann auch machen würde: In die Akquise gehen. Wenn ich gerade keine Arbeit reinbekomme, ist es immer eine gute Idee nach Arbeit zu suchen. Emails raus zu schicken und Kontakte zu erneuern. Auftritte anfragen. Wettbewerbe suchen und die Teilnahme daran vorbereiten. Es gibt immer Möglichkeiten was mensch auch noch vorbereiten kann. Denn so wäre es in einer Firma auch: Der Social Media Mensch geht nicht einfach nach hause, wenn die Arbeit getan, aber noch Zeit über ist. Dann geht es an Vorbereitung und Recherche und Fortbildung und und und. Aber alles zu den Büro- und Öffnungszeiten.

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