Termine und Deadlines

Die letzten Wochen war ich mir nicht sicher, ob ich aktuell noch Kunst mache, oder dem ausweiche. Drohend steht das Buch "The War of Art" von Steven Pressfield in meinem Regal und erinnert mich daran, wieviel ausweichendes Verhalten und innere Widerstände es gibt, um Kunst zu machen. Weil ich sich aber eine spontane Gelegenheit ergeben hat, habe ich mich, obwohl ich gerade kein neues Material hatte für einen kleinen Wettbewerb angemeldet, der eine offen Ausschreibung hatte. Sicher gestützt von meinem Selbstbewusstsein, dass ich im Zweifelsfall altes Material anpassen kann. Aber eben auch geschützt von dem Wissen, dass feste Termin und Deadlines der Kunst ganz gut tun können.

Jo-Anneh Nagler empfiehlt in ihrem Buch "How to be an artist" eine feste "heilige" Zeit einzurichten, an der wir Kunst machen sollten. Wir "verteidigen sie mit unserem Leben" und nehmen sie als Termin unfassbar ernst. So können wir unsere Kunstzeit nicht ausfallen lassen, sondern maximal verschieben. Wir können sie nicht kürzen, wir dürfen dabei nicht gestütz und nicht unterbrochen werden. Sie und auch andere Autor- und Mentor*innen zum Thema Kunst bescheinigen, dass es dann erstmal recht schwer werden kann. Vielleicht sind die ersten Mal viel starren aufs leere Blatt. Ein fester Termin, das kligt natürlich auch unfassbar unromantisch und passt nicht in das Bild der Kunstperson, die überall und jeder Zeit von der Inspiration getroffen werden kann und dann schöpfen muss. Diverse Probleme der Moderne - Kapitalimus um nur ein prominentes zu nennen - kommen uns da nämlich gehörig in die Quere, dieses Bild noch erfüllen zu können. Es fühlt sich also unangenehm unkreativ an, einen Termin für die Kunst zu haben. Genauso, wie Deadlines entgegen der gefühlten Natur der Kreativität gehen, denn Ideen halten sich nicht an einen Zeitplan, oder?

Vielleicht nicht. Aber sie brauchen Räume zum atmen und leben. Und Platz im Kalender und im Tag und in der Woche zu haben, ist ein guter Lebensraum für Kreativität. Denn tatsächlich: Kunst braucht Zeit. Es hängt von der Kunst und der Kunstfertigkeit, wieviel Zeit sie braucht, aber Zeit braucht sie unweigerlich. Und da die Ideen schon selbst am gefühlten Zufall hängen, warum unsere Zeit die wir dafür zur Verfügung haben auch dem Zufall überlassen.

Meinem Gefühl nach, habe ich dann für die Einreichung in einer sehr fokussierten Arbeitsphase drei kurze Texte und drei Videos produziert. Jeden Tag eine Schreibzeit zu haben, hat die Offenheit für die Kunst geschaffen. Für dieses Projekt mir eine feste Zeit im Tag einzuplanen, hat mir dann auch das Moment gegeben, all die Schreiberfahrung und die Übung in eine sehr effektive Einheit zu gießen.

Diese Technik trifft übrigens nicht nur für Kunst zu, sondern für alle Dinge die uns wichtig sind und die wir in uns kultivieren wollen. Auch Athlet*innen oder Wissenschaftler*innen beschreiben ähnlichen Umgang mit Zeit, wenn sie konstant und zufrieden weiterarbeiten wollen.

Also: Terminkalender raus und mindestens eine Stunde die Woche finde, die eure heilige Kunstzeit ist. Keine Störung, kein Handy, nur Kunst, kein Verschieben.

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