"Eat the Rainbow"

In einem Buch über die japanische Lebensphilsophie rund ums "Ikigai" finde ich diesen Satz. "Eat the Rainbow". Das er in diesem Buch auftaucht hat damit zu tun, dass neben der Erforschung der Frage "Was gibt Leben Sinn?" eben auch die Fragen aufkommen, wie mensch lang und gerne leben kann. Und so taucht das Thema der Diät auf und wir benutzen das Wort hier nicht als aggressives kapitalistische Fat-Shaming-Marketing, sondern einfach als Platzhalter für die Idee eines Ernährungsplans. In der Idee der befragten alten Japaner*innen und aus anderen Forschungen, ergibt sich, dass "Eat the Rainbow" meint, dass Lebensmittel, im besten Fall Obst und Gemüse, aller Farben des Regenbogens jeden Tag gegessen werden sollen.

Eine meiner bevorzugten Denkschulen ist die Ganzheitlichkeit. Sie setzt einzelne Aspekte in Verbindung mit vollen System. Viele Ideen und Probleme werden erkennbar im ganzheitlichen Blick. So ist niemand von uns eine Insel und wenn wir etwas tun, betrifft das immer auch andere. Die Ganzheitlichkeit erlaubt einem als Denkschule aber auch, bestimmte Aussagen aus ihrem eigentlichen Bereich zu heben und sich zu fragen, was die selbe Aussage bedeutet, wenn ich sie in einen anderen Bereich verschiebe. Das macht dann aus einer Aussage in einem Bereich eine Formel, die sich in anderen Bereichen beweisen müsste.
 
Bei meiner Ernährung probiere ich gerade "Eat the Rainbow" mit Begeisterung und sehr gemischtem Erfolg aus. Es gelingt mir nicht jeden Tag, aber ich probiere doch ziemlich häufig dadurch neue Lebensmittel oder Sachen die ich ewig nicht mehr hatte. Selbst wenn sich also an meiner Gesundheit und Fitness nichts ändert, ich habe auf jeden Fall mehr Spaß als vorher beim Essen und Kochen. Das ist ein riesiger Erfolg aus meiner Sicht, gemessen daran wie ich leben möchte.

Als Künstler*in ist es auch wichtig, nicht immer nur zu produzieren, sondern sich auch anzuschauen, was andere so machen. Dem Zeitgeist immer mal wieder zu begegnen, in der Vergangenheit zu forschen, die Wurzeln zu verstehen, für sich selbst neue Techniken entdecken und einen sehr feinen Geschmack zu entwickeln. Und genau so wie beim Essen mein Geschmackssinn auf die Probe gestellt aber auch trainiert wird, wenn ich sehr bewusst verschiedenes und neues zu mir nehmen, ist es genauso auch bei der Kunst, die ich zu mir nehme.

Bei Künstler*innen die ich beobachte und mit denen ich arbeite, fällt mir zum Beispiel häufig auf, dass sie kaum etwas aus dem Bereich konsumieren, in dem sie selbst aktiv sind. Damit sparen sie eine Farbe des Regenbogens aus. Aber viele nehmen insgesamt nur wenig Kunst zu sich, haben auch kaum andere nahrhaften Erlebnisse. Denn Kunst ist häufig natürlich eine verarbeitete Form eines anderen Stoffes, Themas, Bildes, Motivs, Problems. Natürlich kann es auch gut sein, diese mal roh zu sich zu nehmen. Um den Unterschied zu schmecken. So oder so habe ich aber den Eindruck, dass viele keine besonders ausgewogene Ernährung bei ihrer Kunst haben.

Ob das nun stimmt oder nicht, müssen die Menschen für sich entscheiden und mehr außer einem Vorurteil kann ich mir dazu nicht bilden. Aber ich mag zum einen Werbung dafür machen, eine These die einem in einem Lebensbereich begegnet mal zu verschieben und zu schauen, was die dort bewirkt. Denn uns fliegen jeden Tag geflügelte Wörter, Redewendungen, Thesen und Gedanken um die Ohren, die wir auch häufig prüfen sollten, ob sie wirklich stimmen. Dafür ist das verschieben einer Aussage in einen neuen Bereich wie eine Kontrollgruppe in einer Forschungsstudie. Sie macht die Ergebnisse stichhaltiger.

Zum anderen mag ich Werbung dafür machen, seine "Diät" auch in anderen Lebensbereichen zu überprüfen. Bin ich mit genug verschiedenen Menschen verbunden, um für mich ein gutes Leben zu haben? Hat mein Tag alle die Erlebnisse in sich, die ich als gute Inhaltsstoffe sehe? Ist meine Garderobe so ausgeglichen, dass ich allen meinen Anlässen gewachsen bin? Oder habe ich irgendwo in meinem Leben eine Farbe des Regenbogens, der ich noch nicht genug Aufmerksamkeit gebe? Denn vielleicht finden wir so etwas, was uns mehr Sinn und Lebenszeit schenken kann.

Kommentare

  1. Anonym30.8.23

    Als ich vor kurzem festgestellt habe, dass ich früher wohl mal "Regina Regenbogen" war und irgendwann im Lauf der Jahre zu "Schleichmichel" geworden bin, musste ich dann doch mal dringend etwas verändern. Hier ist so langsam und (LOL) "schleichend" alles grau geworden, dass dein Beitrag mich gerade piekst. Vermutlich einfach, weil es mir noch nicht so lange klar ist, wie weit ich davon entfernt bin, überall eine breite Palette von Farben zu haben und ich daran gerade arbeite. Ob es der Regenbogen (komplett) jemals wird, weiß ich nicht. Mir gefällt aber die Idee, es zu versuchen.

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