Die Greta Gerwig "Methode"

Es ist aktuell wirklich schwierig im Internet Inhalten zum Barbie-Film zu entgehen. Zu dem Film selbst werde ich hier gar nichts sagen, einfach weil ich ihn auch noch nicht gesehen habe. Was für mich aber sehr spannend an erfolgreicher Kunst ist - egal wie wir hier jetzt Kunst bemessen dürfen - dass auch Inhalte neben dem eigentlichen Werk hochsprudeln, welche die beteiligten Künstler*innen in den Fokus stellen und ihren Ideen und Haltungen Raum geben. So tauchen auch haufenweise im Hype Interviews mit den sehr beliebten Darsteller*innen auf, Debatten zur Besetzung und zum Inhalt, aber auch Aussagen von anderen Beteiligten. Wie eben Greta Gerwig, welche als Drehbuchautorin an dem Projekt mitwirkte.

In einem Interview hat Greta Gerwig eine Aussage zum Schreiben von "guten" Geschichten und spannenden Charakteren getroffen. Ein Zitat, dass mir zufällig vom Algorithmus angespült wurde und ich bin sehr froh darum, weil es mir eine These gegeben hat, an der ich herum probieren und mit mir selbst diskutieren durfte, aber eben vielleicht auch ein Werkzeug um selbst Figuren zu überprüfen und einen Schritt weiter auch mich selbst zu reflektieren. Aber nehmen wir uns erstmal das besagte Zitat vor:
"Characters a complex creatures. Give them a want, a drive, a fear and a secret. They will soon have a life of their own"
Mit wenig Sorgfalt übersetzt sagt dieses Zitat also: "Charaktere sind vielschichtige Lebewesen. Gib ihnen ein Bedürfnis, einen Antrieb, eine Angst und ein Geheimnis. Sie werden bald ein eigenes Leben haben." Eine wundervolle Grundlage um an bestehenden Figuren in fremden und eigenen Geschichten herum zu probieren. Eine schöne These um ihr vielleicht versuche zu widersprechen oder eben auch sie zu beweisen. So oder so: Es ist spannend daran herum forschen zu dürfen.

Vor langer Zeit und auch hier schon häufiger zitiert, bin ich auf Joseph Campbell gestoßen. Dieser hat mit "Der Heros in tausend Gestalten" ein Werk geschaffen, welches sich ebenfalls mit Charakteren in Geschichten und dem "guten" Erzählen von Geschichten beschäftigt. Das Buch ist ein dicker Wälzer und recht spannend für Menschen, die eben auch selbst Geschichten erzählen wollen oder auch die Relevanz des Erzählens von Geschichten für Menschen einordnen wollen. Inzwischen wurde wissenschaftlich auch nachgearbeitet, weil Campbells Forschung durch sehr die "Male Gaze", also den männlichen Blick auf die Welt als Grundlage hatte. Trotzdem trifft er viele spannende Thesen und weiterhin gültige Aussagen über Geschichten. Doch sein Buch hat mich damals auch zu einer eigenen These geführt.

Wenn eine gute Geschichte mit einem Charakter bestimmte Regeln hat und ich mein Leben auch als Geschichte erzählen kann, dann bin ich vielleicht auch ein Charakter in einer Geschichte. Das bedeutet aber auch, dass wenn ich mit der Geschichte gerade nicht glücklich bin, ich untersuchen kann ob mir etwas fehlt, was eben zu einer guten Geschichte gehört. Nach Campbells Thesen bin ich damals zu dem Schluss gekommen, dass mir tatsächlich etwas fehlte, nämlich Mentor*innen. Und als ich diese dann gesucht habe, wurde es tatsächlich etwas besser für mich.

Mit diesem Erlebnis damals mit Campbells Thesen, nehme ich mir also zur eigenen Reflexion solche Aussagen eben nicht nur vor, um meine kreative Arbeit zu untersuchen, sondern auch mein eigenes Leben. Ohne zu wissen wie sinnvoll das für mich sein wird, habe ich also meinen "Charakter" nach Great Gerwig auf Bedürfnisse, Antrieb, Ängste und Geheimnisse untersucht. Dabei ist sehr wichtig, dass ich mich bemühe frei von Wertungen zu bleiben, aber geschaut habe, dass ich neue Fragen ableiten kann, die mich voran bringen könnten. So habe ich ein Weilchen an der Frage gehangen, ob ich denn Geheimnisse habe - Natürlich habe ich welche - Aber mein gewünschtes Selbstbild als äußerst offene Person hat gesagt: "Hä? Nein. Gar keine." Und auch da kam mir aber eine produktive Frage in den Sinn: "Ist es gut keine Geheimnisse zu haben?" Oder ist es sogar wichtig für Menschen Geheimnisse zu haben? Und so konnte ich mit diesen Fragen und der "Greta Gerwig Methode" beginnen mich zu erforschen und zu hinterfragen.

Die Arbeit an der eigenen Geschichte ist und bleibt wichtig. Nicht nur für Künstler*innen, sondern eben für Menschen aller Lebenswandel. Denn wir können nicht verhindern, dass wir unsere Seele in unseren Tag mitbringen. Wir können nicht verhindern, dass wir immer auch Teil unserer eigenen Geschichte sind. Aber wir können uns die Mühe machen unsere*n Protagonist*in auch zu verstehen und ihnen eine gute Sorgfalt zu kommen zu lassen.




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