Notizbücher

Es ist eine von diesen Sachen, von denen mensch erst denkt sie nicht erklären zu müssen. Dass Menschen Notizen machen, Kunstmenschen natürlich auch ständig ihre Ideen aufschreiben, das gilt irgendwie als gesetzt. Wenn ich dann aber im Umfeld und Alltag meiner Kunstmenschen überlegen, wann ich sie etwas habe notieren sehen, kann ich das nicht sicher sagen. Wenn sie ihre Notizen am Handy machen, dann sehe ich das natürlich nicht so gut von außen. Ich will es also nicht ausschließen. Aber wie weitreichend sind die Möglichkeiten von Handynotizen.

Handynotizen liegen im digitalen Raum und sind damit fast mehr vom Verlust gefährdet, als analoge Notizen auf Papier. Auch das ist empfindlich, aber nur schwer versehentlich zu löschen. Und auch der Anbietende der Dienstleistungen kann nicht spontan alles löschen. Denn das ist ein Fakt, den wir gerne vergessen: Viele unserer Apps, die sozialen Medien als Archiv, diese Sachen können alle ganz schlagartig weg sein, wenn jemand das entscheidet. Dann ist es gut, sein eigenes Material nachzuhalten.

Künstler*innen wie Austin Kleon oder Linda Berry zeigen ihre Notizen und ihre Gedanken und teilen sie. Die Notizen sind Teil oder Ganzheit ihrer Kunst. (Linda Barrys Buch "What it is" ist ganz oben auf meine Einkaufsliste für kommende Bücher). Diese Denkweise hat mich dafür geöffnet, auch mein Notizbuch eben nicht all zu streng und sauber und aufgeräumt zu führen. Es ist ein Ort fürs "Spielen" geworden. Dabei kann ich immer noch Themen ernsthaft für mich bearbeiten und mache auch - sehr streng und aufgeräumt - jeden Tag meine Mourning Pages darin. Aber das "Spielen" erlaubt mir mehr aus meinen Gedanken zu machen und sie tatsächlich auch besser einzuprägen. Weil ich Bilder schaffe und den Prozess mit mehr merkenswerten Momenten auffülle.

Neulichst habe ich ja auch bereits über "Legacy" geschrieben, über das eigene Vermächtnis, dass wir in der Welt hinterlassen. Wenn wir so Worte sagen, denken wir sehr häufig an etwas sehr großes, was die ganze Welt bewegen soll. Aber wenn ich mir vorstelle, ich würde jetzt bald sterben, dann wären es sicher nicht meine Dateien auf dem Handy, die meinen Menschen ein Andenken wären. Aber es könnten meine Zeichnungen und Notizbücher sein. Und auch wenn ich sie erst seit Juli letzten Jahres so richtig ordentlich geführt habe, wird da eine Menge Material sein, die meinen Menschen erlauben würde, sich zu erinnern oder mich vielleicht auch zu verstehen. Und das bewegt dann nicht die Welt, aber vielleicht eben diese Menschen.

Ein weiterer Gedanke der mich begeistert an Notizbüchern ist, dass jedes volle mir erlaubt zu sagen: Ich habe ein Buch geschrieben. Natürlich ist es nicht das, was Menschen im Allgemeinen damit ausdrücken wollen. Sie sagen: Ich habe ein Buch geschrieben und meinen, dass sie es auch verlegen haben lassen und es wohl in den Verkauf geht. Aber an dem faktischen Prozess ändert es nichts. Kraft meiner Hände und Gedanken habe ich alle Seiten in meinen Büchern gefüllt. Schon mehrfach. Über Tausend Seiten stehen da bereits im Regal. Und mit etwas Zeit, könnte ein ganzes Regal daraus werden.

Nachdem ich Christopher Nolans "Oppenheimer" gesehen hatte, hat mich das Buch interessiert, auf dem der Film basiert eben auch um einschätzen können, ob es sich um einen eher historisch-korrekten Film handelt. Dabei habe erfahren, dass der Autor von "American Prometheus" unzählige Tagebücher, Notizbücher, Interviews und Briefe und weiteres Schriftmaterial gesammelt hat. Und auch wenn ich ganz sicher nicht ein solch ein wissenschaftlicher hoher Geist wie Oppenheimer bin und auch nicht erwarte, dass meine Notizen mal historisch relevant werden, so ist es doch spannend zu sehen, welche Macht Notizen haben. Denn ohne sie hätten wir vielleicht nie eine so aufschlussreiche Bearbeitung mehrere historischer Ereignisse.

Was ist sagen mag: Macht Notizen. Egal ob ihr jetzt große Geister seid, Kunst macht oder ein anderes Leben führt. Ihr schafft damit etwas, was bleibt. Und ihr habt die Chance mit euch selbst gut zu sprechen. Nicht grundlos wird Schreiben auch als "Denken auf Papier" bezeichnet. Ich selbst bezeichne inzwischen meine Notizbücher oft als "mein Gehirn". Weil es mir erlaubt, mein Gedächtnis zu entlasten und meine Selbstwirksamkeit zu erfahren. Ein Gefühl, welches ist dringend allen Menschen empfehlen kann. Und auch wenn mich nervt, dass solche flachen Floskeln dann am Ende doch stimmen:
Wer schreibt, der bleibt.



 

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