Niemand hat mehr Lust Hausaufgaben zu machen

Ich spreche mit Menschen über Bücher, Notizbücher über Podcasts, Übungen und was für Methoden ich anwende. Viele finden spannend was ich erzähle, selten erzählen sie etwas zurück. Keine Tools, keine Methoden, keine Bücher aus denen sie Infos ziehen, keine Lehren die sie anwenden. Sie finden das spannend, sagen dann manchmal "Müsste ich auch mal machen" und verschwinden in den Äther meiner Wahrnehmung, ohne dass ich davon jemals wieder etwas mitbekomme.

In der Schulzeit habe ich Hausaufgaben nicht gemocht und nicht gekonnt und nicht gewollt. Ich hatte eine Schulkonferenz wegen nicht gemachten Hausaufgaben, mir drohte der Schulverweis und ganz nebenbei habe ich auch dann auch noch immer mal wieder versucht meinen (späteren) Lieblingslehrer zu belügen. Hausaufgaben kamen mir wie Zeitverschwendung vor, die verpflichtende Natur hat mich minimal wie einen Rebell fühlen lassen, wenn ich sie nicht gemacht habe. In Wirklichkeit hätte ich Hilfe gebraucht sie zu machen, die mir fehlte. Sowohl im familiären Haushalt, aber auch in meiner Haltung fehlte mir die Grundlage dafür, vernünftig nach Hilfe zu fragen. So hatte ich lieber Freizeit als Hausaufgaben.

Neulich habe ich ein Video gesehen in dem ein Mensch "Misogi" als tolle Haltung und japanische Philosophie vorstellt. Er erklärt eine tolle Idee dahinter und eine Haltung, die ein besseres Leben erlauben soll. Das Video ist auf der Plattform auf der ich es schaue eine Minute lang. Ich bin neugierig, notiere mir seine Erklärung von Misogi. Dann beschließe mehr wissen zu wollen. Nur wenige Minuten in die Recherche stelle ich fest, dass was er da erklärt hat, nichts mit Misogi zu tun hat. Er hat einen Begriff - der ebenfalls spannend ist - mit einem falschen Inhalt verknüpft. Das finde ich erstmal gar nicht so dramatisch, bin aber froh, dass ich mich eine halbe Stunde hingesetzt habe, um es ein zu ordnen. Jetzt weiß ich sicher(-er) was Misogi ist, freue mich aber auch darüber die spannende Idee von diesem Menschen gehört zu haben, die ich anwenden kann. Beides steht in meinem Notizbuch, wo ich eine Seite dazu erarbeitet habe, die ich früher vielleicht zu einem Handout hätte machen können. In jedem Fall hätte ich sie als Hausaufgabe zum Thema Misogi vorzeigen können.

Für mich als Künstler ist es eine große Evolution. Ich arbeite nicht mehr nur an meinen Texten, sondern ich bilde mich fort. Eine Sache, die in jedem anderen Beruf auch zwingend erforderlich ist. Scherzhaft spreche ich von meinem Studium, weil ich Bücher und andere Inhalte lese und bearbeite, daraus manchmal eigene Arbeiten von mir mache und ja, manchmal auch das Gelernte als Grundlage eigener "Forschung" nehme. Diese ist dann vielleicht nicht wissenschaftlich belastbar, aber es ist gleichzeitig überraschend wieviele wichtige Thesen eben erst erfunden und dann geprüft wurden. Sprich: Die Erfindung und Idee war manchmal vor der Fachlichkeit da. Um aber auf Ideen zu kommen, brauchte es eben Inhalte und Futter fürs Gehirn.

Wenn ich an Menschen in meinem Umfeld manchmal auf deren Fragen und Blockaden bestimmt Übungen präsentiere, erfahre ich später oft, dass sie diese nicht gemacht haben, aber immer darüber nachdenken. Dann erzählen sie mir, wie sich nichts ändert und sie nicht voran kommen. Was Ihnen fehlt ist die Erfahrung zu machen, dass die Zeit die wir in Hausaufgaben investieren, an anderer Stelle wieder auftaucht. Weil wir mit der Pflege unseres Wissens auch unsere Seele pflegen. Wir werden wachsamer für Beobachtungen und Wahrnehmungen. Wir gewinnen durch unsere Hausaufgaben, dass wir aus anderen Momenten wieder mehr erkennen, lernen und gewinnen können, weil unser Kopf in kostantem Training ist.

Ohne euch eine Hausaufgabe geben zu wollen, aber vielleicht prüft ihr mal heute, ob es einen Begriff gibt den ihr gerne verwendet, aber gar nicht sicher seid ob ihr ihn richtig verstanden habt. Schnappt euch einen Zettel, macht Wikipedia oder ein Buch dazu auf, forscht nach und macht Notizen. Ein mir namentlich nicht mehr bekannter Autor hat mal empfohlen, jeden Tag einen wissenschaftlichen Artikel Fünf Minuten zu lesen, den mensch nicht versteht. Anfangs ist das frustrierend, aber mit der Zeit würde sich überraschend ein Verständnis für komplexe Themen ergeben. Die Gewohnheit dem Kopf neues fremdes anzubieten erhöht die Fähigkeit diese neuen Inhalte dann auch irgendwann zu erfassen. Bleiben wir nur in unseren eigenen Bereichen, bleibt unser Denken auch immer gleich.

Und wenn ihr mich entschuldigt, meine Hausaufgabe ist jetzt heraus zu finden, wer diese Aussage getroffen hat.

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