Sich überleben: Nach dem Problem suchen

Vor einiger Zeit ging es mir nicht so gut, aber ich hatte etwas Energie übrig. Also habe ich im Sinne meiner Selbstwirksamkeit kleine Erkenntnisse und Merksätze hier im Blog aufgeschrieben, die mir geholfen haben aus schweren Zeiten und Denkmustern raus zu kommen. Daraus ist dann eine unregelmäßige Reihe im Blog mit sanft übertriebendem Namen geworden: "sich überleben" und wenn ihr auf die Worte klickt, kommt ihr zu allen Beiträgen.

Der wichtige Disclaimer wie immer: Wenn ihr großen Leidensdruck empfindet, werden meine kleinen Gedanken hier das nicht beheben können. Je nachdem was da in euch vorgeht, könntet ihr eher Unterstützung von Therapeut*innen brauchen. Scheut euch nicht, Therapie kann ein guter wichtiger Ort sein.

"Welches Problem in der Welt möchtest du lösen?"
fragt ein*e mir namentlich nicht mehr bekannte*r Journalist*in in einem Artikel darüber, warum es nicht so hilfreich ist welche Berufe unsere Kinder mal haben wollen. Die These dahinter trifft bei mir damals voll einen Nerv, weil ich an einem verzweifelten Punkt mit meiner Sinnsuche war. Die These ist, dass wenn wir nach Berufen fragen, wir nur Antworten bekommen, die es schon gibt. Die Kinder würden auf einer Liste bereits existierender Berufe zurückgreifen und da auch nur auf die, die sie kennen. Dadurch würden sie einen Fokus aus eine biografische Schablone werfen, denn viele Berufe erfordern bestimmte Lebensstile oder eben Lernrichtungen. Die Frage als Gegenvorschlag "Welches Problem in der Welt möchtest du lösen?" bietet aber das Potential, dass Kinder die Fantasie entwerfen, etwas sich zu überlegen, was noch nicht existiert aber vielleicht gebraucht werden könnte.

Ob diese These stimmt, kann ich gar nicht belegen. Aber ich habe mir die Frage nach dem Lesen ein wenig im Kopf hin und her laufen lassen und habe dann eine erste Erkenntnis gehabt, die so simpel ist, dass sie leicht zu übersehen ist: Jeder Beruf wurde mal erfunden. Fluglots*in, Zahnarzthelfer*in, Maurer*in, Parkettverleger*in, Feng-Shui-Berater*in, dass gab es nicht einfach von Natur aus. Es hat auch niemand auf Steintafeln von einem Berg eine Liste aller Jobs mitgebracht. Die Zeiten, die Forschung, die Entwicklung, die Bedürfnisse der Gesellschaft bringen Berufe zu Tage. Das bedeutet aber auch, dass wenn ich etwas finde, woran es Bedarf gibt oder ich den Bedarf habe es beruflich zu tun, darf ich meinen eigenen Beruf erfinden. Ob das dann auch ein Erfolg ist, steht auf einem anderen Zettel.

Was die Frage mir aber auch erlaubt hat, ist die Überlegung, dass mein bezahlter Job gar nichts mit einem größeren Ziel in meinem Leben zu tun haben muss. Denn wenn ich das Problem in der Welt lösen möchte, dass zum Beispiel Tiere ein gutes Zuhause haben, dann kann ich mich auch ehrenamtlich dafür engagieren. Ich kann das Problem inder Welt auch lösen, während mein Job mit dem Problem vielleicht nichts zu tun hat. Ohne es jemandem absprechen zu wollen, glaube ich einfach nicht, dass es für alle Jobs jemanden gibt, der*die das als Berufung hat dies zu tun. Das hat natürlich damit zu tun, dass da meine Fantasie oder meine Einfühlung aus meiner Biografie heraus nicht ausreichen, aber trotzdem tut mir diese Trennung gut. Auch, wenn ich selbst nach bezahlter Arbeit mich umschaue. Ich bin nicht gezwungen mit Kunst Geld zu verdienen um micht erfüllt fühlen zu dürfen. Ich muss nur Geld verdienen und im selben Zeitraum meines Lebens auch Kunst machen können.

In letzter Instanz, mit längerem Rumdenken und Reflektieren, mit dem guten alten "Ich stelle diese Frage auch meinen Freund*innen" als Recherche-Methode, habe ich aber auch für mich selbst mich immer weiter dem annähern können, was ich in der Welt bewegen möchte bzw. welches Problem ich beheben möchte. Und das ist ein sehr guter Punkt um das Gefühl von Sinn und Richtung in sein Leben zu bekommen. In einem gerade frisch gelesenen Buch zu der japanischen Denkrichtung des Ikigais, bestätigt sich auch, dass solche Fragen helfen können Bewegung und Langlebigkeit in sein eigenes Leben zu bekommen. Und in der Tat: Wenn ich mal zweifel erinnere ich mich an meine bisherige Antwort auf diese Frage oder bearbeite sie nochmal neu von vorne. Manchmal finde ich neue Zusätze die das Ziel präziser fassen, manchmal sehe ich, dass sich etwas verändert hat. Manchmal hat sich inzwischen meine Sprache erneuert, also muss es auch meine Antwort auf die Frage.

Das Problem welches ich in der Welt lösen möchte:
Ich möchte, dass Menschen sich nach ihren eigenen Wünschen freiheitlich entwickeln können und somit von Blockaden und Einschränkungen in ihrem Inneren und von Außen lösen können, um ihre eigene Persönlichkeit ausleben können, ohne dabei anderen zu schaden. Meine Rolle dabei ist es, zu begleiten mit Impulsen und Fragen, dass Menschen sich selbst aus ihren Gefangenheiten befreien. Denn nur so können keine neuen Abhängigkeiten entstehen, die wieder eine Unfreiheit bedeuten würden.

Und jetzt mag ich euch los schicken zu forschen: Was ist das Problem, welches ihr selbst in der Welt lösen wollen würdet?

Kommentare

  1. Anonym18.8.23

    Die Frage habe ich mir öfter gestellt, im Laufe meines Lebens. Interessant ist, wie es sich verändert hat an manchen Stellen und was gleich/ähnlich geblieben ist. Es ist gut, sich diese Frage immer wieder zu stellen und die Antworten zu prüfen. Und es ist in Ordnung, neue und andere Antworten darauf zu finden. Das ist dann kein Scheitern, oder Irrtum, sondern Entwicklung. Und manche Erfahrungen musste man evtl. sammeln, um an den nächsten Checkpoint zu kommen. Manche Skills aneignen, um den nächsten Schritt sehen zu können. Die Frage ist jedenfalls spannend und gerade beantworte ich sie wieder etwas anders als im letzten Jahr.

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