Exploratives Verhalten
Babys und Kleinkinder müssen die Welt kennenlernen. Dabei brauchen sie viel Sicherheit. Diese kommt viel über Bindungsverhalten. Kuscheln, Schreien und so vieles mehr, dass Bindung herstellen soll, tief in unserer Programmierung, in unseren Genen vorinstalliert. Eine Ebene von diesem Bindungsverhalten ist auch der Blick zurück zu den Eltern. Kann ich hier weiter gehen? Ist es sicher, wenn ich das tue? Exploratives Verhalten ist also, wenn wir uns trauen unsere Umwelt zu erkunden und Erfahrungen zu machen, die Basis dafüt ist Sicherheit.
Bei Erwachsenen Menschen sprechen wir nicht mehr von explorativem Verhalten, aber wir kennen die Sicherheit, welche da gebraucht wird. Bei uns ist es aber nicht mehr den Blick zu den eigenen Eltern, sondern die so genannte Komfortzone. Der seelische Bereich in dem wir uns sicher fühlen. Unsere Ideen und Werte haben einfach Bestand und werden nicht herausgefordert. Während im toxischen Wachstums-Social-Media die Komfortzone einen sehr schlechten Ruf hat, bin ich mir mit Blick aufs explorative Verhalten sicher: Ohne geht es nicht. Wenn wir also etwas lernen wollen, dann stimmt es schon, dass wir aus der Komfortzone rausmüssen. Denn in dem Drei-Zonen-Modell wohnt direkt hinter der Komfortzone die Lernzone. Was einem aber die wenigsten sagen und empfehlen: Die Komfortzone sollte auch so komfortabel wie möglich sein.
Und das bedeutet, dass es sich lohnen kann, dass wir uns fragen, was uns beim Lernen hilft. Welche Orte klappen gut? Welchen Personen trauen wir so sehr - in der Sache die wir lernen wollen - dass sie uns bei dem Prozess gut begleiten können? Wann fühle ich mich wohl? Wann fühle ich mich sicher? Wenn in moderner Awareness-Arbeit zum Beispiel von Safe Spaces gesprochen wird, geht es unteranderem auch darum Umfelder zu schaffen, aus denen heraus Menschen sich trauen können etwas zu lernen, weil sie jederzeit in die Sicherheit zurück kehren können. Genau wie für exploratives Verhalten das Vertrauen zur betreuenden Person eines Kindes stimmen muss, muss für einen Safe Space das Vertrauen zu den anderen Personen dort entstehen können.
Und das ist auch deshalb wichtig, weil oft ausgespart wird, dass hinter der Lernzone eine weitere Zone liegt: Die Panikzone. Und die ist wirklich gar kein Spaß, weil wir in dieser Zone psychologische der vollen Überzeugung sind - egal ob es jetzt gerade wirklich stimmt oder nicht - dass wir uns in Lebensgefahr befinden. Das ist natürlich eine ziemlich heftige Reaktion, aber ein System dass uns Menschen über die Jahrtausende am Leben gehalten hat. Denn bei so mancher Neugierde ist es eben sinnvoll, dass unser System in Angst umschwingt und flüchtet. Was als recht gesichert gilt, dass wir aus der Panikzone nur mit Hilfe von Vertrauen bzw Vertrauten herausfinden können.
Ich bin der gefestigten Überzeugung, dass einer der besten Skills für Menschen im allgemeinen, aber Künstler*innen im speziellen ist, das Lernen zu lernen. Heraus zu finden, wie jede*r von uns individuell Inhalte gut aufnehmen kann, zu lernen welche Tools es dafür gibt und auch die Spielregeln vom Lernen zu verstehen. Denn was nutzt mir das beste Buch, wenn ich nicht merke, dass es mir gerade nicht in den Kopf will, weil ich eigentlich mit mir selbst gerade in einer Panikzone bin? Und dann liegt es eben nicht am Buch, sondern an unserer Sicherheit und daran ob wir gerade überhaupt die Chance haben explorativ zu sein, neugierig zu sein, forschend zu sein?
Bei im Beruf als Pädagoge und auch bei Kindern von Freund*innen durfte ich es immer wieder beobachten und freue mich jedes Mal darüber: Der kurze Blick zurück zu den Eltern, zu den Betreuern, bevor es in ein kleines Abenteuer geht. Es ist sinnvoll für uns selbst heraus zu finden, wo wir hingucken wollen, wenn wir uns mal in ein Abenteuer stürzen wollen.
Ich durfte dieses Jahr lernen, dass ich verschiedene Menschen habe, zu denen ich, in verschiedenen Situationen schaue, um mich sicher zu fühlen. Witzigerweise war ein Schritt aus der Komfortzone heraus, genau in dieser Woche, ein Entwurf für meinen ersten Blogartikel, zu genau diesem Thema. Jetzt fehlt nur noch die Umsetzung und dafür muss ich mich vielleicht noch 1-2x in unterschiedliche Richtungen umschauen. :)
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