Bye Bye Bühnentexte
Als die Email kommt, bin ich nicht so ganz überrascht, was mich auch schon ärgert. Ich wäre lieber absolut überrascht. Die Redaktion verabschiedet sich, vertreten durch Chefredakteur Yannick Steinkellner. Das Heft "Bühnentexte" hört auf zu existieren. Und damit ist eine Szene die nicht zu müde wird ihre Szenigkeit immer wieder zu beschwören, wieder erstmal kein einziges journalistisches Erzeugnis haben.
Und wenn auch der Stil der "Bühnentexte" für mich eher so aussah ein "11Freunde"-Magazin für Poetry Slam zu schaffen, statt sterilen Ergebnis- und News-Journalismus, so ist es ein riesiger Verlust für unsere Szene.
Eine gute und gesunde Szene ist im besten Fall auch eine oder beinhaltet viele Communities. Ein schriftliches Erzeugnis war dazu eine sehr gute Chance. Denn wenn ich die Slam-Community betrachte, so verbleibt die metaphorische Glasscheibe die zwischen Publikum und Auftretenden verläuft wirklich sehr häufig bestehen. Und natürlich schützt da ein gewisser Abstand auch die Kunst, aber Nähe zulassen erlaubt auch einem Publikum, zu einem Teil des Ganzen zu werden. Und so entsteht dann auch Momentum. Es mag ein schiefes Bild sein, aber Fussball muss kaum mehr Werbung für sich machen, damit die Leute kommen. Es gibt eine Kultur, die nicht die Verein und Teams geschaffen haben, sondern die Fans. Wenn ich auf Slam (in NRW, weiter reicht mein Blick kaum) schaue, dann fällt mir hier nur ein Mensch ein, den ich als Groundhopper bezeichnen würde. Wie schade eigentlich.
Ein gutes Magazin, das ist wie eine Belohnung dafür ein Nerd für seine Leidenschaft zu sein. Darin stehen Fakten, die auch nur der gute Nerd braucht und wissen möchte. Da drin werden Diskussionen aufgemacht, die einem Fan erlauben Profilschärfe zu erreichen. Es entsteht Legacy, eine Geschichte und die Chance, irgendwann nicht mehr erklären zu müssen was Poetry Slam ist, dass ein Text nicht Poetry Slam heißt und ja, es entsteht auch die Fachlichkeit, die meinem Vorurteil nach so viele in der Szene doch so sehr lieben. Eine zitierbare Quelle für alle die Facharbeiten in Deutsch Leistungskursen. Ein gutes Magazin - und das war die Bühnentexte aus meiner Sicht - erlaubt allen in ihrer Rolle in der Szene ein bisschen in den Spiegel zu schauen und sich klarer zu erkennen.
An schlechten Tagen, wenn mich der Zynismus richtig beißt, da ärgere ich mich, dass wir uns als deutschsprachige Spoken Word Gemeinschaft immer noch so unterbuttern lassen im Literaturbetrieb. Weil das höchste Ziel der Poet*innen ist dann doch wieder irgendwie ein eigenes Buch, weil das eben die künstlerische Anerkennung zu versprechen scheint. Selten höre ich, dass das oberste Ziele eine bestimmte Bühne ist, ein eigenes Soloprogramm. Wir machen solange SpokenWord bis wir erfolgreich genug sind um dann mit unseren Texten nicht mehr sprechen zu müssen. Das zeigt, dass wir uns immer noch irgendwie unterordnen. Als wäre der alte Literaturbetrieb dieses strenge Elternteil von dem wir uns abgrenzen wollen um dann aber eben doch wieder unbedingt die Anerkennung zu bekommen.
Was hat das mit einem Magazin zu tun? Ein Magazin der Szene ist der genau richtige Weg sich selbst so ernst zu nehmen und von solchen Anerkennungen los zu lösen. Wie geil wäre es denn, wie wir, wie in den Fünf Minuten nach dem Julia-Engelmann-Effekt, uns trauen würden auf eigenen Beinen zu stehen und daran zu glauben dass unsere Kunst und unsere Art in sich eine Berechtigung hat. Ein Magazin ist genau die richtige Art sich selbst als Szene so ernst zu nehmen und zu sagen: Schaut mal, liebe Comedy, liebe Literatur, wir sind groß genug, wir haben unsere eigene Kultur, wir sind nicht mehr von euch abhängig und ihr braucht uns genauso. Weil, ein Teil eurer besten, die haben bei uns angefangen. Die haben wir mit fit gemacht. Geschichten, die dann verloren gehen in nachträglich geändert Wikipedia-Artikeln, was möglich ist, weil so wenig von dem was wir tun eben belegbar und nachgewissen ist. Was am Ende von uns übrig bleibt, was passend ironisch ist, wird nur die mündliche Überlieferung sein, die sich wie in jedem Stille-Post-Spiel weiter verändern wird, je nachdem wie wir uns verhört haben.
Ich bin traurig, dass die "Bühnentexte" geht. Und ich erwische mich dabei darüber nachzudenken, ob ich nicht versuche mag an dem Platz etwas zu erschaffen. Aber es gibt eben auch die guten klug durchdachten Gründe der Macher*innen der "Bühnentexte" weshalb sie aufhören. Und ich werde den Teufel tun zu glauben, dass ich in irgendwas besser oder schlauer wäre als die, die daran gearbeitet haben. Weil da sind schon einige der saftigsten Gehirne der Slamszene drangewesen. Vielleicht ist meine Rolle eher, der Szene den Mut zu zu sprechen, sich endlich einen Stolz und eine Geschichte zu zu legen.
Ich bin froh, dass die Bühnentexte in meinem Regal steht, die Artikel durch markiert, die Stellen angestrichen denen ich widersprechen würde und ich mich mit jeder Ausgabe gefreut habe, dass ich wieder etwas lernen durfte. Danke für eure Arbeit, für eure Energie, für eure Idee so etwas anzubieten. Ich hoffe ihr werdet beerbt. Ich hoffe jemand versteht was eure Intention war uns setzt da an und fort. Ich würde mich wieder freuen.
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Ich mag hier nicht unterschlagen, dass auch andere Gruppierungen Blogs bemühen, versuchen die Szene über die Szene sprechen zu lassen. Bisher hat aber nichts davon die Qualität und Tiefe erreicht wie die Bühnentexte. Und bisher hat nichts davon den vereinenden Faktor gehabt, der vielleicht eben auch noch in der Szene fehlt. Die Plätze wo wir gut und gemeinsam sprechen sind nicht so reichlich, wie wir es vielleicht bräuchten. Und nein, die Backstages reichen eben nicht, weil sie nur eine Ebene erreichen von dem, was Szene sein könnte. Wir haben noch Hausaufgaben zu machen, wenn wir bestehen wollen und Relevanz wollen. Aber wenn wir diese Hausaufgaben machen, dann gibt es eben vielleicht auch mehr Optionen für Künstler*innen in unserer Szene ihre Erfolge zu haben, statt nur die Exit-Strategie ironische Tweets über Slam zu schreiben und darüber Witze-Autor*in bei Böhmermann zu werden.
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