EY, Hank Zerbolesch!

"Ey!" ist eine Kurzinterview-Reihe auf diesem Blog. Drei Fragen, so als wäre mensch kurz auf der Straße spontan angequatscht worden. Alle Beiträge findest du hier

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Kleines Vorwort zu diesem Interview. Ich muss da etwas editieren, wollte aber niemandes Worte zensieren. Hank verwendet ein paar Begriffe in seinen Antworten, die ich selbst nicht tragbar finde und auch nicht offen in meinem Blog stehen haben möchte, weil in meinem Lebensumfeld diese Worte verletzend sind. Die Lösung die ich jetzt dafür gefunden habe ist, dass ihr selbst entscheiden müsst.
Ich werde digital die Worte schwärzen (nur in Weiß), was aber bedeutet, dass wenn ihr sie markiert mit dem Cursor oder eurer Textauswahl, ihr sie trotzdem lesen könnt. Genau wie Hank mündig entscheiden muss, ob er diese Begriffe verwendet, müsst ihr mündig entscheiden, ob ihr sie lesen wollt
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Foto: Hank Zerbolesch
Ey Hank,

wie schreibt man über die dreckigen Teile des Lebens?

Indem der dreckige Teil dein Leben ist. Oder besser war. Weil du in Paris nicht über Paris schreiben kannst.

Wie wichtig findest du es in der Kunst "authentisch" zu sein?

Ich glaube, dass Kunst, die dich berührt, zwangsläufig wahrhaftig ist. Authentizität als Begriff aber ist mit zu allumfassend. Das, was du sagst (und wie du das sagst) spielt da genauso rein wie das was du anhast, wie die Art und Weise wie du dich bewegst. All das macht dich aus, und so soll dann auch deine Kunst sein; wenn sie denn das Label authentisch bekommen soll (Was ja gerade ein Siegel für „gute“ Kunst ist.). Ich halte das für den größten Bullshit, den die Literatur (nach Literaturkritikern) je hervorgebracht hat. Ganz besonders, weil niemand immer gleich ist. Menschen sind voller Widersprüche. Ich hasse Menschen, aber mit vielen hab ich immer wieder großen Spaß. Ich find Fußball scheiße, aber ich liebe die Fortuna (Düsseldorf). Ich bin ein Meister im Trinken, aber ich hasse den Alkohol. Und hier funktioniert das alles mit der Authentizität dann nicht mehr. Und wenn du dann auch nur noch über das schreiben sollst, was du selber erlebt hast, bist du a: irgendwann durch und b: wird’s ganz schön langweilig auf dem Buchmarkt. (Keine Krimis mehr, keine Thriller, keine Geschichten über Serienmörder. Und wenn doch, dann nur noch aus dem Knast. Aber außer Riva verlegt ja niemand Literatur aus dem Knast.) Aber wenn du deine Gefühle nimmst. Deine Emotionen. All das, was du erlebt und gefühlt hast. Alles, in das du klein rein und größer wieder raus bist. Wenn du das nimmst. Und DAS dann in Kunst verpackst. Dann hat diese Kunst etwas wahrhaftiges. Und das liest man, hört man, fühlt man. Wahrhaftigkeit nämlich ist der Unterschied, wenn du etwas hörst oder liest oder siehst, und dich berührt das. Vielleicht verletzt es dich, vielleicht beleidigt es dich, vielleicht flankiert es auch nur deine Meinung, egal, auf jeden Fall berührt es dich. Das ist viel wichtiger als Authentizität. Wenn du versuchst authentisch zu sein (und als Künstler über lange Zeit zu bleiben), kommst du da irgendwann bloß als Udo Lindenberg wieder raus. 

Welche Beleidigungen und Schimpfwörter kannst du dringend fürs Schreiben empfehlen? Oder auch privat?

In meinem allerersten Brotjob hab ich oft und gerne „Scheiße!“ geschrien, wenn irgendwas nicht so lief, wie ich das wollte. Irgendwann dann kam meine Chefin und sagte, ich soll mir mal was neues einfallen lassen, das permanente Scheiße wär auf Dauer echt ermüdend. Ich hab dann erstmal einiges durchgespielt – Hurensohn, Hurenscheiße, Fotze, Spasti, Mißgeburt, Fotzkopp, Bauer, sowas – und Fotze ist dann hängen geblieben. Ist kurz, prägnant und bietet im Eifer des Gefechts weniger Stolpermöglichkeiten als zum Beispiel Mißgeburt. Wenn seitdem irgendwas nicht so läuft wie ich das will, schrei ich laut „Fotze!“ und trete irgendwo gegen. (Wobei ich mir auch gern mal nen Zeh breche.) (Karma ist ein Hurensohn.)
Außerdem setz ich Schimpfwörter beim Schreiben gern als emotionale Verstärker ein. Ein Wort wie Liebe, zum Beispiel. Wenn du da ein „verdammte Scheiße“ dran hängst, wird das Wort, wird die Bedeutung gleich nochmal schwerer. Was es ja auch braucht, schließlich geht es um die Liebe, verdammte Scheiße, um die Liebe!

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Hank Zerbolesch ist Autor, Hörspielmacher und Halunke aus dem bergischen Land. Er hat einen eigenen Wikipedia-Artikel, was ja schon immer recht cool ist. Infos zu seinen Projekten findet ihr auf seiner Homepage zerbolesch.de

Kommentare

  1. Mella29.9.23

    WATT? WATT? WATT? Leck Arsch, ein Fluch-Brother from another mother. 😆 Kraftausdrücke bereichern jedes Argument, verdammte Scheiße! Große Liebe dafür! Und wenn man es dann noch größer machen will, verdoppelt man EINFACH auf KACKSCHEIßE! 💚

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