ja, und

Ich sehe nicht mal das ganze Video von Kommunikationsexperte Vinh Quang Giang (@askvinh auf Instagram) und bin zurück geworfen in einen Konflikt in meiner Jugend und ins junge Erwachsenenalter. Und wenn ich ehrlich bin eine schlechte Angewohnheit, die mir noch jetzt passiert. Wenn Menschen vor mir sprechen und ich anknüpfen möchte, sage ich oft "Ja, aber". Früher war es noch schlimmer, weil ich oft "Nein" gesagt habe und dabei wollte ich gar nicht widersprechen, sondern nur sprechen.

Es gibt eine bunte Auswahl an Wörtern, Lauten und Angewohnheiten die ich benutzt habe um meinen Platz im Gespräch zu bekommen, die alle die Wirkung einer Unterbrechung hatten und sich wie ein Widerspruch ausgelebt haben. Und das, obwohl ich gar nicht widersprechen wollte, sondern hauptsächlich sehr euphorisch oder anders aktiviert war, um jetzt auch etwas zu sagen. Die Gedanken kommen glühend heiß in den Kopf, wir haben Angst sie nicht halten zu können und wollen sofort ins Gespräch. Auch im Haushalt meiner Eltern habe ich das beobachtet und ironischerweise finde ich es dort richtig schlimm: Da wird versucht das Ende meines Satzes noch während ich spreche mit zu sprechen, um dann daraus das Wort zu übernehmen. Das ging in besonders trotzigen Phasen soweit, dass ich aufgehört habe zu sprechen oder absichtlich meinen Satz im Satz verändert habe. Sonderlich kooperativ ist das nicht.

Während ich es zu hause ganz schlimm fand, habe ich es eben vorgelebt bekommen und auch nicht nur dort erlernt, dann in meinem Umfeld selbst angewendet und war irritiert, wenn es dann an mir kritisiert wurde. Oft war ich auch irritiert wenn mir Leute gesagt haben, ich wäre gegen all ihre Ideen. Das bin ich gar nicht gewesen, in meiner Wahrnehmung und Wahrheit, leider hat meine Sprache sich anders angehört. Und tut es auch heute noch öfters.

In dem kurzen Clip von Vinh geht er auf einen kleinen Workaround ein, der helfen kann die Sprache zu verändern. "Try to use yes AND where you would usually say yes BUT". Ein Gedanke der mir sofort einleuchtet. Denn es nimmt auch sprachlich jeden Widerspruch aus der eigenen Antwort. Es erlaubt die Aussage der sprechenden Person mit dem eigenen Punkt zu verstärken und zu verlängern. Die wahre Intention wird klarer. So weit so einfach. Übung macht dann die Meisterschaft, da führt dann natürlich kein Weg vorbei, aber warum kommunizieren wir überhaupt so?

Marshall Rosenberg hat in seinen Arbeiten unsere Alltagskommunikation, wenn sie unempathisch ist, als so genannte Wolfssprache bezeichnet. Weil wir dann versuchen Hierachie durchzusetzen, in dem wir anderen "Übers Maul beißen", wie es Wölfe machen um ihre Jungtiere zu erziehen. Wölfe machen das aus anderen Gründen als Menschen, das Bild aber ist recht passend. Auch bei uns besteht das Vorurteil - laut Studien - dass wer zum Beispiel mehr Redezeit hat, auch in einer führenden Position besser geeignet ist. Und mit dem allgemeinen Gefühl der Knappheit von Zeit in unserem Alltag/System, müssen wir in Kommunikation natürlich versuchen unsere Plätze zu bekommen. Klar, weil dieses System uns immer wieder daran erinnert, dass wir im Wettbewerb miteinander stehen könnten. Die gesündere Realität ist aber, empathisch und kooperativ zu sein. Denn wir sind keine Wölfe. Kein hierachisches Rudel. Und wenn auch es bei Menschen auch öfters mal Führung und Anleitung gebrauchen kann, werden diese eben besser umgesetzt und gelebt mit einer offenen und kooperativen Kommunikation.

Bei einem kleinen Baustein wie einem "ja, und" anzufangen, statt einem "ja, aber" nimmt da einen Reibungspunkt raus. Und wo immer wir Reibungspunkte auflösen, sparen wir Energie und Kraft, die wir dann für wichtige Dinge einsetzen können. Zum Beispiel, um auch größere Bausteine in unserer Kommunikation zu ändern und Energie dafür übrig zu haben, allen Platz im Gespräch zu geben.


Kommentare

  1. Mella17.9.23

    Spannend, deine Gedanken dazu zu lesen und wie sich eine vergleichbare Angewohnheit für dich dargestellt hat. Ich hab erst gestern bemerkt, dass ich in einer Gesprächsrunde für meine längeren Redebeiträge um Entschuldigung gebeten habe. Auch, weil ich niemandem den Raum oder die Zeit nehmen wollte, selbst etwas beizusteuern. Witzigerweise ging es thematisch auch um Macht-Symbole und den Umgang mit Macht und das Schaffen von Räumen. Und darum, dass Redezeit eben auch eine Form von Machtausübung sein kann, die ich ganz und gar nicht möchte. Darüber zu reden, wie wir das wahrnehmen, war aber spannend. Und ich mag mir "Ja, aber" wirklich auch abgewöhnen, was mir extrem schwer fällt. Im besten Fall erinnere ich mich beim nächsten Mal an diesen Beitrag und kann es dann schrittweise korrigieren... Weiter in die Richtung, dass Gleichzeitigkeit keinen Widerspruch bedeuten muss.

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    1. Ich empfinde diese Angewohnheit nochmal als sehr anders. Denn sich entschuldigen hat nochmal eine ganz andere Wurzel als um seinen Platz im Gespräch zu kämpfen. Ja, ich sehe dass es da auch um das Verändern von Sprachgewohnheiten geht, die Ebene des Widerspruchs ist aber echt auch nochmal sehr anders. Vorallem, da Entschuldigungen sich unterordnen.

      So oder so, zielen wir auf Augenhöhe.

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