Wenn es zu gut läuft

Die letzten Terminen waren alle gut. Aaron kommt beständig weiter mit seiner Arbeit, Berta hat alle Emails immer beantwortet, Cameo ist immer anwesend. Die Social Media Posts gehen raus wenn sie es sollen, alles läuft. Nur Daria macht irgendwie ihre Sachen nicht. Aber Daria ist auch erst seit ein paar Wochen im Team. Zum Glück steht ja aber alles im Chat und mensch muss nur die Suchfunktion benutzen - Und was nicht im Chat steht erklärt sich eigentlich von selbst. Und eigentlich sind alle Abläufe ja auch immer gleich, also ist es schon ein bisschen komisch, dass Daria das nicht so gut hinbekommt. Von Eren hat mensch eigentlich auch schon lange nichts mehr gehört. They hat nichts mehr in die Chats geschrieben und war auch nicht beim letzten Treffen da. Aber es läuft ja. Also ist das kein Problem.

Klar, dieser erster Absatz ist ein super gestelltes Szenario. In meiner Erzieher*innen-Ausbildung haben wir manchmal solche "Schlüsselsituationen" bekommen. Die waren zugegebenerweise etwas anders und nochmal besser geschrieben. Aber das Ziel war immer abzuleiten, was hier eigentlich gerade die Situation ist, aber auch was der Lernanlass ist. Daraus ableiten sollten wir dann Lernziele für uns, aber auch mögliche Angebote die die Situation weiter entwickeln können.

Das Szenario da oben ist jetzt vielleicht nicht perfekt geschrieben, aber beinhaltet eben abgewandelt ein paar Beobachtungen und Erfahrungen, die ich schon in Teams und Arbeitsgruppen, aber auch alleine machen durfte. Denn bei vielen Projekten kommt irgendwann der Zeitpunkt, wo sich alles erstmal eingespielt hat. Aber gerade bei Teams, Kollektiven und der eigenen Arbeit geht es ja immer weiter. Und das kann dann manchmal zu kleineren Problemen führen, die heimlich anwachsen könnten.

Was jetzt auch nicht den Teufel an die Wand malen soll, aber ich mag euch ein paar Impulse geben was mensch tun kann, wenn es gerade mal sehr gut läuft, mensch diesen Zustand aber auch bei behalten möchte.

Kommunikation aufrecht halten und prüfen
Viele Gruppen und Teams sehen sich nicht jeden Tag. Oder einzelne Teammitglieder sind nicht jeden Tag vor Ort. Manche Dinge besprechen wir spontan mit einzelnen Teammitgliedern/Menschen und müssen dann entweder hoffen, dass wir uns daran erinnern, wenn wir auf die anderen treffen. Oder wir versäumen es, alle zu informieren. Außerdem, wenn der Workflow passt, dann kann es auch schon mal sein, dass mensch in Stille weiterarbeitet, aber deshalb die anderen manchmal gar nicht mehr mitbekommen und sehen, zum einen was so alles gearbeitet wird, aber auch wie jetzt wirklich der aktuelle Stand ist. Auch - wie in meinem Fallbeispiel beschrieben - kann es ein Problem sein wenn Leute schon sehr gut eingespielt sind, aber neue Menschen Teil eines Teams werden. Dann werden wichtige Dinge, die inzwischen schon Standards sind oder auch alte und relevante Entscheidungen nicht noch mal erklärt, weil mensch nicht darüber nachdenkt, dass nicht alle auf gleichem Stand sind.

Kommunikation überprüfen ist immer ein sehr sensibler Prozess, weil so viel unserer Kommunikation eben nicht bewusst passiert und wir es vielleicht bewusst machen müssen. Der Versuch darf dann aber sein heraus zu finden, was denn alle wissen wollen und müssen? Und wie wollen sie diese Informationen bekommen?

Ein alter Arbeitgeber von mir hat häufig gesagt: "Melden macht frei" und gemeint war damit, dass wenn wir mitteilen was in unserem Bereich gerade passiert, die anderen (und die Vorgesetzten) nicht sagen können sie hätten von nichts gewusst. Transparenz stärkt das Team, denn alle (auch scheinbar kleinere) Beobachtungen und Informationen zu teilen, erlaubt auch dem Rest des Teams an Zielen und Aufgaben mit zu denken, die nicht ihre eigenen sind.

Dokumentation
Da ich ja bekannterweise Fan von "Legacy" bin, bin ich auch Fan von Dokumentation. Unser Gedächtnis ist zum einen ja schlechter als wir glauben, zum anderen kommt da jeden Tag viel mehr Material rein als wir glauben. Uns dann später an etwas treffsicher zu erinnern, was und wie wir es mal gemacht haben, ist gar nicht mal so leicht. Auf dem Weg geht manchmal Wissen verloren oder wir müssen manche Arbeit doppelt machen. Da kann Dokumentation helfen.

Auch zum vorherigen Punkt kann Dokumentation sehr hilfreich sein. Denn gerade wenn neue Menschen in ein Team kommen, kann es sinnvoll und nützlich sein, für bestimmte Abläufe "Hand-Outs", Tutorials und Material zu haben. Nachlesen zu können, wo bestimmte Abläufe herkommen kann hilfreich sein. Anleitungen die so geschrieben sind, dass mensch sie auch versteht, ohne das jemand erfahrenes daneben steht sind Gold wert. In der Erzieher*innen-Ausbildung hieß es, dass wenn wir ein Angebot schreiben und konzipieren, wir es so schreiben sollten, dass es - falls ich zum Beispiel krank werde - mit Hilfe meines Textes auch eine Fremde Person durchführen kann. Das kann ein Ziel für Anleitungen und Dokumentation sein.

Ziele abfragen / Realität checken
Das Gefühl das es gut läuft, ist ein super Gefühl. Wer mit Leistungssportler*innen spricht wird aber schnell merken, dass am Rande dieses guten Gefühls ein Problem anklopft: Wenn sich das Training immer und zu lange gut anfühlt, dann ist es nämlich vielleicht nicht mehr schwer genug. Entweder, weil konkrete Ziele fehlen oder weil kein Abgleich mehr gemacht wurde, wie der eigene und aktuelle Stand jetzt gerade eigentlich ist. Superoptimierer*innen würden sich jetzt vielleicht dann einen Haufen Herausforderungen drauf packen, das empfinde ich allerdings wiederum toxisch und gefährlich. Es darf gerne auch mal leicht sein und mensch muss sich nicht immer weiter entwickeln und etwas lernen.

Die Frage, ob ich die aktuelle Lage aber richtig erfasse und ob ich noch die richtigen oder ausreichend Ziele vor Augen habe kann dabei aber sehr nützlich sein. Und in Teams kann diese Frage auch wichtig sein - das merke ich besonders im Ehrenamt - wenn Menschen nicht mehr engagiert oder gar nicht mehr auftauchen. Da kann es wichtig sein die individuellen Ziele abzugleichen und zu schauen, wie sich diese wieder mit der Gemeinschaft zusammen führen lassen.

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Am Ende ist natürlich jede Situation super individuell und meine Tipps und Hinweise können an euren Situationen komplett vorbei gehen. Auf die eigene Situation zu schauen und sich zu fragen, ob es gerade etwas gibt, was ich für die Zukunft tun kann, empfinde ich aber immer sinnvoll. Arbeit in unsere Arbeit zu stecken, das lohnt sich immer und ist Zeichen von Leidenschaft. Und Leidenschaft ist gut für die Seele. Weil wenn wir sie erfüllen, kommt dann am Ende Selbstwirksamkeit raus. Und die ist wieder gut für unsere Identität und ja, überhaupt: An sich arbeiten ist - meiner Meinung nach - äußerst gesund und lohnt sich.

Kommentare

  1. Anonym26.9.23

    Direkt Bock auf ein paar geile und sinnvolle Team-Meetings, um nach langer Pause mal wieder alles in einen Pott zu werfen und zu gucken, was genau da aktuell drin ist und wie man daraus was Leckeres für alle zaubern kann. ;) (not fishy, please.) Auch da ist Transparenz der Shit!

    (Damit meine ich ganz deutlich NICHT wöchentliche jour fixe Meetings im Büro, die zwar offiziell die o.g. Ziele verfolgen, aber SO hart nerven, dass sie am Ende das Gegenteil bewirken.)

    Ehrenamt regelt!! XD

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    1. Ich glaube halt wenn wöchentliche Jourfixe verhindern dass die Arbeit gut wird, dann muss an der Qualität der Besprechung gearbeitet werden. Und an den Zielen davon. Weil auch sowas kann sehr gut sein. Und da sind wir eben bei Dingen die mensch pflegen könnte, wenn es gerade gut ist: Die Kultur in der eigenen Struktur

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