Sich überleben: Um sich kümmern ist um andere kümmern

Vor einiger Zeit ging es mir nicht so gut, aber ich hatte etwas Energie übrig. Also habe ich im Sinne meiner Selbstwirksamkeit kleine Erkenntnisse und Merksätze hier im Blog aufgeschrieben, die mir geholfen haben aus schweren Zeiten und Denkmustern raus zu kommen. Daraus ist dann eine unregelmäßige Reihe im Blog mit sanft übertriebendem Namen geworden: "sich überleben" und wenn ihr auf die Worte klickt, kommt ihr zu allen Beiträgen.

Der wichtige Disclaimer wie immer: Wenn ihr großen Leidensdruck empfindet, werden meine kleinen Gedanken hier das nicht beheben können. Je nachdem was da in euch vorgeht, könntet ihr eher Unterstützung von Therapeut*innen brauchen. Scheut euch nicht, Therapie kann ein guter wichtiger Ort sein.

----

Wie viele wichtige Erkenntnisse, haben wir diese auf einer Spazierrunde mit dem Hund gefunden. Zu erst ging es darum, dass Menschen sich Sorgen um einen machen. Meine Sozialisation als cis-Mann hat dafür gesorgt, dass tief in meiner Programmierung eine Abneigung gegen diesen Zustand vorprogrammiert ist. Niemand soll sich um mich Sorgen machen, denn wenn sich Leute Sorgen um dich machen, dann fällst du ihnen zur Last (und im schlimmsten Fall bist du ihnen später auch noch was schuldig). So rechnet es die "alte Welt" vor, in der diese Männlichkeitsbilder und andere problematische verkürzte Denkweisen noch intakt sind. Aber mit einer neutraleren Blickweise betrachtet, ist Sorge auch was schönes. Denn es ist ein sehr eindeutiger Hinweis darauf, dass wir anderen Menschen etwas bedeuten. Denn wenn sich wirklich niemand nie um uns Sorgen machen würde, dann würden wir vielleicht wirklich im Alltag ausstrahlen, dass wir äußerst selbstständig sind, aber eben auch, dass wir keinen rechten Platz für Verbindung haben. Sich um jemanden Sorgen, ist eine Handlung der Liebe.

Besonders skurril war diese Denkweise bei mir, weil ich mir natürlich um andere immer Sorgen machen durfte, aber andere um mich bitte nicht. Das ist natürlich ganz schön hierachisch gedacht und damit nicht wünscheswert. Die Erzählung der alten Welt spielt aber genau darauf an: Um wen sich Sorgen gemacht werden muss, ist untergeordnet. Ich habe mich mit meiner alten Haltung zur Sorge also anderen Menschen übergeordnet. Aber wie bereits geschrieben, ist die Sorge an sich ja nichts schlechtes.

Die Stufe Eins des Erkenntnis im Gespräch mit meiner Mitbewohnerin war die Notwendigkeit zu zulassen, dass andere einfach auch erstmal Gefühle zu einem haben dürfen. Direkt darauf folgte aber die Erkenntnis, dass wir für diese Gefühle keine Verantwortung übernehmen müssen. Sprich: Wenn du dir Sorgen um mich machst - und dich das belastet - kannst du mir das zwar zum Vorwurf machen, allerdings muss ich dafür nicht zwingend die Verantwortung übernehmen. Nur ganz wenige Verbindungsformen rechtfertigen das, nämlich die in denen wir verpflichtet sind für andere Menschen mit die Verantwortung zu tragen. Allerdings kann ich mich natrülich trotzdem schlecht fühlen, wenn andere sich um sich sorgen, weil Sorge in dem Ruf steht ein schlechtes Gefühl zu sein. Was kann ich da also tun?

Mich um mich kümmern. Einige Menschen opfern sich vollständig für andere auf und sehen es nicht ein, den selben Einsatz für sich zu bringen. Wenn andere sich dann Sorgen um sie machen, wird das abgelehnt, weil dann geht es ja wieder einer Person im Umfeld schlecht, was den Aufopfernden gegen ihre Ziele geht. Oft geht es da um eine gewissen Harmonie im Umfeld, welche durch Sorge eben gestört wird. Die große Ironie daran: Der beste Weg diesen Leuten die Sorge zu nehmen, ist erkennbar und besprochen Verantwortung und Sorge für sich selbst zu übernehmen. Denn wenn mir jemand mitteilt, dass sie Angst haben, dass ich mich überarbeite, ist die Lösung eben nicht, dass ich nur sage: "Stimmt nicht" und dann weiter arbeite. Aber ich kann erzählen, was diese Person vielleicht nicht sieht, nämlich wie ich Pause mache. Wenn ich zeige, dass ich mich um mich Sorge, dann nehme ich Menschen die Sorge.

Ein guter Trick übrigens um da hinzukommen kann sein, sich wenn ein Problem bei einem selbst auftaucht, einen Teil der Wurzel dieser Überlegungen mit zu nehmen. Die Methode: Sich selbst fragen, was wir einer befreundeten Person mit unserem Problem raten würden. Was würde ich einem Menschen raten, um den sich alle seine Freund*innen Sorgen machen? Was würde ich einem Menschen raten, der immer traurig ist? Und diese Ratschläge dann umsetzen. Ich kann aus eigener Erfahrung dazu zusätzlich empfehlen, zu versuchen die Situation die die Sorge auslöst einen Moment zu verlassen. Und wenn es nur für einen Spaziergang ist.



Kommentare

  1. Anonym18.9.23

    Wichtig und braucht immer mal wieder Erneuerung, um es nicht zu vergessen. Den Reminder kann ich aktuell gut gebrauchen.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Anonym18.9.23

      Ja, ich schreibe einige von den Artikeln oft auch dann, wenn ich an etwas wichtiges erinnert wurde, was drohte nach hinten weg zu fallen.

      Löschen

Kommentar veröffentlichen

Anmerkungen? Fragen? Wünsche? Schreib gerne einen Kommentar. Ich schaue regelmäßig rein, moderiere die Kommentare aber auch, also bleibt nett.

Vielleicht auch spannend: