Person Vs. Inhalt

Ich weiß gar nicht mehr, wo ich es her habe, aber meine Vermutung ist, weil mir bei mir selbst und bei anderen Geläster auf die Nerven gegangen ist. Gerade in Backstages oder anderen angespannten energiereichen Situationen geht es schnell, dass wir nicht die beste Version von uns selbst sind. Und dann kann es schon mal sein, das Neid oder andere toxische Aspekte des Menschseins machen, dass wir über andere Menschen sprechen die nicht da sind. Und das eben nicht in den Fakten, sondern auch oft in unserer Haltung oder Laune. Lästern, als einer von vielen Aspekten, ist sehr sicher toxisch. Irgendwann bin ich aber zu dem Gedanken gekommen, dass jedes Gift das wir ausspucken, eben auch einmal durch unser System geht und auch uns schadet. Aber was liegt an der Basis von solchem Verhalten?

Häufig ärgern wir uns über Menschen, die andere Haltungen, Ideen oder Ziele haben, die mit unseren über Kreuz gehen. Ich habe bei mir selbst beobachtet, dass ich mit Menschen dann auch darüber sprechen möchte, weil ich mich angegriffen fühle, was bedeutet, dass ich verunsichert bin. Ich sehe eine Art zu sein oder zu handeln, die nicht meiner entspricht und verliere die Sicherheit, ob ich richtig liege. Ich habe dann oft aggressiv reagiert. Und das bedeutet die eigene Unsicherheit damit zu verdecken, selbst anzugreifen. Dabei liegen die Probleme ja erstmal, teilweise ja auf meinem Feld. Denn Neid, der passiert ja in mir. Verunischerung passiert in mir. Wie also damit umgehen?

Ich weiß wirklich nicht, ob es für mich Rosenberg oder Sokrates irgendwie schuld waren oder Menschen in meinem Umfeld, aber eine der Strategien die ich gewählt habe, weil ich auch nicht mehr wollte, dass Dinge die mir erzählt werden mich an Freundschaften und Verbindungen zweifeln lassen, dass ich mir erstmal nur die Sache habe erzählen lassen. Das bedeutet, dass ich keine Namen hören wollte, sondern nur das Problem und die Situation. Anstatt zu hören "Aaron Absen hat zu mir gesagt, dass meine Kunst es nie in ein Museum schaffen wird.", wurde mir dann gesagt "Eine Person greift meine Kunst an und sagt sie ist nicht gut genug fürs Museum." Es ist ein recht minimaler aber effektiver Unterschied. Denn anstatt über Aaron Absen und meine Rolle zu dieser Person nachzudenken, konnte ich viel empathischer bei meinem Gegenüber im Gespräch und deren Kunst bleiben. Wir konnten auf der Seite der Fakten beleuchten, was daran vielleicht stimmen könnte und auch herausfinden ob die Person überhaupt qualifiziert ist so eine Aussage zu treffen.

Diese Strategie habe ich aber irgendwann auch umgedreht angewendet. Ich mag nicht über Menschen und Loyalitäten streiten, solange es sich vermeiden lässt. Und es lässt sich auch nicht immer vermeiden. Je nachdem was das Problem ist, ist es schon auch möglicherweise wichtig irgendwann den Namen zu wissen. Aber für mich war es auch befreiend erstmal nicht über Menschen zu reden, sondern über die Sache. Eine Sache, die kulturell eben gar nicht so üblich ist.

Denn wenn wir auf Kunst, aber auch Social Media, aber auch Politik schauen, dann gibt es einen großen Konflikt dazwischen, was denn jetzt wichtiger ist. Persönlichkeiten spielen eine große Rolle und wir schaffen es eben nicht immer, die Inhalte von den präsentierten Charakteren zu trennen. Plötzlich ist es uns wichtiger, ob jemand authentisch ist, als das wofür diese Person steht. Wir wissen nicht was im Parteiprogramm steht, aber wir wissen genau ob wie Bertha Bebsen wählen würden. Und ist persönliche Bindung eben wichtig. Wir sind Gesellschaftswesen. Und sobald Menschen mit Menschen zu tun haben, fährt eben auch mit, wie wir zu den anderen stehen. Die Übung sich davon zu trennen kann es aber wert sein.

Denn wie oft im Leben verpassen wir wohl eine gute Gelegenheit, weil wir sie nicht annehmen, weil sie aus der "falschen" Richtung kommt. Oder übersehen, dass wir eigentlich gerade inhaltlich falsch liegen, weil wir nicht die Offenheit mitbringen, den Inhalt vor der Person zu sehen. Diese Offenheit beinhaltet aber auch Chancen zum persönlichen Wachstum. Und Gelegenheiten Frieden zu schaffen und zu bekommen.

In einem Podcast von Simon Sinek mit Sharmadean Reid, erklärt letztere, dass eine wichtige Frage irgendwann für sie im Aufbau ihrer Firmen und Ideen war, ob es wirklich noch darum geht für eine Mission zu stehen oder ob sie nur noch ihr eigenes Wachstum im Blick hatte. Ob sie nur noch ihre Person und Persönlichkeit vorwärts pushen wollte und hat aber auch sich gefragt, wer unter so einem Wachstum, welches ja ein Messwert dafür ist ob wir etwas voran bringen, am meisten leidet? Und als sie gesehen hat, das wenn sie nur die "Zahlen" voran bringen will, ob wohl sie selbst schon eigentlich genug für ihr Leben hat, dass sie selbst am meisten darunter leidet. Und dann im nächsten Schritt ihre Angestellten. Etwas was ihrer Mission widerspricht, da sie Empowerment und eine bessere Zukunft für Frauen in der Geschäftswelt möchte. Also hat sie überlegt, wie sie statt sich, ihre Inhalte besser stärken und voran bringen kann. Was auch bedeutet hat, dass sie nicht mehr nach messbaren Zahlen, nach "Scale" gearbeitet hat, solange die Geschäfte gut laufen. Auch das ist eine Variante, Inhalte und Person gegen einander abzuwiegen.

Zurück zu den Konflikten und Lästern und das Reden über die Sache, statt der Person. Ich habe irgendwann angefangen zu probieren auch die drei Siebe des Sokrates mit einzumischen. Er soll gesagt haben, dass mensch ihm Dinge nur erzählen soll, wenn sie wahr sind, wenn sie wichtig für ihn zu wissen sind und wenn es etwas gutes ist, was er erfahren würde. Wobei gut nicht heißen muss, dass er erfreulich ist, sondern gut für ihn das zu wissen. Diese Kriterien habe ich allerdings weniger verwendet um mir zu überlegen, ob ich etwas erzählen möchte. Weil was Sokrates etwas ausgespart hat, ist die Frage ob mensch etwas auch erzählen muss, um es selbst los zu werden. Um es aus dem System zu bekommen. Auch das ist wichtig und gesund. Allerdings habe ich die Siebe genutzt um zu entscheiden, ob ich die Namen von Menschen eben doch erwähne. Denn wenn jemand etwas gutes gemacht hat, es nachweislich ist und es auch noch gut für andere zu wissen ist, dann erwähne ich auch gerne den Namen der Person und nicht nur die Sache. Aber eben auch, weil das niemandem schadet. Und ehrlicherweise auch, weil ich mir das auch für mich wünschen würde und für die Gesellschaft um mich herum. Shout Outs sind eine gute Sache und passieren zum Glück schon auch immer wieder, aber ich finde da ist noch Luft nach oben was das zeigen auf gute Leute angeht.

Und während ich das schreibe, springt meine Waage an und fragt mich, ob es eben wichtiger ist auf gute Leute oder gute Inhalte zu zeigen? Und da ist die Antwort vielleicht beides oder vielleicht das es eben besser ist die Frage zu behalten und sich immer wieder neu zu stellen.


Kommentare

  1. Uff... Ja. Mir ist irgendwann aufgefallen, wie gut ich es oft finde, dass du die Namen weglässt. Du hast das nie so richtig thematisiert, aber vorgelebt und daran mag ich mir weiterhin ein Beispiel nehmen mir gelingt das oft nicht gut, aber es läuft im Kopf mit und klappt immer öfter, je öfter ich bewusst darauf achte.

    Für mich war es auch eine Erkenntnis, dass Lästereien im (früheren) nähen Umfeld mich unzufrieden gemacht haben. Es ging immer mehr um Personen und eingeforderte Loyalitäten als um Inhalte. Nachfragen und Perspektivenwechsel waren automatisch Angriffe und wurden unterbunden.

    Ich schaue mir bei Konflikten eigentlich gern das Gesamtbild an und verlasse mich nicht auf die Aussage einer einzelnen Konfliktpartei. Menschen, die das grundsätzlich unterbinden wollen und kein Interesse an der Sache an sich haben, sondern vor allem daran, dass sie "gewinnen", sind in diesem Jahr aussortiert worden, bzw. haben sich selbst aussortiert.

    Die sokratischen Siebe hätte ich gern früher gekannt, um mir ziemlich viel Ballast zu ersparen, der über die Jahre zu abgekippt wurde. Aber zumindest heute helfen mir ein paar dieser Gedanken und Tools sehr weiter. Danke dir dafür.

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    1. Für mich ist halt auch das Ding dass es befreiend ist, weil die Sache immer größer ist als das eigene Ego. Wenn ich will, dass die Welt gerettet wird, dann darf ich nicht darüber diskutieren, wer es am Ende machen soll und den Ruhm abbekommt, sondern ich brauche so viel Bewegung wie möglich, damit es funktioniert.

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