Was mir die Morning Pages gebracht haben

Ein Gedicht zum Artikel

Die Morning Pages sind eine Methode die zur Meditation und Selbstaktualisierung genutzt werden soll. Sie ist zurück zu fühen auf das Buch "The Artist's Way" von Julia Cameron. Dieses Buch wiederum gilt als eines der bekanntesten und auch viel besprochenen Selbsthilfe- und Hilfe-Büchern für Künstler*innen und kreative Menschen. Die Morning Pages sind dabei ein ganz essentieller Teil der Arbeit die mensch mit dem Buch macht, welches als zwölfwöchiger Kurs angelegt ist.

Die Methode ist erstmal denkbar einfach. Morgens, als eine der aller allerersten Sachen am Tag die mensch macht, setzt mensch sich hin und schreibt drei Seiten aus den Gedanken. Es wurde im Buch nie klar definiert welche Größe die Seiten haben, nur, dass es besser handschriftlich ist. Das Schreiben in der Zeit ist nicht kreativ, sondern als Gespräch mit dem eigenen Innenleben gedacht. Es ist nicht als Tagebuch gedacht und festhalten des Vergangenen, sondern als eine Wahrnehmung des Jetzt und der Gedanken die jetzt auftauchen. Auch die Form ist nicht festgelegt. Was allerdings feststeht, dass es jeden Morgen passieren soll, im besten Fall ohne Ausnahme.

Gestützt sind diese und vergleichbare Methoden von Wissenschaft, besonders aus psychologischen und therapeutischen Kontexten, da es im Schreiben viele Möglichkeiten gibt Erfahrung und Gedanken zu verarbeiten und zu verwerten.

Ich selbst schreibe jetzt seit über einem Jahr fast jeden Morgen meine Pages. Nur zwei Tage fehlen mir, wo ich mir körperlich und paraller psychischer Erkrankung in einem Zustand war, in dem ich es nicht mehr geschafft habe und es mir nicht erlaubt habe die Seiten zu schreiben. Vermutlich auch als eine Art Strafe an mich selbst, weil das was da in mir los war wusste, dass keine Pages zu schreiben eine Verletzung gegen mich selbst wäre. Weil sie wichtig sind und mir gut tun.

Und deshalb schreibe ich diesen Artikel. Es ist leicht eine Methode vorzustellen, es ist fast unmöglich anderen bei zu bringen, was diese Methode an Erkenntnisse gebracht hat. Mensch muss es schon selbst tun. Wenn ich euch hier von meinen Versuchen wieder zu Joggen erzählen würde, würdet ihr dadurch auch nicht fitter werden. Allerdings könnten ihr aber vielleicht Anreize finden, selbst (wieder) zu joggen. Und das mag ich bieten.

Vorne weg: Es gibt keine ultimative Methode für Meditation, für Selbstaktualisierung. Es gibt aber einen Haufen Methoden und diese kann mensch dann auch für sich anpassen. Mein Artikel ist nicht der Versuch, euch die Pages als Tool zu verkaufen, sondern für mich selbst auch mal festzuhalten, was ich durch diese Übung und das Training mit Konstanz für mich geschafft habe. Wenn es jemanden von euch inspiriert und es für euch auch etwas tut, cool. Wenn es bei euch nicht klappt, dann habt ihr nichts falsch gemacht. Wobei ich dann wenn ihr es probieren wollt euch entweder empfehle euch das Buch in einer Bilbliothek zu leihen und/oder mindestens drei Wochen dran zu bleiben. Nach wenigen Tagen stellen sich noch nicht die Effekte ein, die es haben soll.

Was ich bekommen habe, seit ich die Morning Pages schreibe:

- Egal ob ich noch Gedichte schreibe oder Artikel an dem Tag, ich habe auf jeden fall geschrieben und folge damit meinem Wunsch eine Person zu sein, die schreibt.

- Ich habe gelernt, dass in mir innovative Gedanken liegen die meine Konflikte mit meiner Umwelt und meinen eigenen Anteilen lösen können. So kann ich mein eigener Freund und Berater sein. Das ersetzt auf keinen Fall die Menschen um mich herum, die zu mir stehen, aber es erlaubt mir zum einen nicht problematisch abhängig von ihnen und ihrer Unterstützung zu sein, zum anderen erlaubt es mir aber mit diesen neuen Gedanken mit den Menschen zu sprechen die mich kennen und weiter zu überlegen ob diese neuen Schlüsse sinnvoll sind.

- Mein Schlaf ist deutlich besser geworden, denn

- Durch eine feste Verabredung jeden Tag mit mir selbst ins Gespräch zu kommen und zu arbeiten, haben meine Sorgen einen eigenen konkreten Platz. Sie fühlen sich gut -haha- umsorgt, weil Anteile in mir, wie zum Beispiel meine innere Kritik wissen, dass sie jeden Tag mindestens einmal ins Gespräch mit mir kommen können und ich offen für sie bin. So kann auch eine Sicherheit mit meinem Selbst entstehen.

- Es gibt mehr Klarheit in meinem Denken. Denn durch die morgendliche Übung schaffe ich es auch am Tag, auch wenn ich nicht schreibe, deutlicher meine Bedürfnisse, Energien, Gefühle und aktivierten Anteile zu erkennen. Dadurch wird es mir auch leichter, Veränderungen die ich an mir vornehmen möchte um zu setzen. Dadurch dass ich mich jeden Tag mindestens ein mal formuliere, bin ich halt geübter darin so mit mir (und dadurch mit anderen) zu sprechen, dass ich mich auch deutlich verstehe.

- Es fällt mir deutlich leichter zu akzeptieren, dass ich Dinge nicht weiß, dass ich mich nicht eindeutig erinnere und dass ich Dinge nicht verstehe. Schaue ich auf die Zahl der Fragen, die ich mir selbst in den Morning Pages stelle und nicht immer in voller Eindeutigkeit beantworten kann, wird mir auf eine gute Art die Begrenzheit meines Denkens klar. Und auch die Begrenzheiten der Logik. Denn es ergibt nicht alles Sinn was im Leben passiert, wenn auch wir allem Sinn geben können, wenn wir das wollen. Aber wir müssen es eben nicht. Es fällt mir leichter zu sehen, dass manche Dinge einfach passieren und an einem vorbei fliegen dürfen, denn es hat nicht alles eine Bedeutung und wir werden nicht jede Antwort finden. Besonders nicht wenn wir verbissen sind dabei.

- Die Routine hat meinen Morgen und damit auch meinen Tag stabilisiert. Weil ich jeden Morgen die Pages schreibe und das auch schon oft am Abend vorher vorbereite, habe ich ein paar Gewohnheiten etabliert, an die ich mit Leichtigkeit weitere Anlegen konnte. Mein Morgen ist dadurch ein viel aktiverer Start in den Tag und ich vergesse auch viel seltener etwas. Auch bei ganz grundlegenden Dingen musste ich noch vor einiger Zeit überlegen, wann ich was wie unterbringe und in welcher Reihenfolge. Jetzt sind intuitiv die Dinge miteinander verknüpft. Ich bleibe nicht mehr im Bett hängen und verballer meine Zeit direkt morgens im Handy im Internet, sondern ich stehe auf und mache andere Dinge, die nicht schon direkt meinen Kopf mit Impulsen von Außen verstopfen.

- Mir geht es besser mit mir. Könnte ich lang erklären, braucht es aber nicht. Trotz einem hart herausfordernden Jahr, schaue ich auf mich selbst und bin grundsätzlich zufrieden mit mir.

- Ich werde eine Sammlung über meine Geschichte haben, die ich vielleicht meinem Kind hinterlassen kann. Wenn auch die Pages für sich selbst geschrieben werden sollen und nicht dafür gedacht sind von anderen gelesen zu werden, ist mit der Geburt meines Kindes der Gedanke aufgekommen, dass ich aus meiner biologischen Familie keine Überlieferungen habe. Ich besitze kaum alte Fotos, keine Briefe, keine Schriftstücke. Irgendwann werde ich vielleicht einen Haufen Kram erben, der ohne die passenden Erzählungen dazu keine Bedeutung hat. Ich habe meine Mutter gebeten die Geschichte(n) unserer Familie aufzuschreiben. Nicht neutral, nicht sachlich, so wie sie es fühlt und in der Reihenfolge in der es ihr einfällt. Denn das wäre etwas, was ich hätte gebrauchen können um besser mich und meine Identität zu verstehen, vorallem da ich inzwischen verstehe was so etwas wie "intergenerationales Trauma und Erfahrungen" sind. Auch wenn es nicht das Ziel der Pages ist, freue ich mich meiner Wahlfamilie und meinem Kind etwas hinterlassen zu können was erlaubt mich zu verstehen um zu erlauben vielleicht sich besser zu verstehen.

- Ich bin freier. Freiheit in einer Menge zu vergleichen ist knifflig, aber möglich, weil so viele es für ein Gefühl halten, es aber eben (auch) ein Zustand ist. Seit ich die Pages schreibe und damit in der Beschäftigung mit mir selbst mich immer wieder erneuere, erscheine ich mir freier. Was sicher damit zu tun hat, dass ich in einer Welt die sich immer und schnell bewegt, mich immer um meine Beweglichkeit kümmere.

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Vermutlich, wenn ich mich noch länger darauf konzentriere, würde ich noch mehr finden. Aber dieser Artikel ist auch mit Euphorie und Feuer in den Fingern geschrieben, weil ich in einer Stimmung die der Jahresabschluss mit sich bringt mich gefragt habe, was eben ein Jahr Pages schreiben eigentlich gebracht hat. Fast wie bei das Leben des Brian, fallen mir immer mehr Sachen ein, auch wenn es bei mir eben nicht von den "Römern" kommt. Wichtiger ist für mich aber, diese Erkenntnisse festzuhalten. Und ja, auch zu teilen. Denn bei aller Scheißigkeit des Seins und der Ausgelieferheit die teilweise mit dem Leben im Kapitalismus und der Gesellschaft die daraus folgt entsteht, ist es eben doch möglich Widerstand zu leisten in der Form von Selbstaktualisierung und Erkenntnissen. Und das verändert im ersten Moment nicht was von Oben kommt, aber auf Dauer was von unten kommt. Und in einer guten Demokratie, wenn wir die haben wollen, muss von beiden Seiten was kommen.
Aber egal wie du zu Systemen stehst, ist es eben auch für dich Selbst und deine Seele und deinen Frieden gut, wenn du sehen kannst, das es Möglichkeiten gibt. Und vielleicht sind es eben die Pages. Vielleicht ist es ein anderes Tool. Es gibt Möglichkeiten.



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