Die Bühne ist heilig

Foto: Ben Mischke
Riff Slam Bochum '21

Wenn ich an Bühne und Auftreten und all das denke, dann habe ich eine ganz gute Vorstellung wie ich sein möchte. Energetisch, lebhaft, ansteckend, aber auch herausfordernd und etwas anbieten, was ein bisschen die Denkmurmel anschmeißt, darüber hinaus aber auch im Gedächtnis bleibt. Die Liebe die ich für die Kunst habe, eine Formulierung die ich damals nicht hatte, als ich diese Haltung entworfen habe, die soll bitte sichtbar, spürbar und ansteckend sein.

Weil ich keine Impulse und Lernanlässe auslasse, fange ich irgendwann an mich für Wrestling zu interessieren. Genau wie beim Poetry Slam, dem Format in dem ich bevorzugt angetreten bin, ist da der Wettbewerb nur der Aufhänger damit das Publikum sich für Geschichten interessiert. Der Wettbewerb verpufft am Ende des Abends, wenn es einen Preis gibt der nur Bedeutung für die hat, die ihm Bedeutung geben und die Statistik ist auch nur für die interessant die sie führen, weil wenn die nächste Show los geht, werden die Karten neu gemischt, die Teilnehmer*innen sind andere und selbst wenn das selbe passieren würde, sähe es anders aus. Poetry Slam, Wrestling, das sind alles Spiele. Aber die Leidenschaft in allem, die darf echt sein.



Ringkampf. Die Fraktion im europäischen Wrestling, die für die ursprünglichen Werte des Wrestlings stehen. Ursprünglich als eine Modelinie gestartet für Merchandise. Inzwischen gibt es diese Fraktion eigentlich so nicht mehr, weil die Teilnehmenden in die U.S.A. und teilweise in verschiedene Firmen gegangen sind, aber sie haben eine Nachfolge in der Fraktion "Imperium" die es jetzt in der WWE gibt.

Ihre Aufmachung gefällt mir teilweise und teilweise auch nicht. Während der Merchandise super clean und modern aussieht, sehen die hauptsächlich deutschsprachigen Wrestler*innen im Ring unfassbar militärisch aus und wecken damit unangenehme Assoiziationen an die faschistische deutsche Vergangenheit. Aber inhaltlich stehen sie für andere Werte, zeigen das deutlich. Und sie schaffen mehrere Slogans, oft gesagt von ihrem Anführer, "Big Daddy Walter" inzwischen als "Gunther" in der WWE, die mir nicht aus dem Kopf gehen wollen, und ihre Haltung aufzeigen.

Logo aus dem
alten Merchandise-Shop
.


"Die Matte ist heilig."
und
"Wir bringen die absolute Härte und die beste sportliche Leistung des Abends."


Wrestling folgt einem Script. In seltenen Fällen gibt es Abweichungen, aber Sieg und Niederlage stehen vorher fest. Die Kämpfe sind so echt wie jeder andere Actionfilm auch, weil es keine echte gegeneinander gerichtete Gewalt ist, aber die Performance dahinter mit echter Energie aufgefüllt ist. Im Poetry Slam ist der Wettbewerb nicht echt. Wer versucht Kunst zu wertend nach objektiven Kriterien zu vergleichen, hat meiner Meinung nach Kunst nicht gut verstanden. Es geht um das subjektive, es geht um das persönliche Erlebnis. Die Vortäuschung des Wettbewerbs macht aber den Blick für das eigene Subjektive schärfer. Die beste sportliche Leistung des Abends, die muss kein Sieg sein, aber die können wir vielleicht auch bei dem Vortrag von Gedichten sehen und empfinden und vermuten.

Einige Zeit übernehme ich als Anspielung Rituale und Aussagen dieser Fraktion und passe sie auf uns an. Die Bühne ist heilig, sage ich und putze mir - auch jetzt noch - vorm Betreten der Bühne am Rand die Füße ab, der Grund: Bring keinen Schmutz auf die Bühne. Lass die Straße, die Außenwelt draußen, lass die Bühne, den Ring, einen in sich geschützten Raum sein, mit eigenen Regeln. Heilig, wie ein Haus einer Religion oder ein Ort der Meditation. Mich motiviert eine gute "sportliche Leistung" zu erbringen. Unter den Leuten die Slam machen, sehe ich damit manchmal deplatziert aus, weil ich mich bewege und verhalte, als wäre es Sport. In mir selbst fühle ich mich sehr gut platziert. Ich kann gut damit leben, welche Haltung ich da entwickelt habe und damit wovon sie inspiriert ist.

Die Fraktion im Wrestling ist weiterhin ein Garant für gute Qualität im Ring. Sie haben Erfolg, sportlich und sicher auch wirtschaftlich. Der anführende hat eine der längsten Titelherrschaften an seinem Titel, was zum einen natürlich eine erzählerische Entscheidung ist, aber zum anderen nicht so getroffen worden wäre, würde die sportliche Leistung dazu nicht passen. Ich freue mich zu sehen, was erzählerisch mit ihnen passiert. Sie sind als "böse" zu lesen, aber sie sind welche der wenigen, die dafür nicht die Regeln brechen, sondern unangenehm selbstsicher und dominant im Ring auftreten. Und eben einen Anführer haben, der nur gewinnt.

Gewinnen und Titel, das reizt mich nicht so. Eine gute Geschichte anbieten dafür um so mehr. Zum Glück ist meine Haltung von noch mehr Dinge inspiriert und beeinflusst, aber ich bin auch froh immer noch dabei zu bleiben:
Die Bühne ist heilig.

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