Never meet your heroes

Curse, rechts, ich, links.
Foto: Ben Mischke

Das Zitat in der Überschrift, das ist vielleicht bekannt. Als ich für den historischen Kontext versuche heraus zu finden, wo es herkommt, gibt es diverse Quellen. Prominent gemacht hat es wohl ein Song einer Band. Richtungen gibt es viele und das täuscht mir bei solchen Zitaten leider oft erfolgreich vor, dass wenn viele zu diesem Ergebnis kommen, was dran sein muss.

"Never meet your heroes" soll meines Erachtens nach schützende Mahnung sein. Triff deine Held*innen nicht, denn deine Erwartungen an sie könnten so hoch sein, dass sie sich nicht erfüllen. Du könntest ihre Menschlichkeit sehen und daran erkennen, dass sie gar nicht so krass sind, wie du es ursprünglich empfunden hast. Und du könntest verletzt werden, denn du wirst ihnen nicht so wichtig sein, wie sie dir sind.
Und das tolle an dem Zitat ist, dass wir alle es so authentisch empfinden, so nachfühlbar. Denn enttäuscht wurden wir alle schon mal. Egal ob es das gute "eine Täuschung verlieren" oder das schlechtere "eine positives Vorurteil verlieren" meint. Enttäuschung gibt es, wieviele Emotionen einfach gratis und auch wenn wir sie verschieden durchlaufen, kennen wir sie eben alle doch.

Letztes Jahr habe ich Michael Kurth, besser bekannt unter seinem Künstler-Namen "Curse" getroffen. Die Musik von Curse begleitet mich seit meiner Jugend, ich war damals schon oft sicher, dass Curse mein Zimmer und mein Leben ablauschen musste, weil da so viele Stücke waren, mit deren Inhalt und Stimmung ich so schnell in Verbindung treten konnte. Teilweise richtiger "Sadboishit", teilweise philosophische Frage, ein bisschen Rumgeflexe und Gepose, weil es eben Pflicht im Rap ist. Aber auch Stücke über die Kunstform selbst. Da ist vieles, was ich mochte, was mich beschäftigt, was ich zitiere, was ich mir anhöre, wenn ich mich schlecht oder nicht fühle, um wieder Zugang zu finden. Ich habe alle Alben im Schrank, hätte mich als Fan bezeichnet, war aber nie auf einem Konzert. Weil Konzerte lange nicht so mein Ding waren. Keine Ahnung wieso. Vielleicht weil ich manche Dinge lieber alleine als mit vielen genießen mochte. Und als ich einen guten Zugang zu Konzerten gefunden hatte und meinen Stil um mich dort wohlfühlen zu können, hat Curse keine Konzerte mehr gegeben. Inzwischen war der Gute eher als Coach unterwegs, macht Mindfulness-Stuff und ich grinse, während ich das tippe, weil das genau der Kram ist den ich mir seit ein paar Jahren in die Birne lese und höre, um besser mit mir klarzukommen. Dieser Curse und ich, vieles in mir denkt oft und gerne, wir haben wohl einiges gemeinsam. Und das könnte auch so sein.

Never meet your heroes. Ich habe Curse getroffen. Klar, nicht auf einen Kaffee oder so, sondern nach einem Konzert. An dieser Stelle ganz großen Dank an Valo, Ben und Bens Bruder, dass die Drei zusammen das möglich gemacht haben. Aber so konnte ich mit Curse mal reden, mich für die Kunst bedanken, mir ein Autogramm auf eines meiner liebsten Alben abholen und ein nettes Foto bekommen. Curse ist ein ruhiger und achtsamer Mensch in dem Gespräch gewesen. Sehr realistisch für so eine Situation. Keine Ahnung mehr was ich mal ursprünglich erwartet habe, aber ich hatte mir auch vorher eine Sache klar gemacht.

Never meet your heroes. Wenn ich den Duden als Grundlage nehme, dann hätte ich auch keinen Bock meine Helden zu treffen. Denn bei der männlichen Form steht da vorallem im Fokus, dass es Leute sind die bedeutsame kriegerische Handlungen geleistet haben. Ja, nee, danke. Das brauche ich auch nicht. Die meisten Leistungen im Krieg bedeuten mir wirklich nichts. Wenn ich Joseph Campbells "Heroes in tausend Gestalten" als Basis nehme, wird es schon etwas besser und klarer: Eine Person die durch eine Wendung im Schicksal sich aus der Menge der Gewöhnlichen erhebt und dann los zieht sich zu entwickeln, um einen großen Schatten, eine übergeordnete Bedrohung zu bewältigen. Erzählerisch passiert das dann meist mit Gewalt in solchen Geschichten, aber eben durchaus auch mit Fertigkeit, Mut, List, Kühnheit und was es eben so braucht, um den größeren Schatten zu besiegen. Ich erlaube mir hier kurz anzumerken, dass beide Definitionen und Beschreibungen auf dem feministischen Auge komplett blind sind und leider seltenst nicht-männliche Personen meinen.

Never meet your heroes. Wenn ich auf die Definitionen und dann auf meinen Leben schaue, dann zwickt es mich etwas. Denn in meinem Leben ist Curse ja gar nicht der Held. Curse rettet meine Welt nicht. Curse bekämpft keinen größeren Schatten in meinem Leben, auch wenn es eben sicher hier und da mal geholfen hat, seine Musik zu hören. Aber Curse kommt nicht zu mir und macht die Musik für mich an. Während ich die Play-Taste drücke an meinem Abspielgerät, kann ich genau sehen, wer hier der Protagonist ist und wer die Verantwortung für die Erwartungen an ein Treffen mit einer gemochten prominenten Person hat. Ich selbst.

Never meet you heroes. Ja, weil du keine Heroes haben musst. Sicher, manchmal gibt es Menschen die uns retten. Ganz sicher. Manchmal merken wir das gar nicht. Aber die Menschen die in dem Sprichwort als Helden bezeichnet werden, lass sie vielleicht Idole sein, was auch nicht gut ist. Denn Idole sind per Definition heilige unantastbare Gegenstände die den Glauben festigen sollen. Und Menschen sollten eben nie Gegenstände und Projektionsflächen für die Ideen anderer sein müssen. Dafür kann ich niemanden verantwortlich machen, was ich mir in mir ausdenke, wie diese Menschen sind oder meiner Idee nach sein könnten. Es gibt für mich aber eine Kategorie, die diese Menschen sein können: Mentor*innen.

Denn wie oft sind die Leute die wir als Held*innen sehen eben auch die, wegen derer wir uns in Bewegung setzen? Uns trauen? Doch weitermachen? Campbell beschreibt diese Menschen auch als Mentor*innen oder Herold*innen. Menschen oder Ereignisse, die uns sagen, dass wir losgehen müssen oder uns etwas beibringen, was uns weiter bringt. Aber eben auch Menschen, die selbst nicht der Held in der Geschichte sein können, sondern uns nur Fertigkeiten vermitteln, die wir gebrauchen können.

"Wer den Scheiß hier whack findet, ist ein armer Wichser, der nicht zugeben kann, dass er Gefühle hat" sagt Curse im Intro einer seiner Stücke und das hat mich in Bewegung gesetzt und mir ein wichtiges Wissen gegeben: Die die nicht fühlen können sind die schwachen, nicht die, die stark empfinden. Etwas, was meine Umwelt mir anderes eingeprägt hat. Und es ist nur eines von vielen Zitaten, die bei mir bleiben. Die mich berührt haben.

Als ich Curse treffe, denke ich vorher kurz: Wir machen das selbe. Texte schreiben, auf Bühnen gehen, über uns und übers Denken und Leben lernen. Klar, mit unterschiedlichen Erfolgen, aber auch mit unterschiedlichen Zielen. Als ich ihn sehe, denke ich nicht an einen Helden. Keine schimmernde Rüstung, keine glorifizierten Gewaltakte für mich. Nur ein Mensch der sein Werk macht und es teilt und damit mir Dinge gelehrt hat.

Never meet your Heroes. Ja. Weil du vielleicht nicht Leute als die Held*innen sehen solltest, deren Aufgabe es ist dich zu retten. Wie sollen sie das leisten? Sie kennen dich kaum. Wenn ihre Kunst das tut, dann ist das natürlich schön, aber das verbindet nicht dich und deine Held*innen, sondern dich und deren Werk. Und ja, es kommt aus einem Anteil der Künstler*in, deines Vorbildes, aber es ist eben nicht diese Person. Und die dann aber zu treffen, im Wissen, dass es das Werk ist, kann ich nur empfehlen. Meet your mentors, become your own hero.

Danke Curse für deine Zeit nach dem Konzert, danke für ein gutes Konzert auf dem ich sehen durfte, dass ich nicht der Einzige bin, der seine Texte nicht auswendig kann und auch sehen konnte, dass so ein Abend dann trotzdem ein Erfolg und ein wertvolles gemeinsames Erlebnis sein kann. Dass es nicht immer darum geht was genau gesagt wurde, sondern in welcher Intention. Danke für einen guten Abend in Dortmund. Danke, dass du dich mit uns teilst.

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